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Dienstag, 11. April 2023

Horrorvision und Buchrezension – "Papier trifft Faden" von Anka Brüggemann

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 Wir haben uns verkalkuliert! 


Im Jahr 1900 stellte man sich vor, wir flögen heute alle mit fliegenden Untertassen oder Raketenrucksäcken  durch die Lüfte, während Roboter die Hausarbeit machen und warmes Essen auf Knopfdruck servieren. Bücher würden durch den Wolf gedreht, in akustische Signale umgewandelt und uns eingetrichtert - so ersann man das Hörbuch vor 100 Jahren




1972 war man schon ein Stückchen realistischer. Dank des Club of Rome und seinem Bericht zur Lage der Menschheit wusste man bereits, dass Bevölkerungswachstum, verbrauchte Ressourcen, Chemieeinsatz in der Landwirtschaft, Wasserverschmutzung und zunehmender Verkehr zu einer Bedrohung werden. Beängstigend stellten Filmemacher die ferne Zukunft dar. Ich erinnere mich als alter Papier- und Buchliebhaber an ein paar üble Szenarien:

Fahrenheit 451 (nach der angenommenen Selbstentzündungstemperatur von Papier, 1953)
In der Stadt der Zukunft gilt selbstständiges Denken als gefährlich und Bücher sind verboten. Sie aufzuspüren, zu verbrennen und Staatsfeinde zu töten ist die Aufgabe der Feuerwehr.
Hauptdarsteller Guy ist einer dieser Feuerwehrmänner, der zunächst scheinbar kritiklos in diesem System funktioniert, heimlich jedoch einige gestohlene Bücher in seinem Haus versteckt. Mit Hilfe eines pensionierten Literaturprofessors flieht er in die Wälder außerhalb der Stadt und schließt sich einem geheimen Bund von „Büchermenschen“ an, die dort, von den Medien totgeschwiegen, das gedruckte Wissen für die Nachwelt retten wollen, indem sie es auswendig lernen.

… Jahr 2022 … die überleben wollen (Originaltitel Soylent Green, 1973)
Im Jahr 2022 hat der Mensch seine natürlichen Lebensgrundlagen fast vollständig zerstört. Überbevölkerung in den Metropolen, Wassermangel, fehlende Nahrung und Wohnraum beherrschen den Alltag. Lediglich einige Politiker und reiche Bürger können sich sauberes Trinkwasser und natürliche Lebensmittel zu horrenden Preisen leisten.
Inmitten dieses Chaos führen der Polizist Robert Thorn und sein älterer Mitbewohner Sol ein trostloses Dasein. Sol kennt noch die Welt mit Tieren und richtiger Nahrung: Gemüse und Fleisch statt des künstlich hergestellten Soylent Green, welches angeblich aus Plankton bestehen soll. Das triste Leben der Beiden findet allein Auflockerung durch Dinge, die Thorn immer wieder aus den Wohnungen reicher Leute mitgehen lässt. Als er zwei Bände ozeanographischer Berichte mit nach Hause bringt, lässt Sol sie untersuchen und bekommt die Bestätigung seines fürchterlichen Verdachts. Bald erfahren es alle: Soylent Green ist Menschenfleisch!

The Book of Eli (postapokalyptischer Actionfilm, 2010 in deutschen Kinos) 
Im Jahr 2044, viele Jahre nach dem „Großen Krieg“, der die Erde völlig verwüstet hat, ist Eli alleine unterwegs durch Ruinen einer zerfallenen Stadt, in der das Gesetz des Stärkeren herrscht. Er trägt eine seltene Bibel mit sich, die er mit seinem Leben beschützt. Eine Truppe von Schlägern bringt das wertvolle Buch an sich und stellt fest, dass es in Blindenschrift geschrieben ist.
Eli gelangt auf eine abgeschiedene Insel, wo eine Gruppe Überlebender nach verlorenem Wissen sucht und den Wiederaufbau einer neuen Zivilisation plant. Bedeutende literarische und musikalische Werke konnten sie bereits sicherstellen. Eli, der den Inhalt seiner Bibel über viele Jahre hinweg auswendig gelernt hat, diktiert ihnen den Text Wort für Wort, bevor er an den Folgen seiner Schussverletzung stirbt. Die Menschen auf der Insel beginnen, mit einer alten Buchdruckmaschine die neue Bibel zu drucken, von der schließlich ein Exemplar zwischen Tora, Tanach und Koran ins Bücherregal gestellt wird.

