Von ATCs (Artist Trading Cards / Künstler-Tauschkarten) haben die meisten Papierbastlerinnen schon gehört, vielleicht haben sie auch selbst schon welche angefertigt. Ich hatte mich lange davor gedrückt. Dem Anspruch der atemberaubend schönen Kärtchen, die ich im Netz bei amerikanischen Künstlerinnen gesehen hatte, glaubte ich nicht gerecht werden zu können, und Irgendwas schnell mal zusammenkleben ist nicht so mein Ding.
Nun lies ich mich letztlich doch zu ein paar Tauschrunden bequasseln und recherchierte, wo dieser Trend denn überhaupt her kommt.
Die Idee der Zigarettenbilder aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde seit der Wirtschaftswunderzeit von Fabrikanten wie z.B. den Köllnflocken-Werken gerne übernommen. Die Bildchen lagen der abgepackten Ware als Produktbeigabe gratis bei, dienten der Kundenbindung und wurden eifrig in speziell dafür aufgelegten Alben gesammelt.
In den 1960er Jahren saß das Geld allgemein schon etwas lockerer im Beutel. Das italienische Unternehmen Panini stellte serienweise Fußballbilder her und vertrieb sie in kleinen „Überraschungstütchen“. Ich liebte damals meine Winnetou-Sammelalben. Ein riesiges Geschäft war das, denn die Bücher komplett mit den nötigen Bildern voll zu kleben ähnelte einem Lotteriespiel und Tauschgelegenheiten gab es wenig. So ging das Taschengeld dafür drauf.
Das Kunstprojekt „Artist Trading Cards“ wurde als Gegenbewegung zum kommerzialisierten Markt lanciert; das Verkaufen von Kärtchen widerspricht dem Konzept.
Der Schweizer Künstler M. Vänçi Stirnemann gilt als Erfinder der ATCs. Er bemalte 1997 für eine Ausstellung 1200 Karten. Am letzten Tag lud er seine Besucher ein, ihre eigenen Karten zu kreieren und mit ihm zu tauschen. Dies löste einen Trend aus. Kunstakademien und Galerien in Europa, Kanada, den USA und Australien zeigten Artist Trading Card Editionen in zahlreichen Ausstellungen; Beiträge in Zeitungen, Magazinen und Katalogen erschienen und TV-Sendungen berichteten über ATCs. Trading Sessions, also Tauschtreffen wurden organisiert und sogar der 5. Geburtstag der ATCs im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in Zürich gefeiert.
ATCs sind stets Originale in der festgelegten Größe 2,5“ x 3,5“ (ca. 6,4 cm x 8,9 cm), die individuell als Unikat oder in Kleinserien angefertigt werden.
Für die Ausgestaltung von ATC's gibt es keine Vorschriften, es sein denn, die Gruppe arbeitet zu einem vorher festgelegten (Monats-) Thema. Materialien und Techniken sind frei wählbar. Endlich eine Gelegenheit, Reste von Cardstock und Embellishments zu verarbeiten, neue Techniken im Kleinformat auszuprobieren und bisher unbenutzte Stempel einzusetzen. Man kann malen, zeichnen, Collagen kleben, nähen, filzen und mit Wolle umwickeln - solange das Ergebnis in die Hüllen paßt und auf dem Postweg nicht kaputt geht, ist alles erlaubt. Patchworken, häkeln, Metall benutzen, Gießen mit Gips, Herstellen mit Pappmaché und Schnitzen aus Holz. Nehmt Linoleum, Leder oder Kunstleder, Serviettentechnik, Modelliermasse oder bestickt eure Kärtchen. Ganz egal! Hier kann auch ziseliert und punziert werden. Shabby Chic, Steampunk, Vintage und Upcycling. Alles, nur nicht langweilig. (Ich bin noch auf dem Weg dahin ... räusper.)
Für mich sind ATCs kreative Visitenkarten, denn man zeigt, was man gestalterisch drauf hat und signiert sein Werk auf der Rückseite mit Namen, Blog- oder Mailadresse, Thema/Titel, Seriennummer und Datum. - Nur wer schöne ATCs anbietet wird auch schöne erhalten.
Natürlich kam der Handel schnell auf die Idee, fertig auf Maß geschnittenes Papier in vielen Sorten und Qualitäten anzubieten. Auch passende Klarsichthüllen für die einzelnen Karten sind erhältlich und Sammelblätter für je 9 Karten, um sie übersichtlich in Ordnern abheften zu können. Stempel mit Linierung für die nötigen Eintragungen auf den ATC-Rückseiten verhelfen zu einem sauberen Erscheinungsbild.
Da das Format der ATCs den kommerziellen Trading Cards entspricht (Fussball- und Hockeybilder haben in Nordamerika eine lange Tradition), passen sie perfekt in die weltweit üblichen Täschchen für Sammelkarten. Wer ein Sammelalbum kaufen möchte, geht am besten in den Spielwarenladen, holt sich eines dieser oft undurchsichtig verpackten Kits für 6 – 9 EUR und wirft zu Hause alles weg, was sich neben dem Album noch in der Tüte befindet. So hab ich es auch gemacht. Und jetzt wird allmonatlich getauscht und sortiert.
Der neueste Trend sind kreisrunde ATCs, genannt Coins, wobei der Durchmesser der Breite herkömmlicher Künstlertauschkarten entspricht, so dass auch sie in die üblichen Stecktaschen passen. Manch ein Motiv wirkt in diesem Format sehr schön, ich halte mich aber wohl eher an das Gewohnte.
Wer Lust bekommen hat, sich auch einer ATC-Gruppe anzuschließen, dem darf ich die Kontaktadresse von Angela mitteilen. Bitte sendet mir eine Mail, meine Adresse steht im Impressum. (Übers Kommentarfeld antworte ich darauf nicht. DSGVO lässt grüßen.) Angela organisiert 2 mal im Jahr einen ATC-Tausch zum Thema „Stempelmännchen“ (das sind pfenniggroße Stempelgummis, die es in loser Folge seit Jahrzehnten bei HeinDesign gibt).
Andere Tauschgruppen findet ihr über die sozialen Netzwerke.
Gute Grüße
ela