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Dienstag, 6. Juni 2023

Wilde Fasern, Alice Fox – (nicht nur) eine Buchrezension

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Kennt ihr die Arbeiten von Alice Fox? Habt ihr schon ihre geflochtenen Zöpfe aus Narzissenblättern  gesehen oder ihre Webereien in Kastanienschalen, ihre genähten Behälter aus Blättern von Sträuchern und Bäumen oder ihre koptisch gebundenen Bücher im Schlamm-Mantel? Schaut euch das unbedingt einmal an. Ihr werdet staunen!

Wilde Fasern - Textile Objekte aus lokalen Naturmaterialien“ ist vor Kurzem im Haupt Verlag als großformatiger Bildband erschienen. Das Buch zeigt in schönen, klaren Fotos einen Querschnitt aus den fantastischen Arbeiten von Alice Fox und – jubel! – erklärt auch, was nötig ist, um selber solche Dinge anzufertigen.





Das Grundmaterial wächst oft kostenlos am Wegesrand. Wer im jahreszeitlichen Rhythmus sammelt, was die Natur uns schenkt, kann selbst im Winter mit Faserpflanzen arbeiten.

Ein Korb, hergestellt aus Bündeln getrockneter Gräser oder aus alten Zeitungen, verflochten mit Brombeerseilen, ist nicht nur schön, sondern auch nützlich. Erinnerungsstücke von ganz besonderem Wert kann man aus Fundstücken vom Strandurlaub oder Waldspaziergang herstellen, wenn man sie gleich vor Ort verdrillt und verzwirbelt. Ich denke an die Kugeln aus Seetang, Moosen und Farnen, wie sie auf dem Buchtitel zu sehen sind, und an Reste von schrillbunten Fischernetzen und Plastikseilen, die Alice nicht unerwähnt lässt.




Bevor ich Bücher rezensiere, lese ich sie gründlich von der ersten bis zur letzten Seite und fertige Arbeitsproben an. Als dieses Buch im März erschien, dauerte es noch eine Weile, bis die Natur mein Bastelmaterial großgezogen hatte. Ich erntete Löwenzahn, als die Stiele ca. 35 – 40 cm hoch waren, und hängte sie für gut zwei Wochen zum Trocknen in der Garage auf. Dann begann ich zu flechten und zu weben. Ich war erstaunt, wie geschmeidig und reißfest die Stiele in diesem noch immer halb feuchten Zustand waren. Dünne Kordeln ließen sich problemlos drehen, breite Zöpfe aus mehreren Stängeln wurden mit etwas Geschick wunderschön, seidig glänzend und prall. Zu trockenes Material legte ich für eine Stunde ins Wasser und hatte dann wieder, was ich brauchte. Durch das Wässern veränderte sich die Farbe der Halme von Grün zu Braun. Die fertigen Zöpfe trockneten nach einiger Zeit vollständig aus. Mit dem Entweichen der Feuchtigkeit wurden die Fasern dünner und das Geflecht zarter und brüchiger. Aber nicht jede Faser reagiert wie Löwenzahn.




Im rechten Bild sind die Löwenzahnstängel nach der Verarbeitung weiter ausgetrocknet.



 
Im Buch findet ihr Anleitungen zum Sammeln und Aufbereiten von einer Vielzahl an Pflanzen, deren unterschiedliche Eigenschaften verschiedene Verwendungszwecke nahe legen. Alice Fox erklärt speziell auch Anbau, Ernte, Fasergewinnung und Verarbeitung von Flachs und Brennnesseln, die sie auf ihrer eigenen Gartenparzelle heranzieht. Es gedeiht dort eine „leicht krawallige Mischung“ (Zitat) aus gesäten, gepflanzten oder sich selbst vermehrten Gewächsen.



Wildpflanzen wie die Zaunwinde mutieren nach Alices Vorbildern vom Unkraut zum Rohstofflieferanten für flächig vernähte oder dreidimensionale Körper. Kulturpflanzen wie Narzissen-, Maiskolben-, Schwertlilienblätter, Brombeere, Himbeere, Rhabarber, Meerrettich und Binse werden zu Objekten, deren Ursprung dem Unwissenden Rätsel aufgibt.

