Samstag, 20. August 2022

Sommerpostkunst - Teil 1 - über Sonnendruck auf Solarpapier, Bleichtechnik, Cyanotypie, Naturselbstdruck, Brayer Printing und Gelli Plate Drucke

Es war eigentlich von vorne herein klar, dass die Sache bei mir wieder ausufert. Schon seit geraumer Zeit schob ich ein Fuder von Ideen vor mir her, das eines Tages ausprobiert werden sollte. Unerwartet kam dann der nötige Anschubser von Tabea und Michaela, als sie zur Sommerpostkunst „Pflanzendrucke in Sepia & Indigo“ aufriefen. Jepp!! Genau mein Ding!

169 Anmeldungen trafen ein. 169 Leute, die in Gruppen zu je 8 Personen Bündel von Drucken in unterschiedlichen Techniken an die anderen Teilnehmerinnen versenden, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu beschenken. Tolle Sache.

Ich plante und organisierte diesmal unter erschwerten Umständen fern meines heimatlichen Materialdepots und letztlich schweifte ich immer wieder von den farblichen Vorgaben ab, so dass ich nun den kompletten Blogbericht mit allen Um- und Irrwegen in 3 oder vielleicht auch 4 Teile aufspalten muss. Ein paar Geheimnisse will ich lüften, denn ich habe auch meinerseits von netten Mädels via Instagram etliches über deren Vorgehensweise gelernt. Also pack ma's, wie der Bayer sagt, wenn es ordentlich was zu tun gibt. 😊





Ich steckte viele Ergebnissen meiner Experimente in die Sommerbündel und hoffe, meine Gruppenmitglieder profitieren von diesen Erfahrungen. Gut, dass die Umstände es mir erlaubten, einen Garten, Garage und das schöne Wetter zu nutzen.


Solarpapier für Sonnendrucke

Ich beginne mal mit der einfachsten Technik, einem Fertigpaket von bereits beschichtetem Solarpapier, welches lichtdicht verpackt zu 12 Blatt à 10 x 10 cm rund 10 EUR kostet. Ein stolzer Preis, aber ihr ward es mir wert (hi-hi).

Die Anwendung ist kinderleicht (empfohlen ab 6 Jahre). Auf die blaue Seite eines Blattes Sunprint Papier wird eine Pflanze gelegt und mit einer Glasscheibe windgeschützt dem Sonnenlicht preisgegeben. Schon nach kurzer Zeit werden die belichteten Stellen gelblich-weiß. Ein chemischer Prozess wandelt diese Bereiche im Anschluss unter Leitungswasser wieder in Blau um.

Die abgedeckten Flächen unterhalb der Pflanze, auf die kein Sonnenlicht gefallen ist, sind blau geblieben. Beim Wässern löst sich die ursprüngliche Farbe und das Papierweiß erscheint. Leicht transparente Objekte erzeugen Zwischentöne, wie man bei meinem jungen, zarten Ahorn-Blättchen gut sehen kann.






Mein Versuch mit dem Kit einer andern Firma ist leider fehlgeschlagen. Keines der Papiere wurde durch das Auswaschen richtig blau. Die Kontraste waren zu schwach für ein zufriedenstellendes Ergebnis. Wahrscheinlich war das Papier überlagert. Schade drum!

Mehr Kontrast war mit dem überlagerten Material nicht zu erzielen











 


Bleichen

Bleichen ist nicht in Mode. Umwelt, Klima und so Sachen. Ich habe schon öfter damit experimentiert und Erfahrungen gesammelt, aber immer noch ist die Flasche nicht leer.

Diesmal habe ich einen Hocker mit einem Müllsack verkleidet, um eine praktische Unterlage zu haben, auf der ich rumsauen kann. In Stufe 1 kam Bleichmittel in eine Sprühflasche. Auf farbigen Tonkarton in Postkartengröße legte ich getrocknete Pflanzen aus meiner Vorratskiste (beschwert mit einem kleinen Steinchen), sprühte eine dünne Schicht Bleiche darüber und wartete einfach ab. Unterschiedliche Kartonqualitäten ergaben verschiedene Resultate. Das schöne, helle Weiß der mittleren Karte im Bild unten lies sich aus „Paint On – Multi-Techniques DENIM“ von Clairefontaine erzielen. Karton gleicher Grundfarbe und Grammatur aus dem Billigladen (den ich liebe) blich nur auf eine cremige Eierschalfarbe runter (siehe unten, die beiden äußeren Karten).




