Mittwoch, 13. August 2025

Das Schwarzbuch der Farben in Theorie und Praxis

Wenn Kristina im Atelierhaus nicht damit angefangen hätte, dann wäre das alles nicht passiert. Ich hätte nicht tagelang Papiere bunt gemalt und auch nicht ewig daran gesessen, kleine Schnipselchen aus den entstandenen Bögen auszuschneiden, sie plangemäß aufzukleben und zu beschriften. Dann würde es aber auch dieses Album nicht geben und diesen Blogbeitrag und das wäre schade.


Ein Stück weit über den Tellerrand hinaus zu schauen ist immer gut. Einmal für das Thema sensibilisiert, fielen mir die Beiträge zur Farbtheorie regelrecht in den Schoß. Überall ploppten Abbildungen von Farbmischübungen und Proben auf – mal in Aquarell, mal in Acryl und auch in Form von Stift-Schraffuren. Plötzlich schien es, als hole jede, die einen Pinsel halten kann, ihren Malkasten hervor und tupfe die Farben der Reihe nach auf das Papier. Auch wenn ich vom Mal- und Zeichenvirus bislang noch nicht erfasst wurde, muss ich zugeben: für solcherart harmonische Musterblätter habe ich eine große Schwäche.







Ich merkte beim stumpfen Tun, dass ich die Genauigkeit hinten anstellen musste. Leicht könnte ich in ein Magnetfeld geraten und tröpfchenweise recherchieren was passiert, wenn ich Phthaloblau mal von der einen und mal von der anderen Firma verwende, denn die haben ja alle ihre eigene Rezeptur. Oder was kommt dabei raus, wenn ich stattdessen zu Azurblau oder Manganblau greife?? Und überhaupt: wie viel von der einen und der anderen Primärfarbe ergibt die exakte Sekundärfarbe? Schrecklich!! Ich dachte an Newton, Goethe, Itten und Küppers, die Jahre ihres Lebens damit verbracht haben, die Geheimnisse der Farbwelt zu ergründen. Nein, ich musste Toleranz üben, um zu überleben.






Zum Einstieg in die Farbtheorie beschäftigt man sich sinnvollerweise mit dem Farbkreis, basierend auf den drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau – den Primärfarben, die sich nicht aus anderen Farben anmischen lassen. Es gibt nicht nur eine warme, sondern auch eine kalte Version - dann heißen die Farben Magenta, Yellow und Cyan. In der Druckindustrie kommt noch Schwarz/Key hinzu. Man arbeitet im Vierfarbendruck mit standardisierten CMYK-Farben nach einer Euroskala, in der alle Farbtöne prozentgenau festgehalten sind.

Mischt man jeweils zwei Primärfarben, so erhält man die Sekundärfarben Orange, Violett (Lila) und Grün. Wiederum gemischt kommt man zu den Tertiärfarben Gelborange, Rotorange, Rotviolett, Blauviolett, Blaugrün und Gelbgrün.

Viele kennen das Spiel aus Schulzeiten. Man lernt die Grundlagen, legt die Arbeiten in den Schrank und wird mit dem nächsten Thema konfrontiert. Ende. Nur wer gerne malt, wird automatisch wissen (wollen), was die einzelnen Farben alles können. Alsdann erweist sich, ob es wirklich nötig ist, das komplette Sortiment von Firma XY anzuschaffen, oder ob man sich die Zwischentöne nicht auch nach Wunsch selber mischen kann. Übung macht den Meister!








  

Noch ein bisschen Theorie, bevor ich wieder von der Praxis erzähle


Farbharmonien sind Farbklänge, die unabhängig vom jeweiligen Farbempfinden für das Auge des Betrachters besonders angenehm sind. Hilfestellung zum Finden solcher Kombinationen bieten Farbsysteme, die nicht nur für die Malerei, sondern auch in Raumgestaltung, Mode und Design gelten.

Einfach ist es mit der monochromen Harmonie, bei der man sich innerhalb ein und derselben Farbe bewegt, also z.B. Nuancen durch Aufhellen mit Weiß oder Brechen mit Schwarz erzeugt.

