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Samstag, 19. Oktober 2024

Buchrezension: PAPIERE schöpfen & gestalten

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Plötzlich lag es im Briefkasten – ich hatte kaum noch daran gedacht. Jubel!! „PAPIERE schöpfen & gestalten“ aus dem Haupt Verlag ist da!! Obwohl ich die Grundlagen der Technik kenne, kam der Impuls gerade zur rechten Zeit und ich war neugierig, was Eva Hauck und Dorina Tessmann in ihrem Buch alles zeigen.




Gelesen war das Werk recht schnell (mit Heißhunger und Wissensdurst), die Umsetzung meiner zahlreichen Ideen lief dann aber nicht ganz so flott und um es gleich vorweg zu sagen: das letzte Foto muss ich euch schuldig bleiben. Meine Schale aus Papiermaché trocknet noch immer verträumt vor sich hin. Dazu aber später mehr.

Den Beitrag zum neu erschienenen Buch könnte ich mir diesmal einfach machen. Es gibt echt nichts zu meckern, obwohl ich ansonsten immer sehr kritisch bin in meinen Rezensionen.

Das Thema ist wunderbar übersichtlich gegliedert, sachlich und umfassend beschrieben und schnell verständlich für Anfänger und Ungeduldige wie mich. Es finden sich jede Menge Anregungen auch für Fortgeschrittene (Pulpe aus Pflanzenfasern ... ooooh, muss ich unbedingt noch machen!!!). Das Layout ist klar mit zahlreichen Abbildungen zum Arbeitsablauf.

Das viel diskutierte kleinere Format beim Haupt Verlag finde ich sehr handlich. Zum Blättern und Nachschlagen während der Arbeit ist es genial. Die Fadenheftung gibt dem Buch genügend Halt, auch wenn man den Rücken flach drückt, damit die Seiten offen liegen bleiben. Der Buchumschlag ist schmutzabweisend und weitgehend resistent gegen Wasserspritzer.

Sämtliche Arbeitsgeräte und sogar Fertigpulpe ist für die ganz Bequemen im Bastelladen um die Ecke oder per Onlinebestellung erhältlich. Viel mehr Spaß und Erfolgserlebnis bringt es jedoch, wenn man sich an die Anleitung im Buch hält. Eva Hauck und Dorina Tessmann beschreiben genau, wie auf einfache Art ein Schöpfrahmen und eine Presse gebaut werden, wie man kostenlosen Faserstoff gewinnt und was ansonsten noch fürs Papierschöpfen benötigt wird.

Schritt für Schritt wird das Schöpfen, Gautschen, Pressen und Trocknen vermittelt. Auch auf verschiedenste Ausgangsmaterialien, Färben und Imprägnieren sowie Verändern durch Einschlüsse und Prägen wird eingegangen.


Mein Album mit selbstgeschöpften Papieren von 1984


Für den Stern (Reihe 4, ganz rechts) habe ich damals beim Schöpfen 2 verschiedene Pulpen mithilfe eines Backförmchens getrennt.




 
Meine Erfahrungen im Papierschöpfen reichen zurück bis ins Jahr 1984, als ich die ersten Versuche in der hiesigen Volkshochschule unternahm. Wir bauten uns damals unsere eigenen Schöpfrahmen mit Gummiprofil und verwendeten „pürierte“ Eierkartons und eingeweichte, alte Zeitungen.

Seitdem hat sich in der großen, weiten Kreativwelt sehr viel getan, das Schöpfen von Papier aus selbst gemachter Pulpe läuft aber immer noch so ab, wie ich es von damals kenne.

Faserbrei aus kleingerissenen Kartons von Eiern aus Freilandhaltung (grün), Bio-Eiern (weißgrau) und Bodenhaltung (grüngelb)






Schon seit Monaten hatte ich verschiedenfarbige Eierkartons gesammelt. Nun hätte das Wetter nicht besser sein können, um mich auf der Terrasse auszubreiten. Ich legte einfach los, ohne mir Gedanken über Wasserpfützen und Pulpenspritzer machen zu müssen. Mit dem Buch in der Hand hatte ich eine gute Richtschnur für mein Vorgehen. Einschlüsse, Strukturen, Prägen … alles kein Problem.