Die als Maske verwendeten Blätter habe ich anschließend in einem alten Buch getrocknet, damit sie sich nicht wölben, und in Stufe 2 für einen passgenauen, leicht versetzten Naturdruck wiederverwendet. Das gibt einen schönen, dreidimensionalen Effekt. Einfach die Pflanze mit Acrylfarbe einstreichen, auflegen, eventuell mit einem Schutzpapier abdecken und leicht mit der Walze drüberrollen. So bleibt die Äderung des Blattgerippes sichtbar.






 

Cyanotypie

Die Anfängermethode der Cyanotypie kennen viele schon. Wer sie nicht kennt, kann unter fachlich fundierter Anleitung in geselliger Runde alles Nötige bei einem Workshop im Textilstudio Speyer lernen. Anfang September sind noch wenige Plätze für schnell Entschlossene frei, aber es wird sicher auch später wieder Termine geben.

Abends im Dunkeln Papier, Stoff oder was auch immer mit der Mischung zweier Chemikalien einpinseln, über Nacht trocknen lassen und am nächsten Tag zum Belichten mit einem ausgesuchten Objekt in die Sonne legen. Dann auswaschen, fertig!

Was aber, wenn ich keine Geduld habe, die Flüssigkeit trocknen zu lassen, bevor ich belichte? Was, wenn ich gleich nach dem Auftragen der Tinktur (fern von UV-Strahlung) mein Material in die Sonne lege? Dann kondensiert die Feuchtigkeit unter der Glasabdeckung und bildet Tropfen, die sich als immerwährende Strukturen auf dem Druck abzeichnen. Sieht interessant aus, gefällt aber vielleicht nicht jedem.




Auf vorgefärbtem Baumwollstoff
Auf naturfarbigem Baumwollstoff



Was passiert, wenn ich die raue Seite von „cold pressed“ Aquarellpapier für meine „wetcyanotype“ verwende? Dann sammelt sich die Farbe vermehrt in den Vertiefungen des Papiers und bildet deutlich zittrige Konturen.

Die Entwicklung der Cyanotypie beim Belichten. Unten rechts das Papier, nachdem die Pflanze entfernt wurde.







Und was ist, wenn ich statt Aquarellpapier superglattes Steinpapier verwende? Dann …, ja dann erhalte ich sozusagen einen Doppeleffekt. Die Lösung wandert wie beim Sonnendruck im Sauseschritt zu den Rändern der aufgelegten Pflanzen und bildet eine Kontur. Seht euch die Bilder an. Mir gefällt das.





Der Versuch, den Rutscheffekt mit einer Gesso-Beschichtung auf Aquarellpapier nachzustellen, hat übrigens nicht funktioniert.


Links die normale Cyanotypie, rechts auf Aquarellpapier mit Gesso- Beschichtung.

Etliche meiner so entstandenen „Hohlfiguren“ habe ich später im Naturdruck-Verfahren überdruckt bzw. ausgefüllt.




Bei Instagram fand ich Experimente mit Seifenlauge aus Spülmittel. Die Schaumblasen bilden sich beim Trocknen ab, was mit etwas Rumprobieren und noch ein paar Tricks sicherlich auch sehr reizvoll aussehen kann. Mich haben meine Ergebnisse aber nicht vom Hocker gerissen, darum lasse ich das in Zukunft.





Wesentlich erfolgreicher waren meine Langzeitbelichtungen. Vergiss den Stress, leg dein beschichtetes Blatt mit abzubildendem Objekt einfach ans Fenster und genieße den Tag. Mach eine Wanderung, geh schwimmen oder treff dich mit Freunden. Bis zum Herbst gibt es genug Abwechslung da draußen. Genieße den Tag. Irgendwann nach 12, 16 oder 24 Stunden, wenn dir einfällt: da war doch was … legst du deine Cyanotypie ins Wasser und hast etwas geschaffen, was vielleicht türkis, sepia, gelb, grau oder orange ist. Alles - nur nicht blau.




