Freitag, 2. April 2021

Frühlings-Post-Kunst 2021 – Insekten in Collagrafie-Technik

Das Post Kunst Werk um Tabea und Michaela rief für die Frühlingspost dazu auf, eine kleine Serie von A4 Doppelbogen zum Thema Insekten zu gestalten und zu tauschen. Eine Collagrafie sollte es sein. 208 Teilnehmerinnen wagten sich und meldeten sich an. Ich wurde Gruppe 10 zugeteilt und sollte gleich in der ersten Startwoche meine Kunst an 7 andere Teilnehmerinnen senden. Oho!

Collagrafien hatte ich bereits in einem Workshop bei Jeromin kennengelernt und im März und April 2018 ausführlich darüber geschrieben. So strich ich die Experimentalphase mutig von meiner Aufgabenliste und stürzte mich erst kurz vor meinem Stichtag auf die Arbeit. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich später herausstellte. Mit meinen extra für Collagrafien angeschafften, allseits hochgelobten, teuren, feinen Tiefdruckfarben wollte ich besonders detailreiche Drucke auf Steinpapier erzielen. Das hat im Grunde auch funktioniert, nur dass die Farben auf diesem Papier so dermaßen allerlangsamst vor sich hin trocknen, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber fangen wir mal von vorne an.

Wildes Sammelsurium auf dem Arbeitstisch



Auf der Suche nach Inspirationen durchblätterte ich meinen Naturführer. Mein Blick blieb an den Begriffen „Buchdrucker“ und „Bücherlaus“ hängen und egal wie die Viecher aussehen: die mussten es sein! Ich scribbelte ein Layout für das Exposé, skalierte die eingescannten Käferabbildungen auf die gewünschten Größen und druckte sie aus, um mit der Materialcollage möglichst nah an die lebenden Vorbilder zu kommen.


Der Bücherlaus-Druckstock, überzogen mit Schellack

Der erste Abdruck mit Tiefdruckfarbe zeigt jeden Fussel auf dem Druckstock




Die Bücherlaus schichtete ich aus dünnem Karton in nur 2 Lagen übereinander und blieb auf diese Weise ziemlich flach. Um den Druckstock haltbarer zu machen, überpinselte ich ihn mit 2 Schichten Schellack. Als alles gut getrocknet war, brachte ich mit einer Rolle eine dünne Schicht Tiefdruckfarbe auf die Form auf und bestempelte damit das Steinpapier. Eine mehrfach gefaltete Decke diente dabei als Unterlage, damit sich die Form besser ans Papier anschmiegen kann.

Zarte und derbe Blattstrukturen mit verschiedenen Versiegelungen

Solche feinen Linien lassen sich mit Tiefdruckfarbe gut drucken



Für die Ausschmückung des Doppelbogens hatte ich Blätter auf Pappen geklebt und mit unterschiedlichen Schutzschichten aus Alufolie, Klebeband und Schellack überzogen, um ein Spektrum von Möglichkeiten und Spielraum für Versuche zu haben, denn Tiefdruckfarbe gibt feinste Strukturen sehr schön wieder, zeigt aber auch vorhandene Unregelmäßigkeiten, wohingegen Acrylfarbe schon mal gerne zarte Linien zukleistert und auf Höhenunterschiede weniger sensibel reagiert.



o.l. Materialmix; o.r. mit Gesso überstrichen; u.l. mit Mod Podge Gold versiegelt; u.r. Abdruck 2farbig gedruckt mit Acrylfarbe (1:1 vermischt mit Trocknungsverzögerer). Bildunterschrift mit Stempelfarbe gedruckt.




Den Buchdrucker, der mein Coverboy werden sollte, setzte ich aus vielen verschiedenen Materialien zusammen: Moosgummi, Wellpappe, Orangennetz, Fransenband, Kork, Pappe und Heißkleber. Ich sicherte diesen Druckstock mit einer Schicht Gesso und versiegelte mit Mod Podge. Gleich der erste Druckversuch bestätigte meinen Verdacht - das unterschiedliche Niveau der Materialien brachte beim Drucken erhebliche Probleme. Durch schmirgeln, schneiden, drücken, hämmern und quetschen glich ich die Höhenunterschiede so weit es ging aus. Aber es gab noch ein anderes Problem: die Tiefdruckfarbe der umseitigen Bücherlaus war noch nicht trocken und ich konnte die Außenseiten nicht bedrucken, ohne die Innenseiten zu versauen.  

Der Tag ging, Jonny Walker kam. Die Zeit verstrich, der Countdown lief, meine Gruppenmitglieder scharrten sicher schon mit den Hufen, weil sie Frühlingspost wollten, aber die Tiefdruckfarbe klebte und glänzte wie frisch von der Rolle. Warm bügeln kann man Steinpapier nicht, weil es dann schrumpft. Kalt föhnen hätte wohl auch so schnell keine Trocknung gebracht. Hm.

