Alte Druckereien ziehen mich magisch an. Einmal gegautscht (nach Abschluss meiner Ausbildung traditionsgemäß zum Jünger Gutenbergs getauft) und für immer gezeichnet, spüre ich eine tiefe Verbundenheit mit Druckerfarbe, Rakel, Bleisatz, Holzbuchstaben und dem ganzen Drum und Dran.
Im Gutenbergmuseum Mainz war ich schon so einige Male und habe davon berichtet. Der angeschlossene Druckladen, eine museumspädagogische Werkstatt, hat mich natürlich ganz besonders fasziniert. Seit ein paar Jahren lauerte ich bereits auf den richtigen Kurs zur richtigen Zeit und kurz vor Lockdown Nummero Zwo schlug meine Stunde (öhm, mein Wochenende).
„Nur Makulatur? Die unfreiwillige Schönheit des Scheiterns“ klang verlockend. Es sollte um kreatives Schreiben und Drucken gehen. Mir ging es vor allem darum, all die schönen Schränke voller Buchstaben, die Farben und die Druckmaschinen benutzen zu dürfen.
Fast täglich stolpern wir über Druckfehler, Versprecher, Verleser und digitale Wort-Fehlkorrekturen. Im Druckladen haben wir solche Stolpersteine bei Rundumtexten, Gedankenranken und Schreibimpulsen provoziert. Ein Beispiel:
Wir schreiben intuitiv einen kurzen Text mit der Überschrift „Am Tag, an dem das __ (Buchstabe eigener Wahl einsetzen) verschwand.“ Das __ sollte dann natürlich in diesem Text ausgelassen werden. Was ich vorher nicht ahnte war, dass wir die Geschichte dann auch vorlesen mussten. Dabei haben wir uns natürlich fast die Zunge abgebrochen und es gab eine Menge Gelächter.
Anderes Beispiel: Jeder schreibt auf sein leeres Blatt ein Wort, das den Beginn einer Geschichte darstellt. Dann stehen alle auf, gehen zum linken Nachbarn und schreiben auf dessen Blatt 2 Worte, weiter nach links auf das Blatt des nächsten kommen 3 Worte, bis am Ende jeder wieder auf seinem Platz ist und eine Geschichte vor sich hat, die natürlich völlig anders verlaufen ist als geplant. Geistiger Dünnpfiff, aber lustig.
Für mich waren diese literarischen Spielereien völlig neu, spannend und verblüffend. Aber so interessant der Einstieg in diese für mich völlig neue Welt der Literaten auch war, ich freute mich immer, wenn es ans Drucken ging. Praktische Arbeit ist eher mein Element als schöngeistiges Fabulieren.
Wir suchten uns aus unseren Rundum-Texten ein Wort aus, um es mit Holzlettern und Abstandskeilen auf der „Nudel“ (Zylinderandruckpresse) zu drucken. Ich walzte auf dem Lithostein die Farbe aus, bis es schmatzte, färbte meine Lettern mit Bedacht, legte ein Blatt auf und zog den Wagen darüber. Jippie!! Aus UNART wurde UNRAT und UNARTig und leider wurde ich ausgebremst, als ich gerade so richtig in Fahrt kam.
Das Programm von Gisela und Gundela hätte für 1 Woche gereicht, die Zeit rannte dahin. Wir sollten einen Motivationssatz finden, den wir so abkürzen, dass andere ihn nicht auf Anhieb erfassen können. So etwas wie “VO NI KO NI“, was der geübte Querdenker gleich als „Von nichts kommt nichts“ identifiziert. Leider war mein Hirn wie leergefegt und es gelang mir nicht, etwas Zufriedenstellendes zu ersinnen. Gundela meinte später: „Der Text ist der Chef“ und erklärte einleuchtend, warum das so ist. Daraus ergab sich die Grundlage für mein nächstes Blatt.
Wir haben an diesem Wochenende noch eine ganze Menge anderer Versuche unternommen, kreativ zu scheitern. Viel Mühe musste ich mir nicht geben, in die aufgestellten Fettnäpfchen zu fallen. Die Monotypie nach Art des Glasscheibendrucks (siehe Adventpostkunst 2020) haben wir auf Lithosteinen umgesetzt. Hervorragend! Nur ging das mit der Spiegelschrift gleich beim ersten Versuch gewaltig in die Hose. Auf meinem Papier stand stolz in großen Buchstaben zu lesen „Ebelgarb“.
Jou! War lustig. Und seltsam, der einzige Nicht-Poeten im Kurs zu sein, der das Ziel erreicht hat, sich ordentlich zu verhaspeln.