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Sonntag, 25. Februar 2024

Alles zurück auf Anfang – Teil 2 – Der Glazier Kodex

Heute stelle ich euch mein zweites Buch nach altägyptischem Vorbild vor, den Glazier Kodex. Im Gegensatz zum Nag Hammadi hat dieser Nachbau Buchdeckel aus Holz und ist mehrlagig. Die Arbeit des Vordenkens hat wiederum Anna erledigt. Ohne sie wäre mein Buch nie entstanden.




In den Sammlungen verschiedener Museen und Bibliotheken sind weltweit etwa 120 vollständige koptische Original-Einbände erhalten und Überreste von etwa 500 Bindungen, jedoch nur 11 Exemplare früher, mehrteiliger koptischer Kodexes.

Bei dem weitaus am besten erhaltenen Glazier Kodex handelt es sich um ein Manuskript, das auf das späte 4. oder frühe 5. Jahrhundert datiert wird. Es enthält die erste Hälfte der Apostelgeschichte, geschrieben mit Eisengallustinte auf 15 Pergamentlagen mit je 4 gefalteten Blättern, die mit Fäden in Schlingenstichtechnik zu der charakteristischen Kettennaht vernäht wurden. Verfasst wurde es im mittelägyptischen, koptischen Dialekt.






Der alte Kodex hat zwei an den Außenkanten abgeschrägte Deckel aus Akazienholz, die bündig mit dem Buchblock abschließen. Der Rücken ist mit dunkelrotbraunem Ziegenleder bezogen und verlängert sich über Kopf- und Schwanzschnitt als Lasche zum Schutz des Buchblocks. Das Leder trägt dekorative geometrische Blindprägungen.

Zwei lange Wickelbänder, ebenfalls aus Ziegenleder, sind an Löchern in den Holzdeckeln befestigt und an den Enden mit verzierten Knochen- oder Elfenbeinriegeln versehen.

Bei näherer Untersuchung findet man Hinweise (Löcher, Fadenreste) auf ehemals vorhandene Kapitalbänder und auf ein Lesezeichen, das mit Lederriemen an der oberen Ecke des Vorderdeckels befestigt war.






Ich habe mein Modell des Glazier Kodex mit Tee-gefärbtem Papier statt Pergament gefüllt. Lange habe ich mangels geeigneter Online-Angebote nach passenden Verschluss-Riegeln gesucht: Flohmarktfunde wie Knochenglieder von Armbändern gesägt und geschmirgelt, Mammutknochen bearbeitet und schließlich Horn durchbohrt, das zwar nicht so hell wie die alten Originale ist und auch keine weitere Verzierung trägt, aber von der Größe her angemessen scheint und obendrein aufgrund seiner eher weichen Beschaffenheit das Holz nicht zu zerkratzen droht.






Bis 1963 war der alte ägyptische Kodex Teil der Privatsammlung von William S. Glazier, einem Bankier, der dem wertvollen Buch seinen Namen gab. 1983 wurde es dem Morgan Library & Museum in New York übergeben.

Die Sammlung des Morgan umfasst eine beträchtliche Anzahl koptisch-christlicher Manuskripte aus Ägypten, aber nur wenige Exemplare stammen aus der Frühzeit der Kodexbuchproduktion. Der Glazier Kodex aus dem 4./5. Jahrhundert gehört zu diesen ganz frühen Funden, eine kleinformatige Apostelgeschichte, die sich trotz ihres Alters in bemerkenswert gutem Zustand befindet. Abgesehen von einigen Verlusten an den Rändern wirken die Pergamentblätter fast makellos, ebenso wie Tinte und Schrift. Die meisten der ursprünglichen Einbandkomponenten sind in einem fragilen, aber nahezu intakten Zustand.

Ein zweites koptisches Buch ähnlichen Alters und Größe hat sich weniger gut geschlagen, da es kurz vor der Übernahme durch das Morgan im Jahr 1962 sowohl durch Feuer als auch durch Wasser schwer beschädigt wurde. Das Pergament ist an vielen Stellen verkohlt, zerfetzt, gelatiniert und spröde. Einige Blätter sind verformt und verklebt, sodass es unmöglich ist, das Buch zu öffnen, ohne weitere Schäden und Verluste zu verursachen. Durch die Einwirkung von Feuchtigkeit ist die zum Schreiben des Manuskripts verwendete Eisengallustinte an bestimmten Stellen korrodiert, was wiederum zu einer lokalen Perforation des Pergamentes führt.