Auch Schalen und Gehäuse, Fundstücke wie Steine, Muscheln, Knochen, Hölzer und gebrauchtes Papier oder Plastik erfährt unter den Händen von Alice Fox ein künstlerisch aufgewertetes, neues Leben.








Leider habe ich (wie so oft) auch an diesem Buch etwas zu kritisieren: derzeit gewaltig überstrapazierte Begriffe wie „ökologischer Fußabdruck“, „Nachhaltigkeit“, „die Auswirkungen unserer Lebensführung überdenken“, „lokale Dinge bekannter Herkunft verwenden“ oder dieses >Gender:innen< überfallen den Leser gleich zu Beginn des Buches und ziehen sich über etliche Seiten dahin. Seit bekannt wurde, dass Klimakleber per Stellenanzeige gesucht und für ihre Aktionen bezahlt werden, reagiere ich auf solcherlei Parolen noch genervter als vorher. Der Grundgedanke von Alice ist nicht verkehrt, allerdings bin ich die falsche Zielgruppe, wenn es darum geht, den Leser zu besseren Menschen zu machen. Statt ausgedehnter Belehrungen würde ich gerne mehr, mehr, mehr dieser wunderschönen, skulpturalen Objekte sehen.




Meine Freude am Buch wird das nicht schmälern. Neben dem Augenschmaus, den man mit „Wilde Fasern“ zweifellos in Händen hält, erlangt man Kenntnisse, die Alice über viele Jahre erworben hat. Sie zeigt uns beispielhaft, wie sie arbeitet und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben. Sie skizziert den Entstehungsprozess ihrer Werkstücke von der Inspiration zum fertigen Produkt und regt zu eigenen Experimenten an – zu Beschäftigung mit Material aus heimischen Gefilden, kostenlos zu finden, das nur die Hingabe und das Wissen braucht, seine Schönheit zu erkennen, um Einzigartiges zu gestalten.










Da mir das Buch Wilde Fasern von Alice Fox freundlicherweise für eine Rezension zur Verfügung gestellt wurde, ist mein Bericht als „Werbung“ gekennzeichnet. Der Haupt Verlag hat selbst auch einen sehr schönen weiteren Blick ins Buch zum Blättern bereitgestellt.

Wer Papier aus Naturfasern schöpfen möchte, braucht ein anderes Buch.

Die Vorschau auf das Haupt Verlagsprogramm 2023 mit den Neuerscheinungen für Herbst ist jetzt schon online.

Keinerlei künstliche Intelligenz wie z.B. Chat GPT wurde für diesen Blogbeitrag bemüht, sondern ausschließlich ein paar noch rudimentär vorhandene menschliche Gehirnzellen. Falls diese an der einen oder anderen Stelle versagt haben sollten, bitte ich um Milde und Mitteilung zwecks Änderung.









Dienstag, 11. April 2023

Horrorvision und Buchrezension – "Papier trifft Faden" von Anka Brüggemann

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 Wir haben uns verkalkuliert! 


Im Jahr 1900 stellte man sich vor, wir flögen heute alle mit fliegenden Untertassen oder Raketenrucksäcken  durch die Lüfte, während Roboter die Hausarbeit machen und warmes Essen auf Knopfdruck servieren. Bücher würden durch den Wolf gedreht, in akustische Signale umgewandelt und uns eingetrichtert - so ersann man das Hörbuch vor 100 Jahren




1972 war man schon ein Stückchen realistischer. Dank des Club of Rome und seinem Bericht zur Lage der Menschheit wusste man bereits, dass Bevölkerungswachstum, verbrauchte Ressourcen, Chemieeinsatz in der Landwirtschaft, Wasserverschmutzung und zunehmender Verkehr zu einer Bedrohung werden. Beängstigend stellten Filmemacher die ferne Zukunft dar. Ich erinnere mich als alter Papier- und Buchliebhaber an ein paar üble Szenarien:

Fahrenheit 451 (nach der angenommenen Selbstentzündungstemperatur von Papier, 1953)
In der Stadt der Zukunft gilt selbstständiges Denken als gefährlich und Bücher sind verboten. Sie aufzuspüren, zu verbrennen und Staatsfeinde zu töten ist die Aufgabe der Feuerwehr.
Hauptdarsteller Guy ist einer dieser Feuerwehrmänner, der zunächst scheinbar kritiklos in diesem System funktioniert, heimlich jedoch einige gestohlene Bücher in seinem Haus versteckt. Mit Hilfe eines pensionierten Literaturprofessors flieht er in die Wälder außerhalb der Stadt und schließt sich einem geheimen Bund von „Büchermenschen“ an, die dort, von den Medien totgeschwiegen, das gedruckte Wissen für die Nachwelt retten wollen, indem sie es auswendig lernen.