Abbildung eines Tanach aus Wikipedia











 Zurück ins Hier und Jetzt 


Solche Tage bleiben hoffentlich reine Fiktion. Ich habe hier ein schönes Buch vor der Nase, über das ich viel Gutes berichten kann und euch hoffentlich wieder in die heile Welt zurückhole. Anka Brüggemann, wohlbekannt auch unter dem Namen Bookogami, hat es geschrieben. Der Haupt Verlag sandte es mir zur Rezension zu. GANZ HERZLICHEN DANK dafür !!!




Was gleich auffällt ist das neue Format. Anka hat bereits drei Bücher im Haupt Verlag Gestalten herausgebracht – allesamt große, aber auch entsprechend schwere Bildbände. Nun erscheint plötzlich ein Softcover mit Fadenheftung, das von der Reihe abweicht. Der stolze Follower, der die Bücher seines „Stars“ hin und wieder liebevoll streichelt, muss wohl erst einmal einen kleinen Schreck überwinden.

Grund für die Änderung sind die Zeichen der Zeit, an denen auch große Buchverlage nicht vorbei kommen. Über Papiermangel, Lieferengpässe, fehlende Rohstoffe wie Holz, Zellstoffe und Altpapier, steigende Preise und die daraus folgenden Schwierigkeiten für Druckereien und Buchhandel ist viel geschrieben worden. Nun sind die Auswirkungen bei uns zu Hause angekommen.

Neu ist dieses Format im Haupt Verlag ja nicht und ich weiß es durchaus zu schätzen, dass ich das Buch bequem in Bus, Bahn und Bett lesen kann, ohne mir die Figur zu verbiegen.

Alles dreht sich in „Papier trifft Faden“ um dekoratives Gestalten mit alten Buchseiten, die mithilfe von Stickerei zu etwas ganz Besonderem werden. Also, dann schlagen wir das Werk mal auf.










Nach den Grundlagen zum Material und hilfreichen Tipps für die Vorgehensweise werden die nötigen Stickstiche allesamt in Wort und Bild erklärt. Es folgen 25 raffinierte Projekte, die jeweils durch ein Nadelkissen mit 1 – 4 Nadeln für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade gekennzeichnet sind. Fotos zeigen die einzelnen Arbeitsschritte, die im Text gleich nebenan erklärt werden. Zu vielen Projekten gibt es Vorlagen in Originalgröße, die das Werkeln erleichtern.

Zweckentfremdet: aus der Anleitung für die witzigen Broschen entstand eine Grußkarte





Die Ideen zum Nacharbeiten sind vielfältig und einfallsreich. Es gibt Geschmackvolles für die Wand, als Dekoration für die Wohnung oder als kleines Mitbringsel. Geschenkpapier, Tüten mit Blüten und Schachteln mit gestickten Insekten. Grußkarten und Briefumschläge, Papierhäuser, Sterne, Laub, Blumen und Broschen. Habt ihr schon ein Lesezeichen mit Monogramm? Oder stilisierte Familienportraits, bestickte Urlaubsbilder und Papierschuhe? Wie wäre es, wenn ihr dem Foto eures Lieblingstiers einen bunten Blütenkranz verpasst? Es gibt Anregungen für Anfänger und Geübte und auch so ein anspruchsvoller, alter Fuchs wie ich findet hier einiges zum Nacharbeiten.




Über die Entstehung des Buches erzählt Anka Brüggemann im Interview beim Haupt Verlag und Issuu bietet den Blick ins Buch. Sahnehäubchen der Präsentation ist wohl der kostenlose Zoom-Workshop, in dem ein Blumenkranz gefertigt wird. Schaut doch einfach mal, ob es noch freie Plätze gibt.

Was ich dem Buch gewünscht hätte ist ein aufgeräumteres Layout. Eine geschicktere Seitengestaltung mit "Luft" an den richtigen Stellen würde dem Inhalt durchaus gerecht. Als gelernte Mediengestalterin bin ich ziemlich pingelig in solchen Dingen, die andere wohl gar nicht wahrnehmen.

Noch sind die Grusel-Szenarien aus utopischen Filmen zum Glück nur reine Fiction. Noch haben wir Bücher, in denen wir schwelgen und schmökern können, wir können sie uns leisten und sie sind nicht verboten. Auch wenn sich Druckindustrie und Verlage gezwungenermaßen dem Wandel der Zeit anpassen müssen, gibt es 2 x im Jahr eine wunderbar bereichernde Auswahl an Lektüre bei Haupt Gestalten für uns Kreative. Langt zu!

Leichtes Gepäck dank Handtaschenformat - mit Buch, Papier, Stickgarn, Nadel und Schere unterwegs.

