Dienstag, 18. Oktober 2022

Pilzsporendruck – ein Herbstvergnügen

Irgendein Hintertürchen brachte mich vor vielen Monaten virtuell auf die andere Seite des großen Teiches, wo Künstlerinnen mit Hilfe von Pilzsporen wunderschöne Drucke anfertigen. Wie immer, wenn mich etwas besonders fasziniert, grub ich so lange im Netz herum, bis ich genug Informationen zusammen hatte, um selber loszulegen. Ich kaufte notgedrungen eine Schale Champignons im Supermarkt, folgte der Anleitung, aber das Ergebnis war nicht vorzeigbar.

Gerade jetzt bei feucht-warmem Wetter sprießen die Pilze ja „wie Pilze aus dem Boden“ und so fand ich dieser Tage ein paar riesige Exemplare, die ich mit nach Hause nahm, um Milliarden allerfeinster Sporen für mich arbeiten zu lassen. Was sonst von Wind, Wasser, Insekten oder anderen Tieren weitergetragen wird, um für die Vermehrung zu sorgen, wollte ich aufs Papier bannen.

Zu diesem Zweck schnitt ich die Stiele meiner gesammelten Pilze mit einem scharfen Messer vorsichtig ab ohne die Lamellen zu beschädigen, denn für ein scharfes, symmetrisches Muster sollen die Sporen einen möglichst kurzen und gleichmäßigen Weg auf den Trägergrund haben.






Sporen können weiß, beige, gelb, grün, braun, rot, violett, rost oder schwarz sein. Sicherheitshalber platzierte ich meine erste Versuchsreihe in einem ruhigen Raum halb auf weißem und halb auf schwarzem Papier, auf dass jede Farbe gut sichtbar sein würde. Auf jeden Hut gab ich ein paar Tropfen Wasser und stülpte dann Schüsseln darüber, damit kein Luftzug die Sporen beim Fallen verwirbelt.


Nun hieß es abwarten. Je nach Alter des Pilzes ergibt sich ein schöner Druck nach 2 bis 12 Stunden. Je länger, desto mehr Sporen fallen und desto dichter werden sie gesät.

Die erste Charge lies ich über Nacht arbeiten und fand am nächsten Tag einen dichten Sporenpelz vor. Fast zu dick, um die Struktur der Lamellen noch gut zu erkennen. Eine großer, alter Pilz jedoch ergab so gut wie keinen Abdruck und wurde ausgemustert.


Beim nächsten Versuch gab ich den Pilzen nur 5 Stunden Zeit. Ich setzte den, der weiße Sporen frei lies, auf eine schwarze Pappe und die mit den rotbraunen Sporen auf weißen Aquarellkarton. Diesmal wurden die Drucke wunderschön. Ein kleiner Wermutstropfen: durch die Feuchtigkeit der Pilzbrut wellt sich der Karton ein wenig.

Nach 24 Stunden

Nach 5 Stunden

Nach 24 Stunden

Ein bisschen ärgerlich ist, wenn sich das Papier durch die Feuchtigkeit wellt.


Pilzdrucke werden in erster Linie von Züchtern angefertigt, die anhand der Sporenfarbe die Gattung exakt bestimmen können. Licht- und luftdicht in Alufolie eingewickelt und kühl gelagert bleibt das Genmaterial dann nahezu unendlich haltbar.

Wer diese kleinen Naturwunder künstlerisch nutzen will, muss die empfindlichen Drucke besser schützen. Am besten besprüht man sie vorsichtig mehrmals im Abstand von 30 – 40 cm mit Fixativ oder Haarspray, sonst bläst der nächste Luftzug das schöne Muster vom Blatt.

Etliche Künstler fotografieren und digitalisieren ihre Sporendrucke, um sie beispielsweise per Siebdruck auf Stoff zu übertragen, der dann zu Kissenbezügen, Wandbildern oder … oder … oder … wird. Ideen gibt es reichlich.



Also: sucht euch draußen ein paar frische, kräftige Pilze mit Lamellen, Röhren oder Leisten, nicht zu jung, nicht zu alt, nicht zu trocken und nicht zu schmutzig. Flache Hüte sind die Besten, aber auch gebogene Formen erzeugen schöne Silhouetten. Schneidet den Stiel heraus, legt den Hut mit der Lamellen- oder Röhrenseite flach auf kräftiges (vielleicht auch getöntes) Papier das Feuchtigkeit aushält oder auf Alufolie, Glas oder einen anderen flachen, glatten Träger. Wenige Tropfen Wasser auf dem Hut lassen den Pilz denken, die Bedingungen für die Aussaat seines Erbguts seien gerade ideal. Decke die Anordnung mit einer Tasse oder Schüssel ab und lass das Ganze 2 – 24 Std. ruhen.

Zum Haltbarmachen die fertigen Drucke unbedingt mit Fixativ aus reichlich Abstand besprühen.

Ich hatte für meine Versuche nur Lamellenpilze zur Verfügung, aber mit Röhrenpilzen funktioniert es auf die gleiche Weise. Hast du Pilzsorten mit ungewöhnlichen Formen wie Morcheln, Bovist, Nestlinge oder Korallenpilze, dann schau in ein Fachbuch, um herauszufinden wo die Sporen sitzen.

Tipp: Größere Tintlinge (Coprinus comatus) zerfließen zu einer schwarzen Flüssigkeit, wenn man sie ein paar Tage in eine Schale legt. Man filtert diese Flüssigkeit, gibt einige Tropfen Nelkenöl und etwas in Wasser gelöstes Gummi Arabicum zu, damit die Konsistenz dicker wird und erhält so eine schöne Schreibtinte aus Sporen, die sich wohl auch noch nach vielen Jahren im Geschriebenen nachweisen lassen.

Viel Experimentierfreude wünscht

Ela