Es gab keine andere Lösung - wenn ich meine Mädels nicht enttäuschen wollte, musste ich noch einmal von vorne beginnen. Acrylfarbe (mit Zusatz von Retarder) lies sich schön drucken und trocknete ratz-fatz. Linoldruckfarbe brauchte auch nur einige Stunden, um so trocken zu werden, dass sie zumindest wischfest war.

Stempelfarben reagierten je nach Fabrikat unterschiedlich. Mementos sind nicht empfehlenswert, weil sie auf Steinpapier stark ausbluten. Manche Sorten trocknen nur langsam, aber alle waren ansonsten brauchbar. Die Rechnung ging auf. Mit Verspätung, aber Erleichterung, konnte ich meine Collagrafien verschicken.

Was lernen wir daraus? Rechne mit Stolpersteinen und fang nicht erst auf den letzten Drücker an!

Linoldruckfarbe ist weniger sensibel. Ich schichtete schwarz über kupfer.

Jede Laus ein Unikat

34 x gedruckt und immer noch brauchbar


Die Buchdrucker sehen aus, als stünden sie auf 2 Beinen. Das Fransenband sollte rings um den Körper feine Häarchen simulieren, funktionierte aber nicht wie gewünscht.



Die erste Auflage meiner Insektenseiten habe ich mittlerweile mit netten Teilnehmerinnen aus anderen Post-Kunst-Gruppen getauscht. Durch diese Extrapost sind so viele Doppelseiten zusammengekommen, dass daraus auf jeden Fall ein Sammelalbum wird. Ich habe auch schon eine Idee …

Und hier ist die Post der anderen Teilnehmerinnen von Gruppe 10:

2 – Nicole

3 – Thea

4 – Annette

5 – Britta

6 – Ayla 

7 - Katrin


8 - Silke






Dienstag, 16. März 2021

Origata Bindung mit Technical Overflow

Das Album für die CitraSolv-Blätter und Hintergrundpapiere aus meinem letzten Blogbeitrag, für die ich tief in meinen Fundus gegriffen hatte, ist fertig. Was soll ich sagen? Der Umschlag ist genau so techniküberladen geworden wie sein Inhalt.

Ich wollte die Origata-Bindung ausprobieren und endlich auch das Mosaic Kit von Tim Holtz verwenden, das wie so viele andere Tinkturen schon ewig unbenutzt im Regal stand. Dabei heraus kam ein seltsames Konglomerat aus Unruhe, Unausgewogenheit und Stilmix, das mich am Ende selbst gleichermaßen überrascht, schockiert und belustigt hat. Was hab ich da bloß fabriziert? Spiegelt sich mein inneres Chaos darin wider, die vielen Baustellen, die unbefriedigte Reiselust? Die Hobby-Psychologin könnte wohl Romane darüber schreiben.



Aber fangen wir mal von vorne an. Ich tüftele gerne mit Hilfe von verräterischen Fotos oder Videos aus dem Netz an neuen Buchbindungen herum, bis ich heraus habe, wie sie herzustellen sind. Zur Origata-Bindung kann man eine Anleitung kaufen - oder seinen Grips benutzen. Die Sache war schnell durchdacht. Drei Papierstreifen werden durch Schlitze im Rücken gezogen und halten auf diese Weise mit Hilfe von Faltungen ganz ohne Klebstoff Umschlag, Deckblatt und Rückseite zusammen. 

Ich baute mir aus Altpapier sicherheitshalber erst einmal ein Dummy. Im Anschluss schnitt ich mein Buch aus weißem Fotokarton in der Größe passend zum Inhalt zu, falzte es und brachte die Führungsschlitze für die Papierstreifen an. Es half dabei sehr, dass ich bei meinem Dummy abgucken konnte.






Das Titelbild mit dem Mosaik ist separat angefertigt worden. Grundlage ist ein 250 g Aquarellkarton in A5, der später dann unter der vorderen Falte am Bund des Buches steckt und mithilfe der drei gelben Streifen festsitzt. Das Mosaik für den Rahmen habe ich aus meinem CitraSolv Papiervorrat und dem Tim Holtz Distress Paper Mosaic Kit gemacht und das geht so:

  1.  „Grout“ (ähnlich Gesso mit grobem Sand) auf Untergrund auftragen und trocknen lassen
  2.  Papierschnipsel mit „Glue“ bepinseln und aufkleben, mit 2. Schicht „Glue“ versiegeln
  3. „Glaze“ auf jedes einzelne Mosaik-Teilchen auftragen, um ihm den glasigen Effekt zu geben.