Merkwürdig wurde es, als ich versuchte, die grüne Eierkarton-Pulpe mit Lebensmittelfarben einzufärben. Erst vorsichtig mit ein paar Tropfen, dann mit einem guten Schwups und zuletzt mit dem ganzen Inhalt des Fläschchens. Nichts ging. Hm … seltsam. Lag es am Gelb, das zu wenig Pigmente enthielt, um sich gegen das Grün zu behaupten? Lag es an den Fasern, die möglicherweise vorbehandelt waren, um resistent gegen Schmutz und Eiweiß zu sein? Ich versuchte es mit Rot. Wieder keine Veränderung sichtbar. Zum Schluss kippte ich gleichermaßen frustriert und beherzt die volle Pulle Grün in die Pulpe, aber auch das ergab keine Reaktion. Die Pulpe sah aus wie zuvor. Selbst nach dem Trocknen war kein Unterschied zu den vom Hersteller gefärbten Kartons erkennbar. Mist. – Fazit: Lebensmittelfarbe ist für das Färben von (farbigen?) Eierkartons völlig ungeeignet!!! Zumindest diese Sorte, die ich bei Penny gekauft hatte.

Lebensmittelfarbe, die Eierkartons nicht färbt

Weiße Fertigpulpe gibt es in Flocken und zu Platten gepresst. (Meine ist von Søstrene Grene.)

Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen. Da war ja noch der gelbe Eierkarton und das gekaufte Fasermaterial. Um eine kleine Palette farblich abgestufter Papiere schöpfen zu können, mischte ich händchenweise Portionen vom grünen Faserbrei unter die weiße bzw. gelbe Pulpe und schöpfte auf diese Weise Blätter nach meinen Vorstellungen. Das funktionierte sehr gut.

Abmischungen weiß zu grün


Abmischungen gelb zu grün


Eine alte JEANS in Fetzen zerschnitten, zu Brei gehäckselt und geschöpft (z.T. mit Zwiebelschalen)



Pulpengemisch mit Jeansfasern





Was macht man jetzt mit all diesen wunderbaren Papieren? Das Buch bietet interessante Vorschläge, z.B. für Tüten, Dekorationsobjekte, Buchdeckel und Collagen. Über die Gestaltung schöner Grußkarten könnte man nachdenken. (Die im Buch sind mir zu simpel. – Ätsch!! Doch noch was zu meckern gefunden!) Objekte aus Pulpe und Papiermaché schließen sich an: Kerzenhalter, Schachfiguren und eine Schale.

Schriftproben auf Eierkarton. Tusche und Tinte bluten nicht aus. Imprägnieren ist hier unnötig.



Stichwort Schale … da wollte ich schlauer sein als Eva und Dorina und dachte, ich lasse die Vaseline weg, damit mein Endprodukt so sauber bleibt wie die geschöpften Blätter. Eine Woche trocknete die Schale aus den zusammengegossenen Pulperesten vor sich hin, bis sie äußerlich so aussah, als könnte ich sie leicht von der Glasschüssel abnehmen. Pustekuchen! Ich knibbelte mit spitzen Fingern vorsichtig am Rand entlang, aber die Masse haftete so fest am Untergrund, dass sie bald hier und bald dort abbrach. Nix zu machen. Mir blieb nur übrig, das komplette Teil noch einmal für ein paar Stündchen unter Wasser zu setzen, die aufgeweichte Pulpe erneut zu verquirlen, durch ein altes Tuch zu drücken und den Abdruck ein zweites Mal zu nehmen. Diesmal hielt ich mich zwar an die Anleitung im Buch, kann euch aber noch keinen Erfolg bestätigen. Oberflächlich sieht die Schale trocken aus, aber im Innern hält sich noch so viel Feuchtigkeit, dass ich befürchte, auch den nächsten Kampf gegen die Klebkraft zu verlieren, wenn ich nicht geduldig abwarte.

