Mal wieder kam eine Idee über Holland zu mir. Ich sah ein Workshop-Angebot im Internet, viel zu weit weg und sowieso schon vorüber, aber ich fing Feuer. Ich recherchierte weiter, las mich quer durch viele, viele Blogberichte und Foren aus den USA und fand schließlich den Weg zu
Ruth Smith in England, die ein paar nett gemachte Anleitungshefte über die Objekte meiner Begierde herausgebracht hatte. Nach ein paar Wochen kam ein Kontakt zustande und sie schickte mir schnell und unkompliziert ihre Lektüre.
„Folded Secrets“ nennt sie die Behälter, die im Südwesten von China traditionell von den Frauen der dort lebenden Minoritäten zur Aufbewahrung von Stickgarn, Bändern, Schnittmustern und derlei Zubehör angefertigt werden. Zur Herstellung eignet sich handgemachtes Naturpapier aus langfaseriger Maulbeerbaum-Rinde, das strapazierfähig genug ist, um häufigem Falten, Knicken, Öffnen und Schließen zu widerstehen. Je nach Muße und Begabung werden die Innenseiten reichhaltig bemalt, beklebt und farbig ausgeschmückt. Die Umschläge der Mappen, Taschen oder wie man sie nennen will, sind meist schlicht aus Indigo gefärbtem Baumwollstoff. Das Internet zeigt wunderschöne Stücke, wenn man „Zhen Xian Bao“ in die Suchmaschine eingibt.
Wie so oft droht auch in den abgelegenen Gebieten Chinas die traditionelle Volkskunst den schnellen Veränderungen der Zeit zum Opfer zu fallen. Bald sind diese Dinge nur noch in Museen hinter Glas zu bewundern. Schade, schade!
Für meine Nachbauten konnte ich weitgehend auf vorhandenes Material zurückgreifen. So hat die große Mappe einen Umschlag aus einer meiner alten Blusen „Made in Vietnam“ erhalten und eine Verschlusskordel mit 2 alten chinesischen Münzen. Sämtliche Papiere im Inneren habe ich einseitig mit weichem, weißem Vliesstoff kaschiert, um sie widerstandsfähiger und stabiler zu machen. Lokta-Papier war mir in der benötigten Menge schlichtweg zu teuer.
Aus 19 Fächern besteht die große Mappe und das kommt so:
Man öffnet das Album und hat zwei Collagen aus chinesischen Papieren und Stempelabdrücken vor sich. Diese beiden Seiten schlägt man nach links und rechts auf. Nun sieht man acht auf der Spitze stehende Quadrate, das sind Faltschachteln aus chinesischer Tageszeitung, die sich öffnen lassen.
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zwei Faltschachteln sind geöffnet |
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alle 8 Faltschachteln sind geöffnet |
Unter je zwei dieser Faltschachteln befindet sich eine größere Schachtel, das sind zusammen vier Stück, angefertigt aus Packpapier.
Unter jeder dieser Packpapierschachteln befindet sich nochmal eine Faltschachtel in gleicher Größe, diesmal angefertigt aus alten Schnittmusterbogen.
Versetzt darunter gibt es schließlich noch 3 große Schachteln aus kaschiertem Landkartenpapier.
Wer jedes dieser 19 Fächer mit etwas Garn, Nadeln oder Perlen füllt, um unterwegs den nötigen Bedarf für die Handarbeit dabei zu haben, hat schnell ein pralles Buch in der Hand. So ein schön gemachtes Zhen Xian Bao ist sicher der Stolz mancher Chinesin.
Das kleinere Album hat einen Umschlag aus einem alten schwarzen Leinenrock von mir und einen Verschluss, der wieder von der Bluse aus Vietnam stammt. Besonders raffiniert und „exotisch“ ist die Rückenbindung um zwei Holzleisten.
Die 16 Sternboxen in der Mitte des Buches habe ich aus Geschenkpapier gefaltet. Natürlich lässt sich jede Sternbox öffnen. Unter jeweils Zweien befindet sich eine größere, längliche Schachtel aus Packpapier. Wiederum zwei dieser länglichen Schachteln geben eine größere, quadratische Schachtel frei und je zwei dieser quadratischen Schachteln öffnen sich zu einer großen Schachtel, die über die komplette Buchhöhe geht. Wer mitgerechnet hat, kommt so auf insgesamt 30 Fächer bei der kleineren Mappe.
Damit bin ich aber noch nicht fertig. Vor und hinter den beidseitigen Schachteleinheiten sind zusätzlich je 3 doppelt gefaltete Seiten eingebunden, die vorne geschlossen, aber oben und unten offen sind. Da hinein kann man nach Art der chinesischen Minderheiten Bänder oder längere gewebte oder bestickte Handarbeiten einschieben, die dann oben und unten aus dem Behälter herausgucken.
Ich bin gespannt, was Ruth schreibt, wenn sie meine modernen Versionen des Zhen Xian Bao sieht.
Mir hat das Durchdenken und Falten nach ihrer Anleitung jedenfalls großen Spaß gemacht.
Wer von euch neugierig geworden ist und sich die Anleitung(en) bestellen will, fragt am besten per eMail in englisch bei
Ruth Smith an, ob sie noch Exemplare von „Folded Secrets“ vorrätig hat. Bisher wurden 4 Hefte herausgegeben mit Beschreibungen für Mappen in unterschiedlichen Ausführungen, Minibooks, Karten und Geschenkdosen.
Meine Mappen landen jetzt erst mal bei den anderen Buchbindereien im Regal. Wenn ich alt bin, werde ich sicher auch so stolz darauf sein wie die traditionellen Chinesinnen auf ihre reich bemalten Exemplare, die für mich heute so viel begehrenswerter sind als meine eigenen.