Ich habe euch noch gar nicht von der Nadelwelt berichtet. Seit fast 8 Wochen drücke ich mich davor, weil es so viel zu zeigen und erzählen gibt und ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Also:
Angespornt von der Idee, in Zukunft öfter Papier mit Stoff zusammen zu verarbeiten, machte ich mich zwecks Blick über den Tellerrand mit dem Zug auf den Weg nach Karlsruhe. Vom Hauptbahnhof fährt ein kostenloser Shuttlebus zur Messehalle – so macht sich im Kreise von gleichgesinnten Frauen voller aufgeregter Vorfreude schon bei der Anreise gute Laune breit. Berliner, Schweizer und Holländer waren eindeutig unter den Anwesenden herauszuhören.
Zum erstem Mal auf der größten Handarbeitsmesse Deutschlands bedeutet: Ruhe bewahren! Ich beschloss, mir einen schönen Tag zu machen ohne beim Erfüllen eines Plansolls in Stress zu geraten. So funktionierte es dann auch … und es war mega schön!!! DER HAMMER, um genau zu sein!!!
Gleich gegenüber dem Einlass im Foyer der Messehallen befand sich der Ausstellungsbereich für nationale und internationale Textilkünstler … und ich meine wirklich „Künstler“. Was da zu sehen war hat mich umgehauen. Neben riesigen Patchwork-Decken, die aussahen wie Orientteppiche, gab es Exponate, vergleichbar mit Mixed Media Gestaltungen aus dem Papierbereich, die ich so liebe, feinste Detailarbeiten, Transfertechniken auf Stoff, Stickereien mit Stroh, Collagen auf Gessogrund, Acrylspuren auf Sackleinen, Rosshaar, Plusterfarben, Upcycling, Applikationen und, und, und … Ich war in meinem Element. Solch ein hohes künstlerisches Niveau hatte ich nicht erwartet. Gerne gaben die Aussteller Auskunft über Entstehungsprozesse und manch eine Adresse für Workshops oder weitere Kontakte wurde ausgetauscht.
Ein Aussteller leuchtete seine Wandbehänge mit der Taschenlampe an, denn so zeigte sich der Kontrast zwischen dem strahlenden Glanzgarn und den stumpfen Farben des applizierten Aquarellpapiers am besten.
Eco Prints in Verbindung mit Rost zogen meine Blicke an, aber auch duftige Organza – Stoffbahnen, die wie zarte Nebel im Raum schwebten, frei mit der Maschine benäht mit diffusen Gestalten wie Illustrationen auf Spinnweben. Wow!
Alleine diese Ausstellung war es schon wert, dass ich mich sonntags um 6 Uhr aus dem Bett geschält hatte. Aber dann ging es ja noch in die Verkaufshalle.
Ich hatte endlose Reihen von Anbietern für Patchwork-Stoffe und Nähmaschinen erwartet, wie ich es von den bekannten Messen in Dortmund und Frankfurt (früher Wiesbaden) kenne und an denen ich meist ziemlich schnell vorbeirausche, um mehr Zeit für meine Papierhändler zu haben. Auch die jährlich wiederkehrenden Sonderposten im 10er Pack, die Frau gerne in riesigen Tüten nach Hause schleppt, haben für mich ihren Reiz verloren und so hatte ich erst keine Eile, den Kunsthandwerker-Bereich zu verlassen. Aber ich wurde wieder überrascht. Hier war es anders.
Anbieter aus ganz Deutschland, Holland, Belgien, Luxemburg, England, Frankreich, Österreich, Ungarn, Tschechien und Litauen (hab ich was vergessen?) boten das volle Programm. Sticken, Stricken, Häkeln, Filzen, Spinnen, Nähen, Patchwork, Schmuckgestaltung, Fadengrafik, Basteln, Schachtelbau, Miniaturen machen. Wolle, Kurzwaren, Knöpfe, Bänder und Borden aus dem Orient, Perlen, Spitzen, Schnallen, Schließen, Zubehör in allen Variationen, Zeitschriften aus Deutschland, Fachbücher aus aller Welt und natürlich Stoffe in allen erdenklichen Farben und Materialien für Kinderkleidung, Wohndeko, Taschenmacher ... und die neuen Materialien Korkstoff, ReLeda, SnapPap und wie sie alle heißen waren zu haben. Ja, Stempel gab es auch. Gummi- und Holzstempel für Papier und Stoff.
Mein persönliches Highlight waren die Händler mit echtem Vintage Zubehör, an denen ich mich gar nicht satt sehen und kaufen konnte. Uralte Knöpfe auf Postkarten genäht, aufwendige Borden und Bänder im Stiel der jeweiligen Epoche, gestickte Monogramme, 70er Jahre Applikationen, alte Spulen … ach, seht selbst.
An etlichen Ständen gab es kleine Workshops und Vorführungen. Hier und dort konnte man spontan zusehen oder auch mitmachen. Bei Jeromin wurde Siebdruck gezeigt und Mijn Eigen stellte Marmorierfarben für Stoffe vor.
Eine ganzen Reihe von interessanten Halbtags-Workshops wie Blueprint und Eco Print lassen sich aber auch im Voraus über die Internetseite der KreativWelt buchen. Vielleicht suche ich mir davon im nächsten Jahr etwas aus. Diesmal reichten Zeit und Energie aber gerade mal, um mir Stück für Stück die Angebote anzusehen und Tipps von professionellen Kreativen zu holen. Heute war genug Zeit für freundliche, nette und unaufdringliche Beratungen.
Eine digitale Stickmaschine zog die Aufmerksamkeit vieler Besucher an. Ich dagegen staunte, als ich so etwas wie die „Big Shot“ für Stoff entdeckte: eine accuquilt Stanzmaschine mit etlichen scharfen „Bigz“ (die hier natürlich anders heißen und zur Maschine passen) zum Ausstanzen von Motiven. Ich durfte mal probieren und kurbelte mir eine völlig fusselfreie, erstaunlich scharfkantige Libelle aus wild gemustertem Baumwollstoff aus. Cool.
In den letzten Stunden der 3tägigen Veranstaltung war es nicht mehr sehr voll und die Luft lange nicht so stickig, wie ich es von manchen Messen her kenne. So konnte ich auch Teil 2 noch richtig genießen, Fotos machen, einkaufen und Neues entdecken.
Draußen im Gang vor der Halle standen jede Menge Bänke für geduldig wartende Ehemänner. Ich zog schweren Herzens 5 Minuten nach dem Schlussgong von dannen, um den letzten Shuttlebus zurück zum Bahnhof zu erwischen, schnappte noch etliche durchweg positive Kommentare der anderen Besucherinnen auf und war froh, auch dabei gewesen zu sein. Soviel steht fest: im nächsten Jahr komme ich wieder.
Save the date: 4. - 6. Mai 2018
Und wenn ihr im Netz nachlesen wollt, was der Veranstalter erzählt, dann schreibt Nadel-Welt.de mit Bindestrich, sonst landet ihr auf der Seite eines Tätowierers ;-)