Von analoger Farbharmonie spricht man bei Kombinationen von Farben, die im Farbenkreis in unmittelbarer Nachbarschaft liegen und höchstens zwei Grundfarben beinhalten. Denkt an die Palette von Gelb - Orange - Rot - Lila oder an Gelb - Grün - Blau.

Gern und häufig kombiniert werden Komplementärfarben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen und so den größtmöglichen Kontrast bilden. Entsprechende Bereiche stechen dabei besonders hervor, wie rote Blüten auf einer grünen Wiese.

Weil im Farbkreis einer Primärfarbe jeweils eine Sekundärfarbe gegenüberliegt, enthält die Mischung daraus alle 3 Grundfarben (jede Sekundärfarbe besteht ja aus 2 Grundfarben) und wird zu einem Grau- oder Braunton.

Harmonische Farbklänge entstehen auch, wenn du ein Dreieck in deinen Farbkreis zeichnest. Die Farben an den Spitzen des Dreiecks bilden die Triadische Harmonie.

Legst du ein imaginäres Quadrat in deinen Farbenkreis, erhältst du eine Tetradische Harmonie. Die Farben, die sich an Ecken der Figur befinden, sorgen zusammen für ein ausgewogenes Farbenspiel. Es sind im Grunde zwei Paare von Komplementärfarben.

Meine schwarzen Drehscheiben über den 18teiligen Farbkreisen haben darauf abgestimmte Aussparungen, damit ich auf einen Blick sehe, was zusammen passt.












Geht es um kühle oder warme Farben, so spricht man von Farbtemperatur. Unsere körperliche Reaktion und abgespeicherte Erfahrungen, das Licht und die Umgebungsfarben sind verantwortlich, wenn wir beispielsweise ein Blau als warm empfinden, das eigentlich im Farbkreis auf der kühlen Seite liegt. Wir denken bei Rot an Feuer, bei Grün an Gras, bei Gelb an Sonne und bei Blau an Wasser.

Schluss mit der Theorie! Jetzt geht es wieder um meine eigene Farbstudien


Es waren wohl weit über 300 Blätter in A5, die ich mit guten und schlechten Acrylfarben verschiedenster Markenhersteller und Billigfirmen bepinselt habe. Die Unterschiede sind gravierend. Pigmentreiche Farben von Amsterdam, boesner und Søstrene Grene kann ich guten Gewissens weiterempfehlen, die Farben von Tedi jedoch sind mittlerweile dermaßen grottenschlecht geworden, dass sie für gar nichts mehr taugen. Finger weg davon!! Jede Mark ist rausgeschmissenes Geld!! Vor Corona hatte ich gerne zu diesen Tuben gegriffen, aber die allgemeine Teuerung unter Beibehaltung von Preis und Menge ließ dem Hersteller wohl keine andere Wahl, als an der Qualität zu sparen. Die Pigmente wurden drastisch reduziert und mehr nutzloser Füllstoff unter die Farben gemischt. Mit so etwas kann man weder malen noch anmalen. Katastrophe!!

Hübscher Nebeneffekt: aus „nach-Corona-Tedi-billig-Orange“ und Schwarz wurde aufgrund miserabler Deckkraft ein streifiges Muster, das wunderbar an Holzmaserung erinnert.







Wie viel von jeder einzelnen Farbe nötig ist, um einen bestimmten Mischton anzurühren, ist abhängig von den Komponenten und deren Pigmentgehalt, deshalb lassen sich die Anteile pro Farbe nicht allgemeingültig festhalten - schon gar nicht, wenn man wie ich mal zu diesem und mal zu jenem Fabrikat greift. An dieser Stelle ist für mich wieder eine kleine Übung in Sachen Toleranz fällig.

Etliches aus der Farbtheorie war mir aus Schule und Berufsleben bereits bekannt. Mit der Lektion über Mutterfarben hat Kristina mir dann allerdings etwas völlig Neues beigebracht. Die Aufzeichnung des entsprechenden Zoom-Workshops findet ihr in der Farbküche des Atelierhauses, geöffnet 24/7.







Und noch was: Ich hasse Klebestifte.

  • Sie trocknen entweder ein oder sind irgendwie matschig.