… Jahr 2022 … die überleben wollen (Originaltitel Soylent Green, 1973)
Im Jahr 2022 hat der Mensch seine natürlichen Lebensgrundlagen fast vollständig zerstört. Überbevölkerung in den Metropolen, Wassermangel, fehlende Nahrung und Wohnraum beherrschen den Alltag. Lediglich einige Politiker und reiche Bürger können sich sauberes Trinkwasser und natürliche Lebensmittel zu horrenden Preisen leisten.
Inmitten dieses Chaos führen der Polizist Robert Thorn und sein älterer Mitbewohner Sol ein trostloses Dasein. Sol kennt noch die Welt mit Tieren und richtiger Nahrung: Gemüse und Fleisch statt des künstlich hergestellten Soylent Green, welches angeblich aus Plankton bestehen soll. Das triste Leben der Beiden findet allein Auflockerung durch Dinge, die Thorn immer wieder aus den Wohnungen reicher Leute mitgehen lässt. Als er zwei Bände ozeanographischer Berichte mit nach Hause bringt, lässt Sol sie untersuchen und bekommt die Bestätigung seines fürchterlichen Verdachts. Bald erfahren es alle: Soylent Green ist Menschenfleisch!

The Book of Eli (postapokalyptischer Actionfilm, 2010 in deutschen Kinos) 
Im Jahr 2044, viele Jahre nach dem „Großen Krieg“, der die Erde völlig verwüstet hat, ist Eli alleine unterwegs durch Ruinen einer zerfallenen Stadt, in der das Gesetz des Stärkeren herrscht. Er trägt eine seltene Bibel mit sich, die er mit seinem Leben beschützt. Eine Truppe von Schlägern bringt das wertvolle Buch an sich und stellt fest, dass es in Blindenschrift geschrieben ist.
Eli gelangt auf eine abgeschiedene Insel, wo eine Gruppe Überlebender nach verlorenem Wissen sucht und den Wiederaufbau einer neuen Zivilisation plant. Bedeutende literarische und musikalische Werke konnten sie bereits sicherstellen. Eli, der den Inhalt seiner Bibel über viele Jahre hinweg auswendig gelernt hat, diktiert ihnen den Text Wort für Wort, bevor er an den Folgen seiner Schussverletzung stirbt. Die Menschen auf der Insel beginnen, mit einer alten Buchdruckmaschine die neue Bibel zu drucken, von der schließlich ein Exemplar zwischen Tora, Tanach und Koran ins Bücherregal gestellt wird.

Abbildung eines Tanach aus Wikipedia











 Zurück ins Hier und Jetzt 


Solche Tage bleiben hoffentlich reine Fiktion. Ich habe hier ein schönes Buch vor der Nase, über das ich viel Gutes berichten kann und euch hoffentlich wieder in die heile Welt zurückhole. Anka Brüggemann, wohlbekannt auch unter dem Namen Bookogami, hat es geschrieben. Der Haupt Verlag sandte es mir zur Rezension zu. GANZ HERZLICHEN DANK dafür !!!




Was gleich auffällt ist das neue Format. Anka hat bereits drei Bücher im Haupt Verlag Gestalten herausgebracht – allesamt große, aber auch entsprechend schwere Bildbände. Nun erscheint plötzlich ein Softcover mit Fadenheftung, das von der Reihe abweicht. Der stolze Follower, der die Bücher seines „Stars“ hin und wieder liebevoll streichelt, muss wohl erst einmal einen kleinen Schreck überwinden.