An Doppelbelichtungen im Cyanotypie-Verfahren habe ich mich auch versucht, aber da brachte ich in der Kürze der Zeit nichts Richtiges zustande. Es gibt sicherlich bessere Wege, aber lohnt sich das Rumprobieren?




Cyanotypien auf alten Buchseiten sind ja nichts Neues, aber immer wieder schön. Das Edeldruckverfahren aus den Anfängen der Fotografie (Eisenblaudruck, entstanden 1842) mit alten Materialien zu verbinden wirkt 100% authentisch und sehr harmonisch.





Bleibt noch zu erwähnen, dass Cyanotypien auf selbstgeschöpftem Papier richtig, richtig schön werden, wenn nur der handgemachte Bogen nicht so schnell im Wasser zerfallen würde. Ich habe meine vor Monaten hergestellten Blätter nicht bei mir (auch keine Fotos davon), sonst würde ich sie euch zeigen.

Falls das Wetter es erlaubt, will ich durch Kolorieren noch weitere Abwandlungen der Blaudrucke machen. Aber ich will so vieles und … naja …


Naturselbstdruck und Rost

Meine Begleitkarten zum Sommerbündel sind zuerst einmal gerostet. Papier oder Stoff draußen auf dem Balkon oder in der Garage auf einer wasserdichten Unterlage mit Essigwasser besprühen, flache Eisenteile wie Unterlegscheiben, Zahnräder, Nägel usw. auslegen oder in Stoff einwickeln und den „Saal“ verlassen (es stinkt ein bisschen nach Essig).

1 – 2 Tage später kann man das Kunstwerk bestaunen. Stoff am besten in Weizenkleie auswaschen, um das Weiterrosten zu stoppen.

Auf dieses rötliche Sepia habe ich blaue Naturdrucke gesetzt. Wie oben unter „Bleichen“ schon beschrieben wird dazu die frische oder getrocknete Pflanze mittels einer Farbrolle und Acrylfarbe eingefärbt, dann auf die Rostkarte gelegt, mit einem Schutzpapier abdecken und leicht mit einer sauberen Walze (Flasche o.ä.) darüber gerollt.

Auf die gleiche Weise habe ich einige meiner Cyanotypien (hauptsächlich die „Hohlfiguren“, s.o.) aufgehübscht.





 

Brayer Printing / Walzendruck

Briefumschläge und Einzelblätter der Sommerbündel habe ich nach einem Verfahren bedruckt, das ich bisher noch nirgendwo verraten habe. Die Methode war Bestandteil eines reichlich teuren Workshops aus USA, ist nicht grundlegend neu aber sehr raffiniert, effektvoll und unkompliziert, wenn man weiß, wie es geht. Wer sich bis hierher durch meinen Blogbeitrag gekämpft hat, erhält zur Belohnung die Erklärung zur Vorgehensweise.

Zwei kontrastierende Acrylfarben (oder Farbmischungen) werden separat voneinander mit je einer Farbrolle ausgewalzt. Mit einer dieser Farben wird eine frische Pflanze eingefärbt, die dann mit der feuchten Seite auf das zu bedruckende Papier gelegt wird.

Die zweite Walze mit der Kontrastfarbe wird über diese Pflanze gerollt. Dabei wickelt sich die Pflanze meist von alleine um die Rolle und es entsteht beim Weiterwalzen im Anschluss gleich der nächste Abdruck. Geschickt wäre, eine Pflanze auszuwählen, die in etwa dem Walzenumfang entspricht.

Vordergrund und Hintergrund werden auf diese Weise gleich in einem Zug gedruckt - ohne Gelli Plate und ohne Passer-Schwierigkeiten. Eine meiner absoluten Lieblingstechniken.








 

Gelli Plate Drucke

Anleitungen zum Benutzen der Gelli Plate gibt es zu Hauf im Netz, darauf will ich jetzt nicht länger eingehen. Am allerletzten Tag vor dem Versand der Briefe habe ich einen Schwung Papiere mit nur einer am Vortag vom Wegrand gepflückten und gepressten Pflanze bedruckt. Hier sind zum Abschluss ein paar Ansichten – so quasi zur Entspannung und zum Ausklang.