  • Sie eignen sich nur für großflächige Bereiche – kleine Stellen gezielt mit Kleber zu versehen ist kaum möglich.

  • Bei einem Markenfabrikat befindet sich eine produktionsbedingte harte Kappe, die bei neuen Stiften erst einmal entfernt werden muss, um an den brauchbaren Bereich zu gelangen. (Warum schützt man die Oberfläche nicht stattdessen mit einer zusätzlichen Folie unter dem Deckel wie bei Margarine?)

  • Der nicht benutzbare Rest zum Wegwerfen, der in der Kapsel steckt, ist sehr groß.

Ich kam jedenfalls auf die Idee, alle meine miesen Klebestift-Kerne mit etwas Wasser in eine Weithalsdose (Ha-ha … ja … so heißt dieser Behälter wirklich … musste ich auch erst mal googeln.) zu geben. 30 Minuten aufweichen lassen, schütteln, fertig! Nun ist der Kleber ideal. Mit Pinsel aufgetragen auf mein Papierchen, mithilfe einer Pinzette verklebt, mit Küchentuch angedrückt …. sauber und frei von jeglicher Kleber-Glanzspur. Besser und einfacher geht es kaum.

Das war wieder mal ein langer Artikel. Unten kommen noch Bilder vom fertig gebundenen Album. Die Bindung ist eine Abwandlung aus Maikes Zierstich-Kurs in der Buch-Werkstatt vom Atelierhaus. Das Leinen für den Buchrücken war ursprünglich ein alter Rock von mir und in den Taschen, die vorne und hinten am Cover befestigt sind, stecken Schablonen, Vorlagen und Notizen.

Ich sage schon mal tschüs und verspreche, dass der nächste Blogbeitrag kürzer wird. Lasst gerne Kommentare da und genießt das Leben, solange es noch ohne Lampen und Heizung möglich ist.

ela













14 Kommentare:

  1. Ich bin komplett geflasht! Was für ein großartiges Buch! Ich bewundere deine Akribie und Disziplin und das wunderbar strukturierte Layout! Da würde ich gerne mal live drin blättern. Und bitte gerne weiter lange Blogbeiträge, ich lerne immer so viel daraus. Und optisch sind sie immer ein Genuss.
    Liebe Grüße Christine

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    1. Ach Christine, ich werde rot, bei so viel Lob. Ganz herzlichen Dank dafür!

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  2. Wahnsinn!!!!! Ich bin begeistert. Deine Blogbeiträge sind fantastisch und so schön ausführlich. Viel Arbeit und Ausdauer hast du hier gebraucht, aber es hat sich gelohnt. Danke und liebe Grüße.

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  3. Liebe Ela,
    du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue! Dein Buch hast Du uns ja bereits gestern gezeigt beim Zoomtreffen und ich glaube, ich bin nicht die Einzige gewesen, die dir das gute Stück am liebsten durch den Bildschirm weggeschnappt hätte!
    Ich freue mich schon sehr darauf, die Farbküche bald wiederzubeleben mit neuen Mischstudien - Pink und Rot! Das wird fein!
    Ganz liebe Grüße sendet
    Kristina

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    1. Liebe Kristina, bei deiner Ankündigung der umfangreichen Farbküchen-Fortsetzung mit Start in Pink und Rot machte mein Herz einen Satz. Endlich mal nicht dieses viel strapazierte Blau.
      Heute Nacht fiel mir auch schon ein Titel für Band 2 ein: das Weißbuch :-)

      Bis bald und DANKE für alles
      ela

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  4. Liebe Ela, ich habe ja auch ein Farbbuch im Rahmen der Farbküche erarbeitet, aber lange nicht so genau wie deines, kann mir gut vorstellen, wie sehr dein akribischer Forscherdrang gebremst werden musste, damit du nicht die nächsten hundert Jahre damit verbringst, Farbstudien zu untersuchen. Und dennoch, das, was du da geschaffen hast, ist einzigartig und wunderbar. Besonders mag ich deine Drehmodule, und dass du auf Einzelseiten gearbeitet hast, um später das Buch zu binden. (Warum bin ich nicht darauf gekommen?) Vielleicht, weil ich dann nie fertig geworden wäre, denn man müsste ja noch diese und jene Farbe ausgiebig untersuchen. :-) Und entschuldige dich bitte nicht für lange Blogposts!!!! Die sind so toll! Ich bin also gespannt, wohin dich dein Forscherdrang als nächstes führt und freue mich auf den entsprechenden Post!
    Ganz liebe Grüße und danke, dass wir deine Arbeit sehen dürfen (anfassen wäre natürlich noch besser).
    Bis bald, Ute