Grund für die Änderung sind die Zeichen der Zeit, an denen auch große Buchverlage nicht vorbei kommen. Über Papiermangel, Lieferengpässe, fehlende Rohstoffe wie Holz, Zellstoffe und Altpapier, steigende Preise und die daraus folgenden Schwierigkeiten für Druckereien und Buchhandel ist viel geschrieben worden. Nun sind die Auswirkungen bei uns zu Hause angekommen.

Neu ist dieses Format im Haupt Verlag ja nicht und ich weiß es durchaus zu schätzen, dass ich das Buch bequem in Bus, Bahn und Bett lesen kann, ohne mir die Figur zu verbiegen.

Alles dreht sich in „Papier trifft Faden“ um dekoratives Gestalten mit alten Buchseiten, die mithilfe von Stickerei zu etwas ganz Besonderem werden. Also, dann schlagen wir das Werk mal auf.










Nach den Grundlagen zum Material und hilfreichen Tipps für die Vorgehensweise werden die nötigen Stickstiche allesamt in Wort und Bild erklärt. Es folgen 25 raffinierte Projekte, die jeweils durch ein Nadelkissen mit 1 – 4 Nadeln für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade gekennzeichnet sind. Fotos zeigen die einzelnen Arbeitsschritte, die im Text gleich nebenan erklärt werden. Zu vielen Projekten gibt es Vorlagen in Originalgröße, die das Werkeln erleichtern.

Zweckentfremdet: aus der Anleitung für die witzigen Broschen entstand eine Grußkarte





Die Ideen zum Nacharbeiten sind vielfältig und einfallsreich. Es gibt Geschmackvolles für die Wand, als Dekoration für die Wohnung oder als kleines Mitbringsel. Geschenkpapier, Tüten mit Blüten und Schachteln mit gestickten Insekten. Grußkarten und Briefumschläge, Papierhäuser, Sterne, Laub, Blumen und Broschen. Habt ihr schon ein Lesezeichen mit Monogramm? Oder stilisierte Familienportraits, bestickte Urlaubsbilder und Papierschuhe? Wie wäre es, wenn ihr dem Foto eures Lieblingstiers einen bunten Blütenkranz verpasst? Es gibt Anregungen für Anfänger und Geübte und auch so ein anspruchsvoller, alter Fuchs wie ich findet hier einiges zum Nacharbeiten.




Über die Entstehung des Buches erzählt Anka Brüggemann im Interview beim Haupt Verlag und Issuu bietet den Blick ins Buch. Sahnehäubchen der Präsentation ist wohl der kostenlose Zoom-Workshop, in dem ein Blumenkranz gefertigt wird. Schaut doch einfach mal, ob es noch freie Plätze gibt.

Was ich dem Buch gewünscht hätte ist ein aufgeräumteres Layout. Eine geschicktere Seitengestaltung mit "Luft" an den richtigen Stellen würde dem Inhalt durchaus gerecht. Als gelernte Mediengestalterin bin ich ziemlich pingelig in solchen Dingen, die andere wohl gar nicht wahrnehmen.

Noch sind die Grusel-Szenarien aus utopischen Filmen zum Glück nur reine Fiction. Noch haben wir Bücher, in denen wir schwelgen und schmökern können, wir können sie uns leisten und sie sind nicht verboten. Auch wenn sich Druckindustrie und Verlage gezwungenermaßen dem Wandel der Zeit anpassen müssen, gibt es 2 x im Jahr eine wunderbar bereichernde Auswahl an Lektüre bei Haupt Gestalten für uns Kreative. Langt zu!

Leichtes Gepäck dank Handtaschenformat - mit Buch, Papier, Stickgarn, Nadel und Schere unterwegs.

Anka Brüggemann ist weiterhin fleißig unterwegs auf Instagram, auf ihrer Website mit Blog, Workshop-Angeboten, Gratis-Anleitungen, Geschäftsadresse (Ja! Sie hat sogar ein Ladengeschäft in der Altstadt von Quedlinburg.) und Online-Shop. Das Buch gibt es im Haupt-Verlag und in jeder Buchhandlung.

