Montag, 16. August 2021

Sylt von seiner besten Seite

Schon vor über 2 Jahren hatte ich mich zum diesjährigen Workshop auf Sylt mit Birgit Nass und Mari Emily Bohley angemeldet. Corona war damals nichts anderes als eine Biermarke und was gibt es besseres als einen Spitzenklasse-Workshop auf meiner Lieblingsinsel?

Ich hatte Glück! Wir waren die erste Gruppe, die sich nach dem langen Lockdown ins Indoor-Beisammensein stürzen durfte. Meine Stimmung war freudig erwartungsvoll bis hektisch aufgedreht, verwandelte sich im Laufe der 6 Tage dann aber immer mehr in Ausgeglichenheit mit „tief einatmen“ und bewusst genießen!

Die Akademie am Meer liegt einsam im Klappholttal

In der Mittagspause Natur genießen



Ich bewohnte ein nettes, sinnvoll eingerichtetes Zimmer am äußersten Ende des Klappholttals, dem „Nordpol“, mit einer wunderbaren Sicht in die endlose Dünenlandschaft. Besser hätte es nicht kommen können. Ab und an fuhren in etwas Entfernung Radfahrer am Weg vorbei, ansonsten hatten wir Bewohner der Akademie am Meer Ruhe vor der Außenwelt. An nur wenigen Stellen gab es rudimentären Internet-Empfang. Niemand hat einen Fernseher vermisst. Die Welt da draußen konnte uns mal …

Mein dort entstandenes Logbuch, Leporello, Jalousiebuch und die Bibliothek habe ich bereits bei Instagram gezeigt, aber das stellt mich nicht richtig zufrieden, darum liefere ich nun den Blogbeitrag nach.

Jalousiebuch mit Schwemmholz und Hühnergott


Die Bibliothek birgt Fundstücke vom Strand


Ins Logbuch wurde eine raffiniert gefaltete Taschenlage mit eingebaut


Leporello voller Erinnerungen


Ohne Zeitdruck und ohne Feierabend konnten wir an unseren Projekten arbeiten, was die meisten auch bis in die späten Abendstunden ausnutzten. Birgit und Mari erklärten Arbeitsschritte und Techniken, was wir daraus machen wollten war uns überlassen. Anschauungsobjekte und Inspirationen gab es reichlich. Einmal fuhr Birgit in den Baumarkt und kam bis über beide Backen strahlend mit einer Tasche voll Handsägen, Holzleim, Schraubstock, Feilen und Schmirgelpapier zurück. Was an Material dann immer noch nicht vorrätig war, fanden wir am Strand: Muscheln, Treibholz, Federn, Steine … Auch der Strand gehörte uns – jetzt, in der Hauptsaison – denn der Weg zum nächste Touristen-Anlaufpunkt war weit.

Das Küchenpersonal sorgte für einfaches, aber sehr leckeres Essen. Nach dem Frühstück sammelten wir uns draußen im Kreis und besprachen, was tagsüber anstand und zu den Kernzeiten vermittelt werden sollte. Manch eine drahtige Teilnehmerin kam zu der Zeit schon vom Schwimmen und berichtete über neue Funde, die die Flut über Nacht angeschwemmt hatte. Ich machte meine Expeditionen vorzugsweise nach dem Mittagessen: Wattwanderung, Vogelkoje, Wanderdüne, Rundwege durch Dünen und Strand. Nie kam ich mit leeren Händen zurück und so füllte sich der Tauschtisch täglich mit neuen Schätzen. Die Zeit verging viel zu schnell.

Eine Wattwanderung bringt Kribbeln in die Füße und Nahrung fürs Gehirn
Algen ankern gerne auf Austern und liegen platt im Watt, bis die Flut kommt
In weiser Voraussicht hatte ich im Anschluss an den Kurs noch für ein paar Tage ein Zimmer in Hörnum gebucht. Seit Langem war ich neugierig auf Entdeckungen an der Südspitze, wo Wattenmeer und Nordsee ineinander übergehen, auf die Landzunge bei Ebbe und eine Schiffstour mit dem Speedboot nach Amrum.