Versuch Nummer 1, schon ringsum abgebröckelt





Die Galerie am Schluss des Buches zeigt Sahnestückchen, für die man Erfahrung und Geduld braucht, um sie nachzuarbeiten. Wie ein Donnerschlag traf es mich plötzlich bei Anblick der aller-aller-letzten Abbildung. Tabea ist vertreten mit ihrem Regenbogenbuch. Yeah!! Das will ich auch!!




Da meine Versuche mit Lebensmittelfarben ein völliger Flopp waren (siehe oben), nahm ich meine mit den Fasern diverser Eierkartons und Fertigpulpe nach System gemischten Papiere für eine Grün-Version des Regenbogen-Meisterstücks.






Die Bindung meines Buches ist eine Abwandlung von Maikes Anleitung im Video zum gewebten Kettstich für Kristinas Atelierhaus. Statt dicker Lagen habe ich Einzelblätter mit versetzter Lochung eingebunden und dabei tschechisches (sehr dünnes) Stickgarn in Farben verwendet, die möglichst mit denen der geschöpften Papierbogen korrespondieren. Cool, oder?

Fadenbindung hält das Buch in Form




So, nun ist diese Buchrezension zu „PAPIERE schöpfen & gestalten“ von Eva Hauck und Dorina Tessmann schon fast etwas zu lang geworden. Danke, dass ihr trotzdem durchgehalten habt.

Zum Blättern gibt es hier noch einen aufschlussreichen Blick ins Buch. 

Ich bedanke mich beim Haupt Verlag sehr herzlich für die Zusendung und auch, weil er immer wieder solche tollen Titel herausbringt, über die ich schon etliche Rezensionen schreiben durfte.

Letzter Wink mit dem Zaunpfahl: Papiere kann man auch im Winter schöpfen und … Weihnachten kommt immer so plötzlich … 😉

Bleibt neugierig

ela

Sonntag, 19. Mai 2024

Kunst, Buch, Künstlerbuch von Petra Paffenholz – mehr als nur eine Buchrezension

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Fangen wir mal so an: Anfang April fuhr ich zum ersten Mal anlässlich der BuchDruckKunst nach Hamburg. Dort findet im Museum der Arbeit alljährlich eine exquisite Messe mit gut 60 Ausstellern statt. Erlesene Buchbindereien, Künstlerbücher, Unikate, Handdrucke, Lithografien, Radierungen und Buchdruck-Kunst aus traditionellen sowie neuen Druckverfahren, Malerbücher, Papier-Objekte und vieles mehr wird zum Kauf angeboten. Zeitgleich demonstrieren Papiermacher, Schriftgießer, Setzer, Drucker und Buchbinder an alten Maschinen ihr Handwerk.




Ich sah hier preisgekrönte Meisterwerke im Original, die ich bisher nur von eher sterilen, digital aufgehübschten Abbildungen in Fachzeitschriften oder dem Internet kenne. Solche Fotos haben mich nie sonderlich berührt. Ganz anders war es nun live vor Ort. Ich begriff endlich, welche Ausstrahlung von diesen Arbeiten ausgeht, sah das akkurat gearbeitete Kunsthandwerk, die Harmonie von Form, Gestaltung und Material. Feinstes Leder, Goldschnitt, erlesenste Papiere. Ich erkannte, welche Präzision und handwerkliches Können in jedem dieser Werke steckt und warum man hier nur mit dem Auge schaut oder sich allenfalls zur näheren Begutachtung respektvoll mit weißen Baumwollhandschuhen schützt.

