Montag, 6. Februar 2017

Automaten-Liebe

Eigentlich wollte ich euch nur schnell meinen neuen Fotoautomaten-Streifen aus Köln zeigen, aber wie so oft hat es mich dann doch gepackt und ich muss die ganze Geschichte erzählen.

Ich liebe diese Dinger und bin froh, dass es Leute gibt, denen es genau so geht. Leute, die erkennen, dass in den verwaschenen Farben der analogen Entwicklung viel mehr Charme steckt, als in den Bildern der heutigen digitalen Fotoboxen. Leute, die die alten Werte mit ihrer ästhetisch überzeugenden Technik schätzen und sie erhalten.

Vor einigen Jahren versuchte ich schon, auf die Spur eines solchen alten Automaten zu kommen, aber Google wusste keine Antwort. Dann las ich bei Barbara von einem Gerät in Berlin und war wie angestochen. Da musste ich hin! Ich fand unter "Fotokabine" die nötigen Adressen (3 Standorte) und traf mich einen Monat später mit einer Freundin vor Ort. Völlig begeistert machten wir unsere Spaßfotos, ohne zu wissen, dass das erst der Anfang war.

Bevor ich im Jahr darauf wieder eine Reise nach Berlin plante, wollte ich sicherheitshalber im Internet kontrollieren, ob meine Automaten noch am gleichen Ort stehen würden. Ich gab ein Suchwort ein und staunte nicht schlecht: die Seiten hatten ein völlig anderes Aussehen und aus meinen 3 Automaten waren 30 geworden!!! Es dauerte Tage, bis ich begriff, dass ich gar nicht auf der Seite der "Fotokabine" gelandet war sondern beim "Photoautomat".

Die Zeit in Berlin war wunderbar. Zwei Tage lang machten wir eine Sightseeingtour von Photoautomat zu Photoautomat und ich glaube, wir waren nicht die einzigen mit dieser Idee. Überall gab es Verliebte, Mütter mit Kindern, Touristen oder Passanten, die Spaß hatten an ihren schnellen Selbstporträts. Es ging durch die angesagtesten Szene-Viertel in Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln - gut ausgewählte Standorte, an denen die hippe Kundschaft verkehrt und die mich durch ein äußerst spannendes Berlin brachten, das ich so noch nicht kannte. Wir schnitten Grimassen, zogen uns verrückte Sachen über den Kopf und versteckten uns hinter einer Zeitung. Jeder Photostreifen sah anders aus und abends wurde die Ausbeute stolz und lachend begutachtet. Vier Aufnahmen für 2 €, mal hochkant, mal quer und manchmal sogar in Farbe. Schönere Reiseandenken gibt es nicht!



„Der Fotoautomat, auch Fotokabine genannt, ist eine kompakte Raumkonstruktion, die sowohl eine automatische Fotokamera als auch eine Fotoschnellentwicklungsmaschine oder einen Bilddrucker enthält. Sie dient der Aufnahme von Passbildern oder spontanen Erinnerungsfotos. Man findet sie häufig an zentralen Plätzen, in Bahnhöfen, Freizeitparks, Vergnügungszentren oder in Einkaufszentren. Fotoautomaten enthalten gewöhnlich einen in der Höhe verstellbaren Sitz. Nachdem der Münzeinwurf erfolgt ist, macht die hinter einer Scheibe befindliche Kamera meist vier Aufnahmen im Abstand von ein paar Sekunden. Nach der letzten Aufnahme beginnt der Automat mit der Bildentwicklung oder dem Ausdrucken, was einige Minuten dauern kann. Durch einen Schlitz werden dann die entwickelten Bilder ausgegeben, die eventuell noch einige Zeit der Trocknung benötigen.“ (Wikipedia)

Die erste automatische "Instant Photobooth" Kabine, den Photomaton, ließ sich 1925 der russische Einwanderer Anatol Josepho in USA patentieren. Was anfangs eine echte photographische Revolution war, verschwand Ende der 1980er Jahre allmählich aus unseren Städten und wurde durch digitale Nachfolger ersetzt. Zwei clevere Kerlchen aus Berlin entdeckten 2003 in der Schweiz die analoge Version, erkannten den Wert dieser lustigen Boxen im Retro-Design und retteten daraufhin etliche auch im restlichen Europa vor der Schrottpresse. Sie restaurierten die altbewährten und mechanisch anspruchsvollen Maschinen liebevoll, stellten sie an ausgesuchten Standorten wieder auf und engagierten Personal für die tägliche Wartung. Die Automaten in gutem Zustand zu halten ist wichtig, damit sich die Nutzer drin wohlfühlen.

Das Konzept ging auf. Die Berliner lieben sie und wo sonst passen die alten Kabinen auch so gut ins Stadtbild? Die Stadt ist um eine Attraktion reicher geworden, Ableger gibt es in Hamburg, Köln, Frankfurt, Leipzig, Wien und Florenz.



Schon immer hat der Photoautomat auch Künstler inspiriert, die erkannten, welches kreative Potenzial in ihm  schlummert. In vier Bildern gestalten, was immer man will. Die Möglichkeiten sind wunderbar. Modeshootings, Ausstellungen und Bücher haben die Kabinen zum Kunstobjekt geadelt. Eine stand schon auf der Documenta.

Wer hat noch nie in einer Fotobox gesessen, den Vorhang zugezogen und sich selbst fotografiert? Wer möchte den Zauber der nostalgischen Apparate aus den Sechzigern erleben, die ihre grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotostreifen analog entwickeln? Einen Lageplan der Geräte gibt es online.

Oder wollt ihr gleich einen kompletten Photoautomaten für das nächste Scrap-Wochenende, die Firmenfeier oder Hochzeit mieten? Alles ist möglich - Spaß und bleibende Erinnerungen sind garantiert.
    

2 Kommentare:

  1. hahaha - was für lustig erfrischende Selbstporträts!!! Ich liebe sie! Und genau so doll liebe ich den Photoautomaten, macht richtig süchtig finde ich und ja, Du hast absolut recht, den Charme der analogen Fotografie kann die digitale nicht standhalten! Ich habe auch einige Streifen in meinem Atelier hängen, auf manchen bin ich allein und mache verrückte Grimassen, auf anderen habe ich mit mit Freunden hinein gequetscht und am Abend haben wir bei einem Bierchen ausgelost, wer welchen Streifen haben darf ;) Danke für die Erinnerung in nächster wieder einen solchen Photoautomaten besuchen zu gehen! Liebe Grüsse, Bogi

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  2. Ach Ela, erst jetzt sehe ich deinen wunderbaren Betrag über die Photoautomaten! Klar habe ich auch noch Fotostreifen von früher - ich fand mich immer so hässlich darauf, dass ich die Bilder nie verwendet habe, aber immerhin aufgehoben. Ja, wie schön, dass du an sie erinnerst und so toll aufbereitet!
    Toll sind auch deine Berliner Automaten-Fotos als Reihe!
    Grüße zum Wochenende von Ulrike

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Ich freue mich sehr über jeden netten, ehrlich gemeinten Kommentar. Applaus ist das Brot des Künstlers ;-)

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