Donnerstag, 19. Oktober 2023

Alles zurück auf Anfang – Der altägyptische Kodex Nag Hammadi

„Im Land Ägypten verfällt nichts“, heißt ein Sprichwort und damit beginnt auch Annas Workshop zum Thema altägyptische Bücher. Faszinierend sind die ungelösten Geheimnisse aus unserer Vorzeit und wenn sie im Zusammenhang mit der Geschichte der Buchbindung stehen, komme ich um ein paar interessante Fakten nicht herum.




Typische Buchformen des Altertums waren Tontafeln und Schriftrollen aus Papyrus und Pergament. Die ältesten, noch erhaltenen Exemplare entstanden im 4. Jahrhundert vor Christus und kommen aus Ägypten, auch wenn sich deren Existenz in Griechenland bereits seit dem 6./5. Jahrhundert vor Christus nachweisen lässt.

Ab dem 2. Jahrhundert nach Christus begannen frühe Christen, die Kopten, Dokumente oder unbeschriebene Papyrusblätter flach liegend mit einem Umschlag aus Ziegen- oder Schafsleder zu schützen. Papyrusbogen wurden auf Format geschnitten, mittig geknickt und in die Umhüllung eingenäht. So konnte man zum Schreiben und Lesen bequem umblättern, statt eine Rolle mit zwei Händen zu halten und abzuwickeln. Ein Meilenstein! Allerdings verdrängte die gebundene Form des Kodexes die gewohnten Schriftrollen nur allmählich, galten diese doch noch lange als offizielles Symbol für Status und Bildung.




Das stets trockene Wüstenklima in Nordafrika hat nicht nur Mumien konserviert, sondern auch handgeschriebene Manuskripte von meist gnostischem oder religiösem Inhalt vor dem Verfall bewahrt. So fanden Bauern in Oberägypten 1945 im Niltal nahe dem Dorf Nag Hammadi einen Tonkrug mit 13 (!) außergewöhnlich gut erhaltenen Papyrus-Kodexes aus dem 3. - 4. Jahrhundert. Zuerst verkannte man ihren Wert und es wurde entsprechend sorglos damit umgegangen, heute bewahrt das Koptischen Museum in Kairo etliche der fragilen Bücher unter bestmöglichen Bedingungen auf.







Der Nag Hammadi Kodex gehört zu den ältesten existierenden Buchformen mit einer der frühesten Bindungen, die je gefunden wurden. Sein Einband besteht aus mit Papyrusfutter versteiftem Leder, das nach innen umgeschlagen ist. Angearbeitet ist eine Klappe mit langem Wickelband. Lederbänder an Kopf- und Fußseite, Rückenbindung sowie Eckenbänder zur Sicherung und Fixierung sind zum Teil in sich gerollt und verkleistert. Lederflächen sind mit Linien verziert. Der Inhalt des Nag Hammadi Kodexes besteht aus nur einer Lage Papyrus, die bis zu 75 Blätter umfassen kann. In der Mitte der Lage wird die Bindung durch eingelegte Lederstreifen vor Ausreißen geschützt.








Erstaunlich, wie wenig sich heutige Hefte, Bücher und Mappen von dieser frühen Buchform unterscheiden. Mein Kodex ist nach dem Vorbild der Funde aus Nag Hammadi hergestellt. Er weist die gleichen Merkmale auf, ist allerdings kleiner.

Anna hat bereits eine ganze Reihe von interessanten Buchbindungen als Zoom-Kurs konzipiert. Auch moderne Formen sind darunter, wie meine Katzen- und Hundebücher beweisen. Mich zieht es aber eher zu den komplizierteren Projekten, deren Bauweise nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Auf Wunsch von Annas Stammkundschaft entsteht allmählich eine historische Bibliothek, in der jedes Buch etwa 10,5 x 15 cm misst.

Es gibt viel zu tun! Nehmen wir uns die Zeit.







6 Kommentare:

  1. danke für die interessante geschichtskunde! dein buch ist natürlich wieder ein höhepunkt in deiner bücherschatzkiste und du hast meine volle bewunderung dafür! ich halte es da lieber mit einfachen formen und konzentriere mich eher auf den inhalt als auf die bindung. das handwerkliche ist nicht so meins. aber jeder halt nach seiner fasson!
    liebe grüße von mano

    AntwortenLöschen
  2. Stimmt, viel hat sich in der Gestalt unserer Bücher nicht verändert! Dies ist ja ein ganz besonderes Schätzchen in deiner Sammlung, wieder handwerklich perfekt gearbeitet. Ich kann dein Interesse für spannende Buchbindungen gut nachvollziehen...und diese antike Bindung sieht noch nicht einmal so schwierig aus. Ist dein Lagenpapier tatsächlich Papyrus? Ich habe Papyrus nur als Pflanze hier.
    Danke für ein weiteres Stück Buchgeschichte!
    Liebe Grüße
    Ulrike

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Ulrike, Papyrus gibt es im Künstlerbedarfshandel. Ich habe meine Bogen aus dem Shop vom Gutenberg Museum in Mainz. Nicht billig, aber schön. Wenn du Pflanzen besitzt, könntest du ja mal nach dem gleichen Rezept wie Spargelpapier versuchen, ein Blatt selber herzustellen. Lass es uns sehen, wenn es dir gelungen ist.

      Danke für dein Interesse und schöne Grüße
      ela

      Löschen
  3. Wow, das ist ja wieder ein Meisterstück geworden. Es könnte auch in einem Museum liegen, wenn es nicht so neu wäre. Spannend, wie alt und unverändert die Technik ist. Immer noch genial! Danke für deinen Einblick in die uralte Buchgeschichte.
    Michaela

    AntwortenLöschen
  4. Oh wie unglaublich interessant! Vielen Dank für die geschichtlichen Hintergründe. Und Dein Nachbau ist fast genau so geheimnisvoll aussehend, wie ein Werk im Museum.
    Liebe Grüße
    Nina

    AntwortenLöschen
  5. Es ist dir sehr gut gelungen dem historischen Vorbild nahe zu kommen. Auch ist es perfekt, um damit auf Reisen zu gehen, die Bänder sind genau an den wichtigen Stellen.
    das gerade die nich so einfachen Objekte einenHerausforderung darstellen, die verlocken , kann ich sehr gut verstehen.
    Viele Grüße, Karen

    AntwortenLöschen

Ich freue mich sehr über jeden netten, ehrlich gemeinten Kommentar. Applaus ist das Brot des Künstlers ;-)

Mit dem Absenden eines Kommentars akzeptierst du, dass Google Daten wie Username, Blogadresse, eMail- und IP-Adresse, Datum/Uhrzeit und natürlich deinen Text speichert. In meiner Datenschutz-Erklärung finden sich nähere Infos dazu.

Du willigst ein, dass neben deinem Kommentar auch dein Name mit Avatar sowie Blogadresse angezeigt wird, wenn du mit deinem Profil eingeloggt bist.