Hochinteressant ist nachzulesen, wie nun mit Hilfe von Röntgenmikrotomographie scheibchenweise nach verborgenen Merkmalen geforscht wird. Mikro-CT-Scans liefern Informationen über Texte und Bindung und ermöglichen, den Lagenaufbau, die Fadenwege und sogar die Struktur des Fadens selbst sichtbar zu machen. Allmählich werden Stück für Stück Erkenntnisse zutage gefördert, die für die Geschichte des Buchbindens und die Historie an sich von Bedeutung sind.





Die Art der Bindung mit Nadel, gewachstem Faden und Schlingen wurde von frühen ägyptischen Christen, den Kopten, im 2. Jahrhundert n. Chr. erdacht.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die koptische Bindung wiederentdeckt und häufig von Buchbindern verwendet, um ihren Werken eine besondere künstlerische, ästhetische Note zu verleihen. Es entstanden Weiterentwicklungen, verschiedene Varianten und Stile. Aber dazu mehr an anderer Stelle. 



Dienstag, 2. Januar 2024

Das dicke rote Leporello für meine Atelier-Projekte

Seit gut einem Jahr bin ich nun Mitglied in Kristinas Atelier. Anfänglich bestand die Gründergruppe aus 18 Mitgliedern, die halfen, beim Rohbau Ecken und Kanten zu begradigen. Ab März 2023 wurden die Tore für jedermann geöffnet, der ein Jahresticket kaufte. Nun steht ein größerer Umbau bevor und der Zugang ist wieder beschränkt.

Der Betrieb geht unterdessen weiter. Intern trifft man fast täglich (manchmal im Sekundentakt) andere Mitbewohner. Über Signal findet der schnelle Austausch statt, über Zoom gibt es ausgiebige Diskussionen oder Werkeltreffen. Auch im echten Leben trifft man sich – vorerst noch im kleinen Kreis, aber große Zukunftspläne werden in diesem Jahr Realität.

Ähnlich wie ein Bazillus vermehrten sich Kristinas Junk Journal Videos in der Papierwerkstatt zwar langsam aber beständig. Von der ersten Keimzelle (der Materialauswahl) bis zum fertigen Buch dauerte es dramatisch lange, so dass wir alle schon etwas zappelig wurden. Dieser Kniff des Drehbuchautors löste einen ähnlichen Effekt aus wie bei schlechten Nachrichten, die besser sind als gar keine. Immer mehr Atelierbewohner wurden aufmerksam und bald wollten alle wissen, wie die Geschichte denn nun ausgeht. So ergab es sich, dass auch ich einen dieser roten Schinken haben wollte und zum Schluss mein Junk Journal und das von etlichen anderen Weggefährtinnen fast zeitgleich mit Kristinas fertig wurde.











Dies ist nun mein Album. Die Seiten bestehen aus Verpackungskartons, verbunden mit Stoffstreifen, überklebt mit Tapeten und Seidenpapier, überpinselt mit groben und feinen Strukturpasten und zuletzt gestrichen mit roter und schwarzer Acrylfarbe.

Das Leporello hat 8 eingebundene Lagen aus schwarzem Papier in unterschiedlichen Stärken. Jede dieser Lagen stellt ein eigenes Heft dar, das ich wiederum für je ein Thema aus dem Atelier nutzen werde. Heft 1 ist voll mit Schnellzeichnungen aus dem Comic-Impuls. (Mehr erfahrt ihr in Kristinas Atelier.)




Den Inhalt von Heft 2 zeige ich euch heute. Ausgangsbasis waren Aufwärmübungen der Collage-Künstlerin Laura Weiler, die Kristina uns in der Werkstatt vorstellte. Per Zoom zugeschaltet arbeiteten wir alle gleichzeitig und doch getrennt voneinander im eigenen Zuhause an unseren Collagen. Es zeigte sich schnell, dass jede Teilnehmerin die Technik anders interpretiert und ganz nach ihrem persönlichen Stil umsetzt.

















 
Ein gutes neues Jahr wünsche ich euch, Gesundheit und viel Zeit für schöne Stunden, egal ob mit Papier, Farbe, Stoff, Reisen, Abenteuer oder Lieblingsmenschen. Ich habe viele angefangene Projekte aus dem alten Jahr mit ins neue gebracht, die ich trotz "Gegenwind" Stück für Stück fertigstellen will. 
Bis bald! 🌼🎨





Donnerstag, 19. Oktober 2023

Alles zurück auf Anfang – Der altägyptische Kodex Nag Hammadi

„Im Land Ägypten verfällt nichts“, heißt ein Sprichwort und damit beginnt auch Annas Workshop zum Thema altägyptische Bücher. Faszinierend sind die ungelösten Geheimnisse aus unserer Vorzeit und wenn sie im Zusammenhang mit der Geschichte der Buchbindung stehen, komme ich um ein paar interessante Fakten nicht herum.