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  5. Liebe Ela! Ein ganz tolles Buch hast Du hier wieder geschaffen. Dein Anspruch & die Neigung zum Perfekten schimmern sehr hervor - für den Betrachter.... Ich lese auch Deine langen Posts gern bis zum Ende. Also bitte NICHT kürzen! Liebe Grüße aus dem Norden - Rita

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  6. Liebe Ela,
    Ich dachte mir schon, dass da bald wieder so ein Knaller-Blogpost kommt, nachdem es eine lange Ruhepause hier gab. Du hattest ja auch gut zu tun für diese wissenschaftliche Abhandlung, der Wahnsinn. Ich bewundere es so sehr, wie intensiv du dich immer in Themen eingraben kannst und dann mit absoluter Perfektion in Buchform bringst.
    Ich selbst hätte überhaupt gar keine Lust dazu, deshalb bewundere ich es bei anderen umso mehr. Meine Farbmischungen entstehen immer sehr intuitiv, vielleicht habe ich einiges an Farbtheorie so tief eingeatmet, dass ich denke, es kommt einfach raus. Aber jahrelange Erfahrung ist auch natürlich auch dabei, nur kann ich es nie so genau erklären.
    Deine Klebestiftrestverwertungsidee ist ja auch großartig, das werde ich ausprobieren! Ich klebe eigentlich ganz gern mit Klebestiften, ärgere mich aber auch immer über die Reste in den Kunststoffhüllen.
    Und ja… bitte gerne immer ganz lange Blogposts, dafür können wir auch warten.
    Einen schönen Sommertag wünscht
    Michaela

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    1. Versehentlich anonym kommentiert. Ich bins! Liebe Grüße Michaela

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    2. In letzter Zeit kamen etliche Updates und immer wieder musste ich neue Passworte erfinden, uralte neu eingeben und zeitweise funktionierte sogar Outlook nicht, ließ sich nicht reparieren und läuft jetzt von Zauberhand doch wieder einwandfrei. Manchmal liegt es einfach nicht an uns.

      Ich kenne jede Menge Birgits, Utes und Christiane, Christine, Christl, Kristina .... aber nur eine Michaela :-)

      Ganz liebe Grüße auch an dich und DANKE, dass du geschrieben hast.

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  7. Liebe Ela, dieses Buch ist unglaublich. Das kommt bitte mal mit ins Gepäck, ja? Für diese Akribie habe ich einfach nur eine Menge Bewunderung und Staunen übrig, so toll, was da entstanden ist. Mitnehmen will ich die Idee „Rock wird Buchdeckel“, genial, und den Klebestiftrest, der gestern im Müll gelandet ist, hole ich jetzt schnell wieder raus…
    Liebe Grüße und ich schließe mich allen an, lange Blogposts, ja bitte!
    Verena

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    1. Mach ich .... das mit dem Gepäck ... und DANKE für die beiden "s".

      Liebe Grüße
      ela

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  8. Schon ein kleiner Wahnsinn! Hut ab, dass du so akribisch dran geblieben bist. Ich weiß vom Studium, was da an Arbeit dahinter steht, denn da haben wir in der Farblehre einiges an Papier bestrichen und gemischt. Ich habe das "Farbenbuch" geschenkt bekommen, das würdest du jetzt ganz anders durchschmökern.
    Deine Blogposts sind sehr lesenswert und so etwas funktioniert nicht beim husch-husch-instagram.
    viele Grüße Karen

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Ich freue mich sehr über jeden netten, ehrlich gemeinten Kommentar. Applaus ist das Brot des Künstlers ;-)

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