Es lagen Werte vor mir, bei deren Anblick ich unwillkürlich ein bisschen flacher atmete, um ja keine Spuren an den makellosen Objekten zu hinterlassen – im wahrsten Sinne atemberaubend! Ein kleines Buch im Schuber, vielleicht gerade einmal 3 x 5 cm, hätte ich gerne den Tag über mit durch Hamburg und dann nach Hause getragen, aber 800 EUR sollte es kosten.

Das durchweg hohe Niveau der Aussteller hatte ich bisher noch nirgends gleichzeitig in solch großer Anzahl gesehen. Ein bisschen bunter, enger, quirliger, volksnäher, erschwinglicher und wohl genauso ideenreich geht es auf der Minipressen-Messe in Mainz zu, die aber leider nur alle zwei Jahre stattfindet.




Schon vor Jahren habe ich im Ausland dicke Bildbände mit Abbildungen von allerlei außergewöhnlichen Künstlerbüchern gekauft. Es hat mich immer gestört, dass die meisten Arbeiten darin aus nur einer Perspektive zu sehen sind und man kaum nachvollziehen kann, auf welche Art und mit welchen Materialien sie angefertigt wurden. Das Fehlen der haptischen Wahrnehmung ist ein großes Manko.

Ähnlich stellte ich mir nun auch das neue Buch von Petra PaffenholzKunst, Buch, Künstlerbuch“ vor, bis es mir vom Haupt Verlag zur Rezension überlassen wurde. Die Autorin ist allerdings ganz anders vorgegangen. Sie arbeitet das Thema auf ihre Weise auf, stellt Fragen in den Raum und antwortet mit der Geschichte des Künstlerbuchs. Sie regt dazu an, die Planung eines Buchprojektes neu zu überdenken und zu verändern, Volumen, Ränder, Rücken, Äußeres und Inneres umzugestalten, in Form, Material und Konzeption die üblichen Pfade zu verlassen. Anhand einer Menge von Beispielen großer, bekannter und (mir) völlig unbekannter Künstler zeigt sie die Vielfältigkeit des Machbaren auf, die ebenso zahlreich ist wie in jeder anderen Kunstform. Aber „was ist das Minimum an Buch, das ein Buch zu einem Buch macht?“

Petra Paffenholz überlässt die Antwort wiederum dem Leser und leitet geschickt über in den praktischen Teil. Auf einen kurzen Abriss zu nützlichen Werkzeugen folgen knappe, präzise und leicht verständliche Zeichnungen verschiedener Arten von Bindung sowie Schnitt- und Faltvorschläge.



Bei Instagram hatte ich in KW 12 zum „Jahr der Briefmarke“ die Schnurwurftechnik gezeigt. Durch die Stille Post war sie zu mir gekommen und hatte sich naturgemäß verändert. Endlich sehe ich, wie Petra Paffenholz ihre Idee selbst interpretiert.





„Es geht nichts über eine selbst gemachte Erfahrung!“ – so lautet das Kapitel, in dem Maße nicht vorgegeben werden, um dem Gestalter die volle Freiheit zu lassen, „das weite Feld selber zu beackern.“ Kunst vollendet sich im Auge des Betrachters und dieses Buch vollendet sich erst durch aktive Beteiligung seines Besitzers.

Mein Buch in der Zigarrenkiste hat eine andere Bindung als von Petra Paffenholz vorgeschlagen wird. Die Scharniere so anzubringen, wie ich es gemacht habe, ist eine wackelige Angelegenheit und tatsächlich nicht nachahmenswert.







Eine Fülle von fertigen Buchbeispielen schließt sich an: Skizzen- und Sudelbücher, Junk Journals, Kunstorakel, Eselsohr, Sprachverwirrung und Küchentuch. Da Petra Paffenholz an der Freien Kunstakademie Augsburg als Dozentin tätig war, zeigt sie etliche Arbeiten der Studierenden. Immer sind neben Urhebern und Titeln auch Impulse für eigenes Tun angegeben. Durch das komplette Buch ziehen sich zahlreiche Hinweise für alle, die sich vertiefen wollen. Ein ausführlicher Anhang mit Namen und Internet-Adressen, nach denen sich online weiter recherchieren lässt, beendet das Buch.