Meine dabei zufällig entstandene papierene Walzen-Unterlage hängt nun mit der in Acrylfarbe  einbalsamierten Pflanze als Collage in einem alten Bilderrahmen an der Wand. Gefällt mir!





Ich hoffe, euch hat mein Summarium zur Sommerpost gefallen. Dies war ja erst Teil 1. Nächste Woche schreibe ich in Teil 2 über Eco Print und ich verspreche euch: es wird wieder keine Grundanleitung geben sondern neue Herangehensweisen und Farben!

Bis dahin, liebe Grüße
ela



Dienstag, 19. Juli 2022

Ein altes Häkelmusterbuch und die Erkenntnis

Es ist Sommer – ein richtiger, wunderschöner Sonnen-Sommer, wie ich ihn liebe. Lang und ausgiebig. Früher mussten wir dafür nach Italien fahren, jetzt wird er gleich morgens schon kostenlos an die Daheimgebliebenen geliefert. Wärme und Helligkeit überall im Haus und draußen vor der Tür. Leichte Klamotten, Eiskaffee und gute Laune. Urlaubsstimmung an allen Ecken. Da gönne ich meinem Papier auch mal eine Pause und zeige euch stattdessen Häkelspitzen.

Das alte Musterbuch fand ich beim letzten Puppenfestival in Sonneberg/Thüringen auf einer Börse. Es ist ziemlich abgegriffen, aber ich liebe solche Schinken und konnte nicht widerstehen. Die Bilder sprechen für sich. Alles Handarbeit. Ich tippe auf erste Hälfte voriges Jahrhundert oder was meint ihr?








Wer mir auf Instagram folgt, hat sicher Ende Mai meine Ankündigung gelesen. Ich bin für zwei Schnupperwochen einer Blogexpertin gefolgt, die ihre Kursteilnehmer motivieren und unterstützen will, Blogartikel mindestens im Wochentakt zu posten und Social Media Kanäle zu füllen. Ein Großteil ihrer Kunden besteht aus Spezialisten, Experten, Praktikern, Beratern und Trainern für Trauma-Transformation, Money Mindset, Personal Branding, Spiritualität, Transsexualität, Human Design, Life-Coaching, Achtsamkeit, Potentialentfaltung, Aufräumen & Ausmisten, Windelfrei & Nachhaltig, veganes Kochen, Ayurveda, Hashimoto, Breathwork, Jin Shin Jyutsu usw., usw. Meist Menschen, die ihre jeweiligen Ansichten durch die Überzeugungskraft ihrer gesprochenen Worte verkaufen und reichlich bloggen wollen, um diesbezügliche Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Alles sicher gut und nützlich, aber fern von meinen Beweggründen.





Ich blogge, weil es meine Kreativprojekte abschließt/krönt, mich oftmals auch dazu anspornt und die Veröffentlichungen ein bisschen den Geist trainieren. Aus Freude, Spaß und eben weil ich diesen Ehrgeiz besitze. Ich suche nicht aus kommerziellen Gründen nach Kundschaft, die über den Blog auf mich zukommt. Verkauf und Serienproduktion sind nicht geplant, auch wenn ich schon mal über eine Flohmarkt-Rubrik nachgedacht habe.

Von Judith kamen Motivationsthesen wie: „Vergleich dich nicht mit anderen.“ - Wenn es um Kreatives geht, finde ich das Vergleichen aber gar nicht verkehrt. Vielleicht gibt es ja bessere und schönere Möglichkeiten oder andere Ansätze zum gleichen Thema. Wer will nicht seine Fähigkeiten weiterentwickeln und Neues lernen? Der Austausch ist Part-Of-The-Fun und Vergleichen ist in dem Zusammenhang völlig berechtigt. So kann aus Kindergartenniveau Kunst werden.

Ein andermal hieß es: „Durch deinen Blog kommt Action auf deine Webseite. Wenn du dir diese Action wünschst, ist boom-boom-blog genau das Richtige für dich.“ - Klingt ja erst einmal lukrativ, ist aber mit einer Menge Arbeit und Zeit verbunden, die ich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann. Zeit, die mir fehlt, um meine Ideen mit Papier, Farben, Stoffen und Pflanzen zu verwirklichen. Mein Körper dankt es mir, wenn ich nicht ständig am PC sitze, um schnell mal etwas rauszuballern. Ihr Leitspruch: „Blog like nobody’s reading“ … Quantität statt Qualität ist nicht mein Anspruch und Rechtschreibfehler finde ich immer noch peinlich, liebe Judith.