Im Detail erkennt man Struktur neben Struktur – etwas zuviel des Guten



Immer wieder stellte ich im Laufe der Arbeit fest, dass zwar technisch alles klappte, ich mir über die farbliche Gestaltung aber überhaupt keine Gedanken gemacht hatte. Schritt für Schritt vorzugehen hat mich in eine Sackgasse getrieben. Das CitraSolv-Papier war die Ausgangsbasis in gelb-braun-oliv; den Buchrücken strich ich also auch oliv. Was kontrastiert und passt dazu? Gelb! So pinselte ich die Papierstreifen mit gelber Acrylfarbe an und auch das Rechteck für die Mitte des Mosaikrahmens wurde gelb. Hm, nun hatte ich ein leeres Feld mit einer Umrandung, das nach einem Motiv verlangte. Die seltsame Blume wurde nach längerem Grübeln zum Notbehelf. Erst als alles komplett fertig war, sah ich, dass das Cover eigentlich ein stilistischer Griff ins Klo ist, entstanden aus Betriebsblindheit. Ich hing viel zu tief mit der Nase im Projekt, als das ich den nötigen Abstand und die Übersicht behalten hätte. Nur langsam gewöhne ich mich an zu viele Strukturen, Techniken und Elemente. Weniger wäre mehr gewesen.



Die 16 Innenseiten nähte ich jeweils zu 4 Stück mit der Nähmaschine beidseitig auf einen Streifen Sackleinen, der als Gelenk fungiert. Daraus ergaben sich 4 Lagen, die ich übereinander gelegt in der Mitte mit einem einfachen Heftstich durch Buchrücken und Papierstreifen genäht habe. Schon ist die Bindung fertig.








Dienstag, 2. März 2021

Über CitraSolv und andere Techniken

Vieles von dem was ich euch heute zeige wird mit Zubehör angefertigt, das nicht unbedingt in jedem Bastelzimmer vorhanden ist. Auf Messen, bei TV-Werbesendern und in ausländischen Onlineshops habe ich im Laufe der Zeit so einiges an Wundermittelchen zusammengekauft, die nun schon seit Jahren ungeöffnet im Regal standen. In den letzten Wochen machte ich diesem Dornröschenschlaf ein Ende. Kommen wir gleich zur Sache:

Mit der deutschen Ausgabe von National Geographic funktioniert diese Technik nicht.





CitraSolv ist ein hoch konzentrierter Haushaltsreiniger und Fleckentferner aus den USA, der selbst mit hartnäckigsten Verschmutzungen fertig wird. (Das deutsche Äquivalent scheint „Das Blaue Wunder/Sweet Orange“ zu sein. Ob es für die im Folgenden beschriebene Technik geeignet ist, weiß ich nicht. Hat jemand Erfahrungen?)

CitraSolv wird mit einem Pinsel, einer Sprühflasche oder durch vorsichtiges Träufeln (Finger auf die Öffnung halten) Blatt für Blatt über die Innenseiten der englische Ausgabe von National Geographic verteilt. (Mit der deutschen Ausgabe funktioniert es NICHT! Zu anderen Magazinen ist mir nichts bekannt.) Nach ein paar Minuten Einwirkzeit schlägt man das Heft vorsichtig wieder auf. Die Druckerfarbe hat sich gelöst, vermischt und neu geordnet zu phantastischen Blasen und völlig abstrakten, surrealen Strukturen, die an dramatische Wolkenbildungen oder das Weltall erinnern.



Je nach Menge des aufgetragenen Lösungsmittels können Reste von Text und Bild stehenbleiben. Rechts die Konturen von zwei Kängurus.


In Bereichen, die wenig CitraSolv abbekommen haben, lugt vielleicht noch etwas von der alten Druckinformation hervor. Auch das Schwarz der Textblöcke löst sich nicht ganz so willig wie Cyan, Magenta und Gelb. Seht euch die Videos bei youtube an oder googelt, was es zu dem Stichwort zu lesen gibt. Blogger aus den USA bieten ausführliche Informationen. Die besten Internetseiten hat der Hersteller von CitraSolv auf seiner Homepage in einem separaten Kreativbereich zusammengefasst.

Meine Blätter riechen heute, ca. 2 Monate nach Bearbeitung, noch immer leicht nach Orange. Der Geruch in der Werkstatt war einen Tag lang extrem, aber nicht unangenehm.

Die fetten Blasen haben es mir angetan.




Nun wollte ich euch die entstandenen Papiere nicht ohne Anwendungsbeispiele zeigen. Ich machte mich also über meine oben erwähnte Menagerie her, um erst einmal ein paar Hintergründe auf 250 g Aquarellpapier vorzubereiten.