Strandleben in Hörnum

Schneckengehäuse mit Seepocken

Austernfischer und Seemöwen

Bei Ebbe





Den breiten, feuchten Saum des Meeres bei Ebbe zu durchstreifen ist ein erstaunliches Erlebnis. Man findet nicht nur Herzmuscheln, Miesmuscheln, angebackene Seepocken, viele lange Schwertmuscheln (wir haben sie früher Rasiermesser genannt), verschiedene Austernarten, kleine und große Schnecken, Algen und Tang, sondern auch millimeterkleine Seesterne und etliche  undefinierbare Lebensformen. Leider war ich zu feige, die beiden Leute mit Gummistiefeln, Eimer und Schaufel zu fragen, wonach sie bei ihrer systematischen Grabung im Sandstrand suchen. Gibt es hier Delikatessen, die nur der erfahrene Spezialist zu finden imstande ist?

Tetrapoden sollten ursprünglich dem Küstenschutz dienen, haben sich aber nicht bewährt.





Leider war der Leuchtturm von Hörnum geschlossen, aber das ist ein guter Grund, irgendwann noch einmal hinzufahren.

PS.: Dies ist keine Werbung für Sylt, denn die Insel ist sowieso meist überfüllt. Dies ist auch keine Werbung für Birgit Nass und Mari Bohley, denn die Workshops der beiden sind oft schon weit, weit vor Stattfinden ausgebucht (es sei denn, jemand sagt kurzfristig ab. TIPP: Newsletter bestellen). Dies ist allerhöchstens ein bisschen Angeberei, weil alles soooooo schön war.



Samstag, 7. August 2021

Berlin zwischendurch

Ein paar Tage Berlin haben noch nie geschadet. Ich hatte mir im letzten Jahr günstige Gutscheine für den Flixbus gekauft, bevor man in der Zentrale entschied, coronabedingt mehrere Monate zu pausieren. Die Strecke ab Koblenz ist noch immer stillgelegt, da aber die Gültigkeit meiner Billigtickets ablief, musste ich mit dem Zug zuerst nach Bonn fahren, um die Buslinie zu nutzen, die von dort losfuhr.

Die Fahrt war ewig lang und wackelig hinten in der letzten Reihe, aber auch irgendwie gemütlich und schön ruhig. Der Bus war nur locker besetzt und kam super pünktlich in Berlin an.

Blick auf die Oberbaumbrücke

Regenwetter! Ich spazierte meine „Pflicht-Meile“ ab, die ich bei jedem Berlin-Besuch absolviere: Alexanderplatz – Museumsinsel – Friedrichstraße. Baustellen an allen Ecken! Aber der Lückenschluss der U5 mit den Stationen „Rotes Rathaus“, „Museumsinsel“ und „Unter den Linden“ ist gerade eröffnet worden, also geht es doch vorwärts. Auch das nach altem Vorbild neu errichtete Schloss konnte endlich besichtigt werden, zumindest von außen. Am Hintereingang hielt gerade eine Stretchlimousine, die mir nur deshalb ganz deutlich auffiel, weil sich vier unsympathische, breitbeinige Security-Männer im Hof aufbauten.

„Rotes Rathaus“ - eine der 3 nagelneuen U-Bahn-Stationen der Linie 5


Schlange stehen kennen die älteren Ostberliner ja noch gut!






Corona-Test-Bauchladen – erinnerte mich irgendwie an die vietnamesischen Zigaretten-Verkäufer, die es früher in Berlin zuhauf gab.

Photoautomaten-Bilder gehen auch bei Regen. - Neu: mit integriertem Desinfektionsmittel-Spender!


 

Die beste Idee bei schlechtem Wetter war, sämtliche Künstler- und Bastelgeschäfte abzuklappern, die uns einfielen. Zwei volle Tage haben wir damit verbracht, wobei eine gewisse, nicht abzustreitende Übersättigung die Einkäufe von Laden zu Laden kleiner werden ließ. Nach Friedrichshagen trieb uns die Neugier auf eine Papierwerkstatt in einer schnuckeligen, alten Druckerei. Diesen Ortsteil kannte ich noch nicht und ich war überrascht, wie wunderschön der ehemalige Osten Berlins hergerichtet worden ist, ohne die alten Fassaden zu versauen. Hier war es auffällig sauber, frei von Baustellen, Hektik und Lärm, mit netten Läden. Das muss ich mir irgendwann noch mal genauer ansehen.