Danke fürs Lesen, fürs Schreiben, fürs Schicken, fürs Kommentieren ... DANKE für alles und bis bald!
ela


Donnerstag, 7. April 2022

Buchrezension: Papier prägen von Katja Falkenburger

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Ich kann nun schon einen recht ansehnlichen Stapel von Kreativbüchern aus dem Haupt Verlag Gestalten mein Eigen nennen. Eins mit geprägtem Titelbild war bisher noch nicht dabei. Wie schön ist es doch, mit den Händen über das Cover zu streichen und zusätzlich zum Sehen die dritte Dimension zu spüren! Katja Falkenburger macht es mit „Papier prägen“ möglich. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch haptisch erfahrbare Strukturen, die ein Papier geduldig erträgt.


Die Autorin ist selbstständige Designerin. Anlass zur Erforschung der Verhaltensweise von Papier, wenn man es mit Meißeln schlägt, drückt, quetscht, stanzt und treibt, war ein Kundenauftrag. So näherte sie sich dem Thema Prägen und vertiefte sich mit der Zeit immer mehr in Versuche mit unterschiedlichen Papiersorten und Vorgehensweisen. In diesem Buch beschreibt sie, wie man mit einfachen Mitteln Werkzeuge selbst herstellt und widmet sich dann ausführlich den verschiedensten Schlagtechniken und der jeweils damit erzielten Wirkung.



Ihre Beispiele sind edel - nicht nur auf Weiß sondern auch auf gefärbtem Papier, wo der Schattenwurf der Prägung mit Aquarell, Buntstiften und Grafik konkurriert.

Ihre vielfältigen Musterkarten allein sind schon Anreiz genug für eigene Versuche, darüber hinaus gibt es aber etliche Anwendungsbeispiele, weit ab vom Kitsch der Bastelei und trotzdem leicht nachzuarbeiten. Katja Falkenburger nennt es: „Das Malen mit Hammer und Meißel auf Papier“, weiß aber auch: „Papier lässt sich quälen“. Aus Punkten, Linien und Flächen werden zarte Blumenwiesen, schöne Post und neue Buchcover.





Buchcover …. da rappelt es in meinem Hirn und statt der hübschen Beispiele von Frau Falkenburger machte ich mich quasi im Selbsttest daran, das Buchcover von „Papier prägen“ nachzubauen. Statt Werkzeuge selber anzufertigen kramte ich Schraubenzieher und Stecheisen aus der Schublade hervor und statt zu hämmern (meine Nachbarn wissen es zu schätzen) drückte ich die Gerätschaften mit Muskelkraft ins Papier. Kein großer Aufwand. Ich versuchte eine Reihe unterschiedlicher Unterlagen wie Pappe und Silikon, gebe aber zu: gegen das Original ist mein schnell gemachtes Büchlein Murks geworden. Ich hätte mich besser an die Anweisungen im Buch gehalten. 


Selber schuld: abgenutzter Schraubenzieher erzeugt ungleichmäßige Prägespuren




Geprägte Banderolen für meine Frühlingspost - die Idee kam mir angesichts dieses "Symbol-Gedichtes"






Was möchte ich denn als Nächstes ausprobieren? Faltkantenprägung, also Verzahnung oder Verbindung von zwei Papierlagen z.B. an Schachteln. Tolle Idee! Stanzprägung, die wie bei einer Perforation das Material durchtrennt, um freie Formen mit gleichzeitig geprägten Rändern zu erzeugen. Kopier- und Spiegelprägung über mehrere Lagen hinweg. Treiben mit einer Kugelpunze. Knickprägung, hoch, tief, senkrecht, schräg …. merkt ihr was? Da steckt weit mehr hinter, als man im ersten Moment ahnt, denn wer dem Papier eine zusätzliche Ebene verleiht gewinnt im wahrsten Sinne des Wortes neue Eindrücke.

Katja Falkenburger hat mit „Papier prägen“ ein Grundlagenwerk geschaffen, das es so bisher nicht gab. Sie beschreibt Methoden und Effekte detailliert und übersichtlich. Nicht zuletzt dank hervorragender Fotos und aufgeräumtem, abwechslungsreichem Layout ist es ein Augenschmaus, der nie trocken oder langweilig wird. Ein gutes Fachbuch (in Fadenheftung 👍) für jede Kreativ-Bibliothek, dass mir dankenswerterweise vom Haupt Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt wurde. Soeben hat der Verlag einen wunderbaren, tieferen Einblick ins Buch veröffentlicht. 