Nein, ich möchte den Sommer nicht nutzen, um eine Blog-Routine zu entwickeln. Ich bleibe gerne ein „Technischer Blogger, der selten Blogartikel veröffentlicht, die dann sehr lang und sehr nützlich für die Leserinnen sind. In so einen Blogartikel fließen viele Stunden Arbeit, Recherche und Optimierung. Und: Blogger mit dem technischen Ansatz haben ein sehr enges Themenspektrum und schreiben über ein spezifisches Nischenthema.“ Ich bin also keine dynamische Bloggerin, soviel habe ich von Judith gelernt und mich dann ganz bewusst aus der Sache ausgeklinkt.

Den Wettlauf mit immer wieder neuen digitalen Möglichkeiten mache ich eher selten mit. Ja, es gibt Kniffs und Tricks, um mit weniger Zeitaufwand Inhalt in den Blog zu stellen. Kristina hat kürzlich einiges verraten. Bei mir läuft es mit dem Bloggen eher so wie vor 10 Jahren. Helmut Kohl sagte einst: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

Ich freue mich, wenn ihr gerne hier lest und es mich durch eure Kommentare wissen lasst. Danke dafür!


Mittwoch, 29. Juni 2022

MittwochsMix des Monats Juni - Thema: Poesie / löchrig

Der MittwochsMix ist eine regelmäßig stattfindende Gemeinschaftsaktion von Susanne und Michaela. Vor einiger Zeit wurden Begriffe gesammelt für die kommenden Monate. Unter meinen eingesandten Vorschlägen war „löchrig“, also konnte ich nicht kneifen und habe Woche für Woche bei Instagram gezeigt, wie ich mich an das Thema heranarbeite.


Als Gesamtkunstwerk (räusper) seht ihr hier nun mein vollständig durchlöchertes Poesiealbum. Für die perfekten Kreise und die Ringbindung gibt es in meinem Bastelmaschinenpark entsprechend geeignete Geräte.










Wie aber fülle ich die Seiten des Albums themengerecht? Poesie im üblichen Sinne ist nicht mein Ding. Trick 17 brachte mich durch die Hintertür dazu, auf meinen gehüteten Schatz ausländischer Zeitungen mit meist nicht-lateinischen Buchstaben zurückzugreifen. Keine Ahnung, was da nun in arabisch, russisch, chinesisch, türkisch, burmesisch, thailändisch, griechisch oder japanisch steht und wer wo hinter Gittern gesteckt oder zur Maikönigin gekrönt wurde. Hauptsache es sieht gut aus.

Richtig Spaß machte es dann, mein Papier so lange zu malträtieren, bis es löchrig wurde. Immer mehr Möglichkeiten fielen mir ein, gewöhnliche und ungewöhnliche.

Das Lasern lies sich in meiner Bastelküche leider nicht umsetzen und obwohl steter Tropfen den Stein höhlt, verließ mich die Geduld alsbald, es auch mit dem Papier zu versuchen. Einfacher war es beim Schneiden, Reiben, Beißen, Brennen, Stanzen, Stechen, Stampfen, Treten, Knüllen, Knautschen, Falten, Feilen, Hämmern, Mörsern, Malmen, Pieksen, Prägen und all diesen Foltermethoden, die zum schnellen Erfolg führen.

Besonders lustig war es, zu beobachten, wie beim Knüllen kleine Staubwölkchen zwischen meinen Fingern hindurch pafften - bei jedem Zudrücken der Hand, immer und immer wieder, als sich die Beschichtung des Papiers allmählich ablöste.

Weniger brutal wäre wohl das Prickeln zu beschreiben. Da gibt es seit Langem eine eigene Fangemeinde, die mit speziellen Prickelnadeln wunderschöne filigrane Spitzenbilder gestaltet, sofern man gute Augen, eine starke Brille und eine Menge Geduld mitbringt.