Anka Brüggemann ist weiterhin fleißig unterwegs auf Instagram, auf ihrer Website mit Blog, Workshop-Angeboten, Gratis-Anleitungen, Geschäftsadresse (Ja! Sie hat sogar ein Ladengeschäft in der Altstadt von Quedlinburg.) und Online-Shop. Das Buch gibt es im Haupt-Verlag und in jeder Buchhandlung.

Danke fürs Lesen, fürs Schreiben, fürs Schicken, fürs Kommentieren ... DANKE für alles und bis bald!
ela


Mittwoch, 24. April 2019

Seidenpapier vs. Transparentpapier – oval geht immer


Als Susanne ihre „Papierliebe am Montag“ für April unter das Motto Seidenpapier stellte, sah ich Fragezeichen, denn von dieser Sorte fusseligem Knittergedöns hatte ich bisher nur wenig gehortet. In meiner Papiersammlung finden sich dagegen etliche schöne Transparentpapiere. Konnte ich einfach klammheimlich mein vorhandenes Transparentpapier verwenden und mein 15fünfzehn Heft trotzdem unter „Seidenpapier“ verlinken? Nein, so etwas macht man nicht! Ich bestellte also einen 20 Farben-Block Seidenpapier und überbrückte die Wartezeit zur Einstimmung mit meinen alten Transparenten.



Zum Transparentpapier zählt alles vom einfachen, billigen Butterbrotpapier mit etwa 50 g/m² bis hin zum hochwertigen Produkt mit 220 g/m², das in edlem Weiß gerne für unzählige Hochzeitskarten und Einladungen verwendet wird. Als Pergamin und Pergament verarbeiten leidenschaftliche Hobbykreative es in Pergamano-Technik zu filigranen Spitzen, die verspielte Grußkarten oder Schmuckdosen zieren. 

Transparentpapier ist in vielen Farben und auch bedruckt erhältlich, um Bastelarbeiten mit tollen Effekten zu gestalten. Es lässt sich leicht schneiden, reißen, falten, bemalen, durchstechen, prägen, lochen, nähen oder anderswie verarbeiten. Hintergründe zeichnen sich durch eine darüber liegende Lage Transparentpapier diffus ab (Mixed Media) und Licht scheint hindurch (Fensterbilder, Weihnachtssterne, Laternen und Windlichter). Da es verhältnismäßig widerstandsfähig und doch leicht ist, verwendet man es gerne beim Drachenbau. Es wird benutzt als Pauspapier zum Durchzeichnen, als Backpapier, als Zwischenblatt in Fotoalben (Spinnenpapier), als Sichtfenster in Briefumschlägen usw. usw.

Der richtige Klebstoff sollte das Papier nicht wellen und unsichtbar bleiben. Mein no-name Klebestick war dafür völlig okay.



ggrrrrrrrrrr ... ich könnte noch immer fluchen über das Verkleben von Seidenpapier, was mit meinem Klebestift reine Nervensache war – aber etwas Besseres hatte ich gerade nicht im Haus.


Das Seidenpapier wurde schnell geliefert und nach den guten Erfahrungen mit dem Transparentpapier wollte ich nun genauso locker weitermachen. ABER: mein Enthusiasmus bekam einen Dämpfer. Dieses rutschig flutschig feine Seidenzeug fügte sich einfach nicht so unter meinen Händen, wie ich wollte, schon gar nicht bei Luftzug oder im Freien.

Für exaktes Schneiden und Positionieren braucht man eine gute Portion Feingefühl und auch Toleranz, wenn das Papier nicht so will wie man selber. Da gilt es, die Schönheit in Falten, Knittern und Sägezahn-Rändern zu erkennen. Größere Teile lassen sich mehr oder weniger glatt aufkleben, aber filigrane Schnipselchen zerreißen schon beim Einkleistern schneller als man denkt und ohne Pinzette geht gar nichts. Die hauchdünne Materie in den Griff zu kriegen ist eine Herausforderung, weil sie ständig etwas anderes will als ich.

So zweifle ich, ob ich Seidenpapier bei zukünftigen Projekten noch einmal einsetze. Vorerst wird das extra angeschaffte Kontingent jedenfalls ganz unten in der Schublade eingelagert, auf das es mir so schnell nicht wieder unter die Augen kommt.



Seidenpapier ist ein Sammelbegriff für dünne Papiersorten bis max. 30 g/m², die recht transparent sein können, aber auch bedruckt und eingefärbt angeboten werden und dann fast nichts mehr durchscheinen lassen. Das Papier ist einseitig glatt und so weich und geschmeidig, dass es zum Basteln nur bedingt einsetzbar ist. Klebstoff sollte sehr sparsam aufgetragen werden.