Mein ganz persönlicher und sicherlich nicht unanfechtbarer Kritikpunkt bezieht sich auf die zarte Typografie, die zudem in einem zwar recht edlen Grauton gedruckt wurde, mir aber bei gemütlicher Wohnzimmerbeleuchtung erhebliche Leseschwierigkeiten bereitete. Wahrscheinlich liegt das am Alter oder der Brille. Denkt öfter mal an die Rentner!  😎

Kunst, Buch, Künstlerbuch von Petra Paffenholz wurde mir freundlicherweise vom Haupt Verlag zur Rezension überlassen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinem Lieblingsverlag. Sogar die Neuheiten für Herbst 2024 sind schon online.

Ich wünsche allen viel Entdeckerfreude. Bleibt neugierig.

ela






Dienstag, 6. Juni 2023

Wilde Fasern, Alice Fox – (nicht nur) eine Buchrezension

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Kennt ihr die Arbeiten von Alice Fox? Habt ihr schon ihre geflochtenen Zöpfe aus Narzissenblättern  gesehen oder ihre Webereien in Kastanienschalen, ihre genähten Behälter aus Blättern von Sträuchern und Bäumen oder ihre koptisch gebundenen Bücher im Schlamm-Mantel? Schaut euch das unbedingt einmal an. Ihr werdet staunen!

Wilde Fasern - Textile Objekte aus lokalen Naturmaterialien“ ist vor Kurzem im Haupt Verlag als großformatiger Bildband erschienen. Das Buch zeigt in schönen, klaren Fotos einen Querschnitt aus den fantastischen Arbeiten von Alice Fox und – jubel! – erklärt auch, was nötig ist, um selber solche Dinge anzufertigen.





Das Grundmaterial wächst oft kostenlos am Wegesrand. Wer im jahreszeitlichen Rhythmus sammelt, was die Natur uns schenkt, kann selbst im Winter mit Faserpflanzen arbeiten.

Ein Korb, hergestellt aus Bündeln getrockneter Gräser oder aus alten Zeitungen, verflochten mit Brombeerseilen, ist nicht nur schön, sondern auch nützlich. Erinnerungsstücke von ganz besonderem Wert kann man aus Fundstücken vom Strandurlaub oder Waldspaziergang herstellen, wenn man sie gleich vor Ort verdrillt und verzwirbelt. Ich denke an die Kugeln aus Seetang, Moosen und Farnen, wie sie auf dem Buchtitel zu sehen sind, und an Reste von schrillbunten Fischernetzen und Plastikseilen, die Alice nicht unerwähnt lässt.




Bevor ich Bücher rezensiere, lese ich sie gründlich von der ersten bis zur letzten Seite und fertige Arbeitsproben an. Als dieses Buch im März erschien, dauerte es noch eine Weile, bis die Natur mein Bastelmaterial großgezogen hatte. Ich erntete Löwenzahn, als die Stiele ca. 35 – 40 cm hoch waren, und hängte sie für gut zwei Wochen zum Trocknen in der Garage auf. Dann begann ich zu flechten und zu weben. Ich war erstaunt, wie geschmeidig und reißfest die Stiele in diesem noch immer halb feuchten Zustand waren. Dünne Kordeln ließen sich problemlos drehen, breite Zöpfe aus mehreren Stängeln wurden mit etwas Geschick wunderschön, seidig glänzend und prall. Zu trockenes Material legte ich für eine Stunde ins Wasser und hatte dann wieder, was ich brauchte. Durch das Wässern veränderte sich die Farbe der Halme von Grün zu Braun. Die fertigen Zöpfe trockneten nach einiger Zeit vollständig aus. Mit dem Entweichen der Feuchtigkeit wurden die Fasern dünner und das Geflecht zarter und brüchiger. Aber nicht jede Faser reagiert wie Löwenzahn.