Auf rauem Asphalt Papier löchrig treten – das kann ja wohl jeder. Aber bleibt es dabei auch schön weiß? Eher nicht. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen.

Angesichts vorhandener Noppenlatschen und dem notwendigen Körpergewicht war das Zertreten für mich wohl die einfachste Übung.




Was aussieht wie ein Schwarm Kaulquappen ist einfach mit dem Skalpell gestochen.



Die meisten gequälten Papiere machen sich optisch richtig gut, wenn Licht und Schatten ihre Narben deutlich hervor bringen.




All meine fremdländischen Schriften und gegeißelten Papiere sollten nun die Seiten des Poesiealbums füllen, aber ein Loch mit in die Collagen einzubeziehen gelang mir nicht immer zufriedenstellend.








Nun, mein Abreißkalender meint, die Aktion müsse jetzt mal ein Ende haben. Ist ja alles nur Papier und auch wenn man rein beißt, sollte man sich nicht daran festbeißen. Ich bin dann mal wieder weg – mit dem 9-EUR-Ticket.

Liebe Grüße. Feiert den Sommer, so gut ihr könnt und so lange es noch geht.




Dienstag, 7. Juni 2022

Papiermuseum Düren

Düren ist nicht gerade der Nabel der Welt, jedoch war mir ein kurzer Zeitungsartikel in die Finger gekommen, in dem das magische Wort „Papiermuseum“ stand. Meine Neugier gepaart mit der neuen Reisefreiheit des 9-Euro-Monatstickets spornte mich gleich am zweiten Tag  (also am 2. Juni) an, mit dem Regionalzug gut 2 Stunden Richtung Nordwesten zu fahren.
 
Düren, auf dem Weg vom Bahnhof zum Papiermuseum
Einmal zu Fuß quer durch die Stadt erkannte ich das papierweiße Gebäude nur an der supermodernen Architektur, die so ganz anders war als die der umstehenden Gebäude. Die Beschriftung weiß auf weiß war im gleißenden Sonnenlicht kaum erkennbar.


Die Geschichte der Papierherstellung wird in Schaukästen erläutert. 

Auch im Innern herrscht die Farbe Weiß vor. Interaktive Stationen machen die Dauerausstellung digital, haptisch und auditiv erfahrbar. Muster zum „Begreifen“ von Pergament, Papyrus und anderen Papiersorten liegen offen da. Stationen zum Wiegen, Messen, Mikroskopieren und Vergleichen von Papierproben laden zum Mitmachen ein.

Ich erfuhr, dass Heinrich August Schoeller (Papierfabrik Schoellershammer, Düren) und Alfred Hoesch zu den Gründern des Museums zählen. Ah! Die Namen waren mir nicht unbekannt.

Etwa 3000 unterschiedliche Papiersorten gibt es, eingeteilt in grafische Papiere (die über Jahrtausende als Träger von Bild und Schrift den weitaus größten Teil ausmachten), Verpackungspapiere (heute durch Online-Versandhandel der Hauptanteil in der Produktion), Hygienepapier und Spezialpapier.

Altpapier ist für die deutsche Papierindustrie mittlerweile die wichtigste Grundstoffquelle. Es kann 5 – 7 mal recycelt werden, bis die Faser zerschlissen ist. Neben Zellstoff und Holzstoff liegt es als Griffmuster in kleinen Schälchen bereit. Auch eine große Rolle Mulchpapier, das in der Landwirtschaft statt Mulchfolie die Felder vor Unkraut, Schädlingen, Feuchtigkeits- und Wärmeverlust schützt, darf angefasst und untersucht werden. Papier aus Steinmehl, Gras, Milchfasern und Agrarabfällen fand ich in einer Schublade.

Holzpapier, Zellulose, Altpapier in Schälchen als Griffmuster

Graspapier, Steinpapier, Papier aus Milchfasern und Agrarabfällen





Anders ist es mit Klangpapier. Dieses kostbare Spezialpapier ist hinter Glas geschützt, kann aber mittels Tastendruck zum Sprechen gebracht werden. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,4 Millionen Euro gefördert, wurde es an der TU Chemnitz entwickelt. Es könnte beispielsweise Verpackungen oder Büchern beigelegt werden und so als Bedienungsanleitung oder tönerner Beipackzettel sehbehinderten Menschen hilfreich sein.