Ostern kommt. Zeit Wünsche zu äußern oder selber welche zu erfüllen. Zeit für kreatives Ausprobieren. Ich wünsche euch viel Spaß beim Prägen mit feinen, selbstgemachten Eisen.


Montag, 11. Oktober 2021

Schriftbilder – die 150 Variationen der Denise Lach

Habt ihr es schon gesehen? Das 3. Buch von Denise Lach ist da! Denise, die im Juni bei Jeromin in Mannheim anlässlich eines Workshops einen beachtlichen Eindruck hinterlassen hat. Denise, von der schon 2 Bücher in meinem Regal stehen - für Zeiten, in denen ich endlich mal die Ruhe finde, all meine Automatic- und Cola Pens auszuprobieren und mich der Gestaltung von Schriften zuwende.



Mein erster Eindruck vom Buch war: oh, riecht das gut! Der Haupt Verlag hat mir dankenswerterweise ein Exemplar zur Rezension geschickt, so kam es ganz frisch und fast noch warm aus dem Druck.

Nach den beiden deutschsprachigen Büchern „Schriftspiele“ und „Schriftreise“ geht es im neuen Buch „Schriftbilder“ um 150 Variationen eines Zitats, das übersetzt etwa lautet: „Selig der, der nichts zu sagen hat und trotzdem schweigt.“ Wie weise!



Von einer quadratisch gestalteten Textur ausgehend setzt sich Denise Lach feste Regeln, nach denen sie Eingriffe in das Erscheinungsbild vornimmt. Es wird gezeichnet, geschnitten, genäht, gedruckt, gestempelt, geprägt, gelocht, gedreht, geschichtet und mit unendlich vielen Möglichkeiten gespielt. Auf digitale Hilfsmittel wie Computer oder Grafiktablett wurde dabei völlig verzichtet.



Denise Lach hinterfragt, welche Emotionen ein Buchstabe durch seine immer wieder veränderte Konstruktion erweckt. Ihr Wunsch ist, die grenzenlose Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Grafiker und Kunsthandwerker zu inspirieren und zum Experimentieren einzuladen.

Schwer nachvollziehbar ist für mich die erstaunliche Disziplin, Akribie und Sorgfalt, mit der sie ihre Ideen umgesetzt hat, das Feingefühl für Ausgewogenheit und Spannung und die Ausdauer, das Thema so intensiv zu bearbeiten. Wie unendlich viel Zeit muss die Vorbereitungen zum Buch wohl gekostet haben?




Das Layout des neuen Buches ist genau so wunderbar aufgeräumt und klar wie das der vorherigen Bücher. Die Bildbeschreibungen sind kurz und präzise, die Fotografien mit Schatten und Graustufen sind professionell. Gerne hätte ich davon noch viel mehr gesehen. Zahlreiche Schriftgestaltungen, Letterings, Kalligrafie und Graffitis wurden für das Buch in makellos digital gesäuberte Strichzeichnungen umgewandelt. Das sieht gut aus, lässt aber aufgrund fehlender Strukturen und Schattierungen keine Rückschlüsse auf Haptik, Technik oder Materialien zu.




Für Gewöhnlich schätze ich an Fachliteratur wie dieser neben dem angenehmen Äußeren vor allem den praktischen Nutzwert im Bezug auf die Gestaltung meiner eigenen Papierarbeiten. Diesen Nutzwert hat das Buch ohne Zweifel und so kreisen meine Gedanken um ein blütenweißes Leporello aus Buchstaben, die ich in Anlehnung an die vorgestellten Schriftbilder gestalten will: fett, elegant, gestrichelt, liniert, strukturiert, umrandet, gezackt, schraffiert, halbiert, gemustert, zerschnitten, konturiert, variiert, gezahnt, dreidimensional, floral, koloriert, verbunden, textil. Ganz nach Herzenslust und mit der mir eigenen Lässigkeit.



Vielen Dank an den Haupt Verlag, der mich mit „Schriftbilder“ vom wilden, bunten Mixed Media Zaubergarten in die edle, feine Welt der mit Bedacht ausgeführten Schriftzeichen entführte. Größer und schöner kann ein Kontrast kaum sein.