Typische Buchformen des Altertums waren Tontafeln und Schriftrollen aus Papyrus und Pergament. Die ältesten, noch erhaltenen Exemplare entstanden im 4. Jahrhundert vor Christus und kommen aus Ägypten, auch wenn sich deren Existenz in Griechenland bereits seit dem 6./5. Jahrhundert vor Christus nachweisen lässt.

Ab dem 2. Jahrhundert nach Christus begannen frühe Christen, die Kopten, Dokumente oder unbeschriebene Papyrusblätter flach liegend mit einem Umschlag aus Ziegen- oder Schafsleder zu schützen. Papyrusbogen wurden auf Format geschnitten, mittig geknickt und in die Umhüllung eingenäht. So konnte man zum Schreiben und Lesen bequem umblättern, statt eine Rolle mit zwei Händen zu halten und abzuwickeln. Ein Meilenstein! Allerdings verdrängte die gebundene Form des Kodexes die gewohnten Schriftrollen nur allmählich, galten diese doch noch lange als offizielles Symbol für Status und Bildung.




Das stets trockene Wüstenklima in Nordafrika hat nicht nur Mumien konserviert, sondern auch handgeschriebene Manuskripte von meist gnostischem oder religiösem Inhalt vor dem Verfall bewahrt. So fanden Bauern in Oberägypten 1945 im Niltal nahe dem Dorf Nag Hammadi einen Tonkrug mit 13 (!) außergewöhnlich gut erhaltenen Papyrus-Kodexes aus dem 3. - 4. Jahrhundert. Zuerst verkannte man ihren Wert und es wurde entsprechend sorglos damit umgegangen, heute bewahrt das Koptischen Museum in Kairo etliche der fragilen Bücher unter bestmöglichen Bedingungen auf.







Der Nag Hammadi Kodex gehört zu den ältesten existierenden Buchformen mit einer der frühesten Bindungen, die je gefunden wurden. Sein Einband besteht aus mit Papyrusfutter versteiftem Leder, das nach innen umgeschlagen ist. Angearbeitet ist eine Klappe mit langem Wickelband. Lederbänder an Kopf- und Fußseite, Rückenbindung sowie Eckenbänder zur Sicherung und Fixierung sind zum Teil in sich gerollt und verkleistert. Lederflächen sind mit Linien verziert. Der Inhalt des Nag Hammadi Kodexes besteht aus nur einer Lage Papyrus, die bis zu 75 Blätter umfassen kann. In der Mitte der Lage wird die Bindung durch eingelegte Lederstreifen vor Ausreißen geschützt.








Erstaunlich, wie wenig sich heutige Hefte, Bücher und Mappen von dieser frühen Buchform unterscheiden. Mein Kodex ist nach dem Vorbild der Funde aus Nag Hammadi hergestellt. Er weist die gleichen Merkmale auf, ist allerdings kleiner.

Anna hat bereits eine ganze Reihe von interessanten Buchbindungen als Zoom-Kurs konzipiert. Auch moderne Formen sind darunter, wie meine Katzen- und Hundebücher beweisen. Mich zieht es aber eher zu den komplizierteren Projekten, deren Bauweise nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Auf Wunsch von Annas Stammkundschaft entsteht allmählich eine historische Bibliothek, in der jedes Buch etwa 10,5 x 15 cm misst.

Es gibt viel zu tun! Nehmen wir uns die Zeit.







Donnerstag, 11. Mai 2023

Zwei wie Hund und Katze

Instagram entwickelt sich immer mehr zur Werbeplattform – das hat gute und schlechte Seiten. Viel kostbare Zeit vergeht mit der Suche nach abonnierten Inhalten, wobei man in starrer Körperhaltung stundenlang auf ein kleines Display schaut. Von Augenproblemen und steifem Nacken, Kopf-, Schulter- und Rückenschmerzen kann ich ein Liedchen singen.

Das Gute ist: man erfährt, was es in der Kreativwelt sonst noch an Neuem gibt. Jeromin zum Beispiel, mein heiß geliebter und oft besuchter Werkladen in Mannheim, kündigt anstehende Workshops, Neuheiten und Sonderangebote aus dem Sortiment seit Kurzem auch bei Instagram an und verrät jede Menge Tricks und Tipps. Das ist total klasse. So werde ich gleich beim täglichen Durchblättern meines Accounts aufmerksam und kann gegebenenfalls schnell reagieren.