Neu ist auch, Papier als Träger gedruckter Elektronik zu verwenden. Mehrere hauchdünne Schichten von leitfähigen, elektrolumineszenten Materialien bringen es zum Leuchten. Tapeten, Verpackungen und Etiketten könnten uns bald schon völlig neuartige Seherlebnisse bereiten.

Papier als Baustoff, Duftpapier, Textil-Ersatzstoff … Wer hätte gedacht, das selbst das Dach der Elbphilharmonie unter Verwendung von Papier gestaltet wurde?

Unbegrenzt wieder verwendbare Notizbücher, im technischen Sinne kaum noch als Papier zu bezeichnen, stellt eine Firma in USA bereits her. Ich habe mich mit dem bereitliegenden Frixion Pen zwar in einer dieser Kladden „verewigen“ können, aber es wird nicht lange dauern, bis ein Mitarbeiter des Museums das Heft zusammen mit einer Tasse Wasser in die Mikrowelle stellt und sämtliches Geschreibsel verschwinden lässt, nachdem es mit ein paar Klicks digital erfasst und gespeichert wurde.

Klopapier mit Logo aus echtem 24 Karat Gold



Klopapier, 6-lagig, in Handarbeit mittels Heißprägeverfahren Blatt für Blatt mit Goldprägedruck aus 24 Karat Blattgold veredelt, kann heute schon bestellt werden. Wer Interesse und das nötige Geld hat, darf die Farbe des Papiers und das Prägemotiv individuell bestimmen. Auch in Silber lieferbar!

Bei all den fulminanten Zukunftsaussichten ist es kaum zu glauben: Trauerränder auf Briefkarten und Umschlägen werden in Düren bis heute in Handarbeit aufgebracht. Die Mitarbeiter lernen das Handwerk bis zu 3 Jahre, bevor ihre Arbeiten präzise genug für den Verkauf sind.

Papiermuseum Dueren, Innenraum

Papiermuseum Düren, Sonderausstellung
Wechselausstellung bis 9. Oktober 2022: Bauen mit Papier

Klasse statt Masse ist wohl ein Prinzip des Papiermuseums Düren. Ich war etwas irritiert, dass sich die ständige Ausstellung zusammen mit der Wechselausstellung auf nur einen großen Raum beschränkt. Der große Vorteil: man beschäftigt sich intensiv mit den sinnvoll ausgewählten Exponaten - wird nicht überfordert oder erschlagen.

Auf der Internetseite des Museums gibt es nähere Informationen und eine aufschlussreiche 3D-Tour durch die Ausstellung.

Im ersten Stock fand ich hinter der Papierwerkstatt etwas versteckt auf engem Raum einige verglaste Regale voller begehrenswerter Preziosen und Altertümchen, von denen ich gerne mehr gesehen hätte: Musterbücher, Kataloge, Materialsammlungen, Fachliteratur, uralte Bücher, Papierkleidung der 70er Jahre, Ausschneidebögen, Papiergarn, Indikatorpapier, Filterpapier, Spitzenbilder, Scherenschnitte, Genrekarten, Taufbriefchen, Papierfächer, Sargbeschläge aus Papier … mein Sammlerherz stahl mit den Augen und etwas mühevoll auch mit der Kamera.




Kunstobjekte: beidseitig gebundenes Buch und Würfel aus geernteter Litfaßsäule


Wikipedia schreibt: „Das Papiermuseum Düren ist eines von sieben Museen in Deutschland, die Papier zum Thema haben oder eine Abteilung zum Thema Papier besitzen.“

Na, dann gibt es ja noch viel zu tun!! Mein Plan steht bereits! Das 9-€-Ticket wird mich in den nächsten drei Monaten gut beschäftigen. Alles, was ich mir seit Coronabeginn verkneifen musste, wird jetzt systematisch abgearbeitet. Ob das Bloggen dabei etwas zu kurz kommt oder erst recht angefeuert wird, entscheidet sich nach und nach. Erst kommt das Leben dran, bevor mir das Ende der staatlichen Reise-Gratifikation und/oder der nächste Lockdown wieder die Freude versauen.

Yippieee!!! Auf ins Getümmel!