Eigentlich wollte ich zu diesem Beitrag einen langen Bericht schreiben. Ich wollte von meinem Besuch bei Michaelas „Muster-Mittwoch live“ im Februar berichten, auf den ich mich gut vorbereitet hatte, aber dann kam alles anders. Ich wollte euch von meinen selbst entworfenen Fischstempeln erzählen, die mir nicht gefallen, weil sie mich an Zigarren, Zeppeline, Raketen oder Kinderkritzeleien erinnern. Ich wollte das Nachmachen verteidigen, auch wenn es in letzter Zeit geradezu verpönt ist, einen fremden Stil zu kopieren. Ich wollte euch deutlich machen, dass immer in der eigenen Soße zu dümpeln auch irgendwann keine Herausforderung mehr ist, und behaupte kühn, dass in manch nachgemachtem Projekt mehr Grips steckt, als in etwas selbst Erdachtem, das sich an momentaner Lust und vorhandenem Können orientiert.
Michaelas Studio in Bergisch Gladbach |
Das Kopieren von Meisterwerken mit dem Ziel, die jeweiligen Maltechniken zu erlernen, war schon in der frühen Renaissance gängige Praxis unter den Schülern der großen Maler, allerdings erforderte das Nachempfinden von Farben, Stimmung und Pinselstrich jahrelange Geduld und Geschicklichkeit.
Wenn wir als Kleinkind nicht eifrig nachgemacht hätten, was andere uns vorgelebt haben, was wäre dann aus uns geworden? Erwachsenen ist es kaum bewusst, wie sehr sie von Eltern und Umfeld geprägt sind.
Entwicklung baut auf bestehenden Grundlagen auf. Wir lernten schreiben, ohne selbst die Schrift erfunden zu haben. Wir bedienen Geräte, ohne sie selbst gebaut zu haben. Und wir wenden Techniken an, die aus fremden Köpfen stammen.
„Man muss das Rad nicht neu erfinden“ sagte mein Chef in der Werbeabteilung und gab mir damit die Erlaubnis, nachzumachen was gerade im Trend lag. Auf Teufel komm raus innovativ sein zu wollen kann gründlich daneben gehen und für Experimente und Niederlagen ist in meinem Leben kaum Platz.
Japanische Buchbindung ist keine Erfindung von mir, die Fischstempel sind es auch nicht und blau ist sowieso nicht meine Lieblingsfarbe. Aber diese kleinen Alben in Michaelas Buch gefielen mir sehr und weil sie so brav daherkommen und jeder sie mag, wollte ich mich auch einmal daran versuchen.
Ich besorgte blaues Umschlagpapier und passendes Buchbinderleinen, berechnete die bestmögliche Albumgröße in Bezug auf Verschnitt der Einlagepapiere und googelte nach Mustern für die Bindung. Ich berechnete die Endgrößen der Fischstempel, um einen harmonischen Rapport auf jeden Deckel meiner drei Journale drucken zu können und fertigte ein paar Probemuster an. Ich testete meine Lochwerkzeuge und entschied mich für die Zange von 1950, denn die Löcher der Crop-a-dile waren mir nicht fein genug. Als ich das Lochen der sechs Deckel mit Hilfe von vorbereiteten Schablonen, reichlich Muskelkraft und kleinen Tricks hinter mir hatte, war der Rest schnell erledigt und ich sehr zufrieden mit meinen nachgemachten Alben.
Warum es dann so lange gedauert hat, bis ich hier wieder etwas zeige? Nun, zeitweise wurde ich abgehalten von Dingen, die kein Mensch braucht, und dann wieder wollte ich Raumklima-Erwärmung mittels Inbetriebnahme meiner elektrischen Schreib- und Veröffentlichungs-Maschine vermeiden. Schon seit Susannes Asien-Monat lagen diese Fischbücher mit der japanischen Bindung bei mir auf Halde. Was für ein Glück, dass es bei der Papierliebe nun ums „Ozeaneum“ geht und ich meine Werke trotzdem noch bei ihr verlinken kann.