Meine persönliche Instagram-Neuentdeckung des Jahres ist Anna Yevtukh, eine diplomierte Buchbinderin mit Kunststudium aus der Ukraine, die seit Jahren mit ihrer Familie in England lebt. Ihre qualitativ hochwertigen Bücher sind nicht alleine gemacht, um daraus zu lesen oder hineinzuschreiben, sondern in erster Linie um zu gefallen.

Unter ihren Händen entsteht immer wieder neue, ungewöhnliche Buchkunst. Oft verwendet Anna Leder, das sie aus mehreren Farben zusammensetzt, bemalt, prägt oder modelliert. Wahres Kunsthandwerk eben.

Annas Arbeiten findet man regelmäßig auf Ausstellungen und in Sammlungen weltweit. Sie ist Buchbinderin aus Leidenschaft und eine nette, unaufdringliche, sympathische Frau.




Ihre Online-Kurse kündigt Anna stets bei Instagram an. Live und in Echtzeit zeigt sie den Teilnehmenden dann ein paar Wochen später über Zoom Schritt für Schritt, was zu tun ist und beantwortet Fragen. Das erste, was ich unter Annas Anleitung fertiggestellt habe, ist diese Katze hier mit ihrem Begleiter. Ich sah das Modell und war gleich verliebt. Anna lieferte eine Materialliste, Kurzanleitung, Skizzen für die Rückenbindung und Umrisszeichnungen. Den Hund und später noch einen Osterhasen gab es gratis obendrauf. Nach dem gleichen Schema sind unendlich viele Tierformen denkbar.






Dem Arbeitsaufwand entsprechend gab es diesmal zwei Termine im Abstand von einer Woche. So konnte der Umschlag in Ruhe durchtrocken, bis es an die Feinarbeiten ging.

Für mein Katzenfell grundierte ich weißes Papier mit schwarzer Acrylfarbe und einem Tupfer Grün, kringelte nach dem Trocknen wild mit einem weißen Stift darauf herum und fügte Akzente mit Knallfolie und Schriftenstempel hinzu. Das Papier für das Hundefell entstand aus einen Anstrich mit Moorlauge, schwarzen Marker-Kringeln und dicken Punkten aus Acrylfarbe.





Buchbinderleinen hatte ich keins mehr zu Hause, deshalb fertigte ich nach Annas Rezept aus einem alten schwarzen Rock, Kopierpapier und angerührtem Mehlkleister (auch Annas Rezept) selbst welches an. Hat super funktioniert!!





Die Bindung für das Katzenbuch sollte zweifarbig über 6 Lagen gehen, wobei mit einem Faden zick-zack-weise immer gleich zwei Lagen erfasst werden müssen. Diese Vorgehensweise ergibt zum Schluss ein asymmetrisches Muster. Da mein Garn etwas zu dick für die vorgestochenen Löcher war, musste ich eine Zange zu Hilfe nehmen, was mir die Nadel ziemlich krumm nahm.

Beim Hund wollte ich die Rückenbindung leicht abwandeln - vielleicht sogar verbessern. Ich verwendete dünneres Garn in nur einer Farbe und eine ungerade Anzahl von Lagen, um ein symmetrisches Bild zu erhalten.

Kristinas aktuelles Atelier-Thema „Spiralen“ manipulierte mein Unterbewusstsein wohl dahingehend, das eigentlich wesentliche Foto hier in der Montage vergleichsweise klein darzustellen.



 
Glücklich, wer ein breit gefächertes, chaotisch zusammengewürfeltes Sortiment verschiedener Unterteller im Küchenschrank hat. Irgend eines dieser Porzellane passte sich hervorragend der Rückenkurve an, die Annas Haustieren eigen war. Mit dem Skalpell entlang der Untertasse ließen sich die Innenseiten des Buches gut in Form bringen.








Hund und Katze sind nicht gemacht, um sie sinnvoll zu verwenden. (Zum Vollschreiben benutze ich Fabrikware.) Wie die meisten meiner selbst gefertigten Bücher, Alben, Hefte und Journale besteht ihr einziger Sinn und Zweck darin, die Technik zu lernen und am Ende schön zu sein und mich und andere zu erfreuen. Im Laufe der Zeit werden sie im Regal genau wie ihre Vorgänger weiter nach hinten rutschen, wenn andere, neue Bücher dazukommen. Das ist ihr Schicksal. Manchmal geschieht es, dass ich die dicht gedrängte, allmählich gewachsene Ansammlung nach irgendetwas durchforste und dann fallen mir fast vergessene Exemplare wieder in die Hände. Was für ein Moment!! Dann werden Erinnerungen wach, ich staune und freue mich, dass in der Realität noch vorhanden ist, was im Kopf schon (fast) verloren ging.

... und wie gefallen sie euch - meine beiden Neuen?