Überhaupt war Berlin in diesen Tagen nicht so überfüllt. Da fehlen wohl coronabedingt die Touristen aus aller Welt, die Amerikaner und Asiaten, die ansonsten alle 1 x im Leben in Berlin gewesen sein müssen. Pflichtprogramm vieler Reiseunternehmen und Individualreisender.

Für Samstag versprach der Wetterbericht Sonne. Wir fuhren nach Beelitz, wo ein ausgedehnter Baumwipfelpfad durch das Gelände der ehemaligen Lungenheilstätte führt. Mano hatte vor Jahren davon berichtet und seitdem wollte ich hin. Wunderschön, kann ich euch sagen! Liebevoll gestaltet und tip-top gepflegt. Die über 100 Jahre alten, verfallenen Gebäude strahlen viel Charme aus. Bäume wachsen auf den Dächern und Büsche aus den Fenstern. Drumherum in der großzügigen Parkanlage finden sich gemütliche Restaurants in Holzhäusern, urige Imbisswagen und die unterschiedlichsten Sitzbereiche. Ein Ort zum Erholen, Entdecken und Fotografieren.




Gleich nebenan befindet sich ein Barfußpark, mit 3,6 km der größte und schönste den ich kenne. Wer schon immer mal über Glasscherben laufen wollte oder gerne kühlen, matschigen Lehmbrei zwischen den Zehen spürt, dem sei gesagt: der Weg lohnt sich. Durch den Regen der Tage zuvor waren die Mulch-Wege weich wie Moos. 




Summsteine, Kräutergarten, Venenschule, Kokosnussfolter und Zitterbalken. Wir ließen nichts aus. Mitten im Birkenwald gab es eine Lichtung, wo Hängematten zum Ausruhen lockten. Hier hätte ich gerne die Zeit an einem stillen Wochentag verbracht, um den Himmel durch das Guckloch zwischen den Baumwipfeln zu beobachten, aber angesichts von Horden johlender Kinder lies die Tiefenentspannung auf sich warten. Zum Trost genehmigte ich mir später an der Baubude von Waldemar einen leckeren Flammkuchen, bevor wir uns am Ausgang die braunen Füße sauber schrubbten und uns wieder in die Schuhe zwängten, die im Schließfach deponiert waren.

Ein toller Tag!

An den Abenden in Berlin zeigte ich meiner Gastgeberin, wie ein Album in belgischer Bindung anfertigt wird. Ihre Version hat mir so gut gefallen, dass ich zu Hause schnell ein ähnliches Exemplar zusammengebaut habe. Es beherbergt nun alle Eintrittskarten, Prospekte, Fahrpläne, Postkarten, Visitenkarten, Notizzettel und sonstige Erinnerungen aus Papier, die ich in Berlin wie immer reichlich gesammelt habe.





Die belgische Bindung entwickelt sich mehr und mehr zu meiner Lieblingsbindung. Sie ist schnell gemacht und sieht gut aus.






Donnerstag, 15. Juli 2021

MittwochsMix 6/2021 Weben + Spuren = ein dickes Musterbuch

Der MittwochsMix, eine kreative Herausforderung für alle die Lust zum Mitmachen haben, stand im Juni unter dem Motto Spuren und Weben. Ich hatte eine Reihe von alten und neue Ideen, die am liebsten alle auf einmal verwirklicht werden wollten und mein Arbeitseifer uferte entsprechend aus. Wie viel Zeit das kostet, darüber dachte ich gar nicht nach. Erst als sich die Arbeit in die Länge zog und mein Kopf schon um das nächste Projekt kreiste, fragte ich mich, warum ich mir das Leben so schwer mache. Ich könnte im Eiscafé sitzen und den Gesprächen am Nachbartisch lauschen oder am Rhein entlang spazieren und Pflanzen sammeln. Ich könnte eine Radtour machen und dabei etwas für die Gesundheit tun. Stattdessen sitze ich am Tisch und bastle eisern vor mich hin. Warum ist das so?

Diesmal, finde ich, hat sich die Arbeit gelohnt. Ich bin selber reichlich beeindruckt von meinem Musterbuch – vor allem von dem Cover, einem gewebten Auge mit Glaskörper aus in Streifen geschnittener Plastikfolie.