Besonders fein macht sich Seidenpapier als Geschenkpapier, zum Verpacken von Sekt, Wein und edlen Tropfen, als Füllmaterial in Schuhkartons und Futter in Briefumschlägen. Mutter hatte Abplättmuster mit Stickvorlagen zum Aufbügeln aus Seidenpapier. Auch mehrlagiges Tissue-Papier (saugfähig, feingekreppt) für Servietten und Taschentücher zählt zu den Seidenpapieren. 

Ursprünglich wurde Seidenpapier aus Seidenkokons hergestellt. Heutiges Japanpapier mit Strukturen, Fasern und Einschlüssen (Goldflitter, Blütenblätter) hat meist ein hohes Volumen. Spezielle Japanpapiere sind für ihr Gewicht extrem weich und stark. Der natürliche Farbton und seine Reißfestigkeit im feuchten Zustand machen das Papier ideal für Reparaturen von Gemälden und Papierkonservierung. Der aufwendige Herstellungsprozess schlägt sich im Preis nieder.  

Wenzhou Papier verwende ich sehr gerne in meinen Mixed Media Arbeiten, denn es ist stabil und wird beim Aufkleben mit Gel Medium fast unsichtbar.


Durch verschiedenfarbige transparente Papiere in Lagen übereinander schöne Mischtöne zu erzeugen hat bei meinen beiden Papiersorten nicht so funktioniert, wie ich gedacht hatte. Aus z.B. Rot und Gelb ist kein Orange geworden. 

Eindeutiger Sieger meiner Versuche ist das Transparentpapier. Es lässt sich wesentlich einfacher verarbeiten als Seidenpapier und hat die strahlenderen Farben. Allerdings ist mein simples Heftchen zum Thema Oval nur ein Aspekt des kreativen Umgangs. Susanne experimentiert mit dem Schichten, Ausbluten, Bedrucken und Nähen von Seidenpapier. Ihr Fundus beinhaltet eine schönere Farbskala, die sich zu Mischfarben ergänzt.

Mano hat eine zauberhafte Schale aus Seidenpapier angefertigt.

Und nun habe ich so viel verglichen, aber noch gar nichts gesagt zu den Ovalen, Ellipsen und Eiern, die in diesem Ostermonat Thema bei Michaelas Muster Mittwoch sind. Seht euch ihre Linkparty an. Da gibt es wieder viele Beiträge rund ums Thema, bevor mit dem Monatswechsel etwas Neues verkündet wird.

Oder hat euch das 15fünfzehn-Format meines Heftes überzeugt? Christine hat noch mehr davon gesammelt.



Mittwoch, 17. April 2019

Kein Seiltrick und kein Hexenwerk: Zaubern mit Papierdraht

Papierdraht besteht aus einem dünnen Drahtkern, umwickelt mit weißem oder farbigem Papier. Er lässt sich leicht in Form biegen und auch wieder glatt ziehen, einfärben und mit Klebstoff befestigen. Es gibt Bücher und haufenweise Anleitungen, also wird es Zeit, dass auch ich mich einmal damit beschäftige.


Mit ein paar alten, bedruckten Papieren wie Buchseiten, Schnittmuster und Landkarten, mit schnell klebendem Holzleim, einer Knipszange und einem Bleistift legte ich los. Ich zeichnete eines meiner Lieblingsmotive (ein Robinienblatt) auf die Buchseite, formte mit dem Papierdraht die Konturen nach und klebte die Teile auf einer Leimspur fest. Nach dem Trocknen wurde alles eng neben der Kordel ausgeschnitten.

Da ich im Grunde meines Herzens eher faul bin, kam mir schnell die Idee, die Umrisse getrockneter Blätter aus meinem Fundus, den ich im letzten Jahr zusammengetragen hatte, nachzuzeichnen und aus Papierdraht zu formen.




Schwupp-di-wupp … ein Leporello aus Fotokarton gefaltet und ein paar Karten geschnitten, die Namen der Bäume auf kleine Schildchen geschrieben, ein bisschen gedoodelt und geklebt und schon liegen die einzelnen Objekte nicht mehr sinnlos in der Gegend rum.









Weil die Sache wirklich Spaß macht und bald Ostern ist, kamen so quasi als Bastelbonus noch ein paar Deko-Eier für den Osterstrauß dazu. Die Hintergrundpapiere stammen von meiner Dendritic Monoprinting – Spielerei Teil 2. Vielleicht habt ihr den nachträglich aktualisierten Blogbeitrag noch nicht gesehen.



Michaelas Muster Mittwoch steht in diesem Monat auch unter dem Thema Ovales, Ellipsen und Eier. Wer noch Anregungen braucht für die bevorstehenden Osterfeiertage, könnte dort fündig werden. Es gibt wieder etliche schöne Ideen, die zum Nachmachen inspirieren.