Negative Randbemerkung: Mein schöner Block Clairefontaine Paint On Multi-Techniques Papier trägt die Aufschrift A5 – 14,8 x 21 cm / 5,8 x 8,3 Inch. Wer sich darauf verlässt, der ist im "Ernstfall" total verlassen, denn weder die Zentimeterangabe noch das Inch-Maß stimmen. Jedem der 40 Blätter fehlt 2 mm in der Höhe. Wer hat Lust, mal zu berechnen, wie viel der Hersteller dabei im Jahr spart? Muss man solche Gaunereien heutzutage einfach tolerieren? Ich finde das ganz und gar nicht okay, denn wenn ich A5 kaufe, möchte ich auch A5 nach Hause bringen.

Decoupage aus gerissenen CitraSolv-Papierstückchen, mit Serviettenkleber aufgeklebt und versiegelt.








Schwarze Gesso-Grundierung, darüber Antiquing Paint patinagrün, teilweise mit einem Tuch wieder abgewischt und mit Wachspaste gold akzentuiert.


Schlagmetallflocken und Abdrückfolie in Gold, Silber und Bronze mit Anlegemilch aufgeklebt.
Grundierung aus Dekorfarbe soft beigebraun und Acrylfarbe dunkelbraun. Darüber 2-Komponenten Crackle Varnish für zwei Schichten, die jeweils separat trocknen müssen. Zum Schluss flüssige Patina in dunkelbraun, um die Risse zu betonen.
Grundierung aus schwarzem Gesso, eine dicke Schicht Clear Crackle Glaze auftragen, mit Antiquing Paint weiß die entstandenen Risse betonen.









Krakelier ohne Spezialmittel: Grundierung mit Acrylfarbe weiß. Dann PVA-Kleber mit einem Pinsel auftragen. Wenn der Kleber leicht angetrocknet ist, eine dicke Schicht Acrylfarbe darüber streichen. Beim Trocknen entstehen Risse.

Ranger Distress Crackle Paint scattered straw (Reißlackfarbe, All in One) brachte auch in dicken Schichten nur kleine Risse.

Grundierung aus Dekorfarbe soft feigenbraun und Acrylfarbe dunkelbraun, darüber in die noch feuchte Farbe Patina Effekt Pulver kupfer einstreuen und Oxidationsmittel hellblau, bläulich grün und grün verteilen. Über Nacht in kühlem, dunklen Raum einwirken lassen.





Den Patina-Effekt aus dem vorherigen Bild habe ich nachträglich mit einem kräftigen Schuss der drei Oxidationsmittel in hellblau, bläulich grün und grün verstärkt.

Grundierung aus Dekorfarbe soft türkisgrün, darüber in die noch feuchte Farbe Rost Effekt Pulver streuen und Oxidationsmittel braun, gelb und gelblich rot aufträufeln, über Nacht einwirken lassen. Finish aus Wachspaste silber.





Rostige Unterlegscheiben verteilt auf 70 g Papier und übergossen mit Essig und Rostwasser. Unter Frischhaltefolie im Keller 2 Tage auf einer Glasscheibe liegend arbeiten lassen.

Links die Ansicht von unten durch die Glasscheibe. Da das Papier an der Unterlage klebte, habe ich es gewässert. Dummer Fehler (rechts): Patina und Rost haben mit dem Wasser reagiert und sich vermischt. Die ehemals schönen Farben sind verwaschen.




Nach den ganzen Vorarbeiten ging ich daran, auf den Hintergrundpapieren Collagen mit den entstandenen CitraSolv-Blättern zu machen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Leider wurde ich in meinen alten Büchern auf der Suche nach Planeten und Raketen nicht fündig, um die Seiten, die mich ans Weltall erinnern, entsprechend aufzubereiten. Dafür kommt Rosa Luxemburg in einem neuen Kleid daher. Sie ist in dieser Woche Thema beim „Jahr der Miniaturen“ von Susanne und muss sich gefallen lassen, von mir neu interpretiert worden zu sein.






Rosa Luxemburg – ich konnte mir nicht verkneifen, das Thema von Susannes wöchentlicher Challange „Jahr der Miniaturen“ nach meinem Gusto umzusetzen.





CitraSolv ist nicht nur ein kraftvoller Reiniger und ein Lösungsmittel für bestimmte Druckfarben, es eignet sich auch hervorragend für Bildtransfers von Laserdrucken.

Ein bisschen spielen werde ich noch mit Schablonen, durch die ich mit einem CitraSolv getränkten Tuch darunterliegende Farben anlösen will. Für heute habe ich aber genug erzählt und gezeigt. Meine Einzelblätter sollen bald zu einem Buch gebunden werden, das ich dann auch wieder hier vorstelle. Die Zeit rennt. Bis demnächst also!