Im rechten Bild sind die Löwenzahnstängel nach der Verarbeitung weiter ausgetrocknet.



 
Im Buch findet ihr Anleitungen zum Sammeln und Aufbereiten von einer Vielzahl an Pflanzen, deren unterschiedliche Eigenschaften verschiedene Verwendungszwecke nahe legen. Alice Fox erklärt speziell auch Anbau, Ernte, Fasergewinnung und Verarbeitung von Flachs und Brennnesseln, die sie auf ihrer eigenen Gartenparzelle heranzieht. Es gedeiht dort eine „leicht krawallige Mischung“ (Zitat) aus gesäten, gepflanzten oder sich selbst vermehrten Gewächsen.



Wildpflanzen wie die Zaunwinde mutieren nach Alices Vorbildern vom Unkraut zum Rohstofflieferanten für flächig vernähte oder dreidimensionale Körper. Kulturpflanzen wie Narzissen-, Maiskolben-, Schwertlilienblätter, Brombeere, Himbeere, Rhabarber, Meerrettich und Binse werden zu Objekten, deren Ursprung dem Unwissenden Rätsel aufgibt.

Auch Schalen und Gehäuse, Fundstücke wie Steine, Muscheln, Knochen, Hölzer und gebrauchtes Papier oder Plastik erfährt unter den Händen von Alice Fox ein künstlerisch aufgewertetes, neues Leben.








Leider habe ich (wie so oft) auch an diesem Buch etwas zu kritisieren: derzeit gewaltig überstrapazierte Begriffe wie „ökologischer Fußabdruck“, „Nachhaltigkeit“, „die Auswirkungen unserer Lebensführung überdenken“, „lokale Dinge bekannter Herkunft verwenden“ oder dieses >Gender:innen< überfallen den Leser gleich zu Beginn des Buches und ziehen sich über etliche Seiten dahin. Seit bekannt wurde, dass Klimakleber per Stellenanzeige gesucht und für ihre Aktionen bezahlt werden, reagiere ich auf solcherlei Parolen noch genervter als vorher. Der Grundgedanke von Alice ist nicht verkehrt, allerdings bin ich die falsche Zielgruppe, wenn es darum geht, den Leser zu besseren Menschen zu machen. Statt ausgedehnter Belehrungen würde ich gerne mehr, mehr, mehr dieser wunderschönen, skulpturalen Objekte sehen.




Meine Freude am Buch wird das nicht schmälern. Neben dem Augenschmaus, den man mit „Wilde Fasern“ zweifellos in Händen hält, erlangt man Kenntnisse, die Alice über viele Jahre erworben hat. Sie zeigt uns beispielhaft, wie sie arbeitet und welche Möglichkeiten sich daraus ergeben. Sie skizziert den Entstehungsprozess ihrer Werkstücke von der Inspiration zum fertigen Produkt und regt zu eigenen Experimenten an – zu Beschäftigung mit Material aus heimischen Gefilden, kostenlos zu finden, das nur die Hingabe und das Wissen braucht, seine Schönheit zu erkennen, um Einzigartiges zu gestalten.










Da mir das Buch Wilde Fasern von Alice Fox freundlicherweise für eine Rezension zur Verfügung gestellt wurde, ist mein Bericht als „Werbung“ gekennzeichnet. Der Haupt Verlag hat selbst auch einen sehr schönen weiteren Blick ins Buch zum Blättern bereitgestellt.

Wer Papier aus Naturfasern schöpfen möchte, braucht ein anderes Buch.

Die Vorschau auf das Haupt Verlagsprogramm 2023 mit den Neuerscheinungen für Herbst ist jetzt schon online.

Keinerlei künstliche Intelligenz wie z.B. Chat GPT wurde für diesen Blogbeitrag bemüht, sondern ausschließlich ein paar noch rudimentär vorhandene menschliche Gehirnzellen. Falls diese an der einen oder anderen Stelle versagt haben sollten, bitte ich um Milde und Mitteilung zwecks Änderung.