Wollreste von 1982 – reine Schafwolle, die meine Mutter gesponnen und ich dann gefärbt hatte


Einige der 10 Seiten aus dem Album


Das Album ist ein ziemlicher Brocken geworden - mit 24 x 33 cm deutlich größer als A4 und bei nur 10 Seiten ordentlich dick, aber sehr leicht, denn die Blätter sind aus gebrauchten Wellpapp-Kartons geschnitten, die allesamt Spuren ihres Vorlebens tragen. Mal sind es Risse, mal Flecken oder Löcher, Reste ehemaliger Adressaufkleber, aufgedruckte Farbprüffelder oder auch selbst hinzugefügte Spuren, denn ich habe manch einen Pappdeckel schon öfter als Unterlage beim Malen, Stempeln oder Kleben benutzt. 

Papierweben ist ein alter Hut und schon lange bei mir auf der to-do-Liste.



Vorder- und Rückseite - welche ist die Schönere?

Das 3D-Weben ist eine ziemliche Fummelei. Mit Stoffborden würde es leichter gehen.


Papierstreifen müssen nicht gerade sein, um sich verweben zu lassen.




Zwei Fotos werden zu einem.

Hier habe ich eine Laterne in die nächtliche Szene gesetzt.

Die Fassade des Wallraff-Richartz-Museums vor dem Kölner Dom durch Weben lebendiger gemacht.



Die Seiten sind in Waisenbindung zusammengenäht und verblendet mit einem Rücken, der dem Anschein nach eine verwebte Langstich-Bindung hält. Fauler Zauber. Musste aber sein, wenn ich schon einmal beim Thema Weben bin! 

Es fehlt noch ein schönes Plätzchen auf dem Schrank oder anderswo, um immer mal einen schnellen Seitenblick im Vorbeigehen auf das gewebte Auge werfen zu können, denn das will ich nicht wie so viele andere Alben einfach irgendwo zwischenschieben. Ich muss neuen Platz schaffen. Oder umziehen. 

Schaut mal, was den anderen Teilnehmern zum Thema Weben und Spuren so alles eingefallen ist. Das geht ganz einfach, denn Susanne und Michaela sammeln ja lobens- und dankenswerterweise alle Beiträge in einer Linkliste ;-)





Spinnweben auf der Rückseite des Buches

 



Mittwoch, 26. Mai 2021

Mittwochsmix Schnipsel+Nachhaltigkeit = Ein Knopfkartenbuch

Wiedermal sind es Äußerlichkeiten, die verhindern, dass ich ein altes, zerschundenes Buch in den Müll werfe. Entkernt und runderneuert ist ein Knopfkartenbuch daraus geworden und das ging so:



Ich habe den Buchblock mit einem Cuttermesser am Vor- und Nachsatz aus dem Umschlag geschnitten. Die alten Seiten können später bei anderen Projekten Verwendung finden.

Von innen wurde der Lederrücken zur Stabilisierung mit Gaze beklebt und dann mit schwarzem Gesso überpinselt. Im Anschluss habe ich die inneren Umschlagseiten mit Spiegeln aus CitroSolv-Papier beklebt. Auf alt gemachte Metallecken und ein Metallrahmen gefielen mir gut dazu.

Alte Knöpfe mit Erinnerungswert habe ich auf hübsche Postkarten genäht. Beides hatte sich über die Jahre in viel zu großen Mengen in den Schränken angesammelt und würde wohl kaum noch jemals seiner ursprünglichen Bestimmung zukommen. Ich sage nur: eMails und Kartenbasteln. Und für den Fall, dass mal ein Knopf an einem Kleidungsstück fehlt, ist immer noch reichlich Nachschub vorhanden. 

Oben ein Loch in die Karten stanzen und hinten ein Loch mit Öse in den Buchrücken machen. Buchring durch, auffädeln und freuen.






Wenn das mal nicht nachhaltig ist, liebe Susanne und Michaela, dann weiß ich auch nicht weiter. Ach ja, der Schnipsel, der in diesem Monat als zweites Schlüsselwort beim MittwochsMix Verwendung finden sollte, der steckt vorne im Rahmen. Ich habe in Kurrent das Wort „Knöpfe“ draufgeschrieben. Hoffentlich zählt das  ;-)