Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Coronabedingt fand ein paar Monate nach dem ursprünglich gebuchten Termin endlich im Spätsommer mein 3-Tages-Kurs bei einem Buchbinder in Mainz statt. Nach vielen freien, kreativen Arbeiten wollte ich einmal ganz fachgerecht ein Buch auf traditionelle Art binden. Es sollte ein Beutelbuch werden.
Ich war die einzige Teilnehmerin. Mir fehlte die Geselligkeit, Ideenvielfalt und Impulse anderer, so dass der übliche Spaß etwas auf der Strecke blieb. Von Tag zu Tag verstärkte sich das Gefühl, wieder ein Lehrling zu sein.
Mit einer selbstgebauten Anschlaghilfe wurde das Papier für die Innenseiten am Reißlineal entlang auf Format gebracht, damit es einem Büttenrand ähnlich sieht. Mein Buchblock sollte 9 x 11 cm groß werden.
Die einzelnen Lagen wurden auf Leinenband geheftet, der Rücken mehrfach geleimt, gepresst und in eine runde Form gebracht. Ich lernte „Falsche Bünde“, Pappen zum Ausgleich der Lederdicke und Aussparungen für die Metall-Schließe anzubringen. Jede Menge Ticks, mir bereits bekannte und viele völlig neue, kamen bei jedem Schritt hinzu. Leider fehlte die Zeit, alles schriftlich festzuhalten.
Das Stechen des Kapitalbandes hatte ich mir schwieriger vorgestellt, zumal meine Unregelmäßigkeiten hinter der Verkleidung verschwanden.
Ich hatte in den 80er Jahren schon mal in einem VHS-Kurs ein Beutelbuch aus kunststoffbeschichtetem Stoff angefertigt. Das Material klebt mittlerweile ganz ekelig, weil sich während des Alterungsprozesses Weichmacher gelöst haben. Die Machart ist simpel, der Buchblock ein Fertigprodukt. Ich war damals schon nicht besonders glücklich mit dem Ergebnis. Wenn ich euch die beiden Exemplare mal zum Vergleich in die Hand geben könnte, würdet ihr den krassen Unterschied erkennen. Es liegen Welten dazwischen und knapp 40 Jahre.
Zu Hause habe ich den Umschlag meines neuen Beutelbuches mit dem Brennpeter (lötkolbenartiges Gerät für Bandmalerei) bearbeitet. Der heiße Stift schmort Leder, Kork und Holz dunkelbraun. So lassen sich auf einfache Weise mit Hilfe einer Metallschiene Linien, aber auch Ornamente brennen. Ein paar Schmuckelemente aus Metall und Polsternägel geben dem Ledereinband den letzten Schliff.
Mein neues Beutelbuch hat eine Größe von 10 x 13 cm und eine Gesamthöhe von 35,5 cm. Es ist leer - jede Menge unbeschriebene Seiten - und etwas sperrig. Ob ich jemals etwas hineinschreibe? Jetzt hängt es erst einmal mangels Wohnraum neben dem Besen hinter der Tür. Egal.
Wow, Ela, das ist ja der Hammer! Von einem Beutelbuch hatte ich noch nie zuvor gehört und bin völlig verzaubert, was du da geschaffen hast. SChade, dass es nicht mehr Teilnehmer waren, aber das Ergebnis gleicht den fehlenden Austausch gewiss aus. Wunderbar ist das. Ich würde mich gar nicht trauen, da reinzuschreiben....aber vielleicht ist das nur meine Ehrfurcht vor deiner Leistung! Also: Hut ab und wunderbar. Was für ein Werk!
AntwortenLöschenLG. Susanne
Also, die Aufbewahrung dieses Kleinods neben dem Besen ist ja wohl sträflich! Dass es ein Gürtelbuch ist, hab ich mir gedacht, aber trotzdem erstmal nachgelesen, denn ich kannte so etwas nicht. In der Machart erinnert es mich an ein altes Fotoalbum, was ich besitze - ist auch so in Leder gebunden mit Metallbeschlägen, leider schon ziemlich lädiert.
AntwortenLöschenEs muss schon komisch sein, als einzige Teilnehmerin in einem Kurs zu werkeln - was du alles machst!
Liebe Grüße - Ulrike
Ach, Gürtelbuch ... auf diese Bezeichnung wäre ich gar nicht gekommen, ist aber naheliegend, denn als diese Bücher gegen Ende des Mittelalters aufkamen, wurden sie ja mit dem Ring am Gürtel getragen. So waren Sie nicht nur ein ständiger Begleiter sondern auch ein Statussymbol. Wer konnte damals schon lesen und schreiben?
LöschenDanke für den "Input" und liebe Grüße
ela
Neinnnn! Nicht neben den Besen hängen, das schöne Buch!!! Richtig toll ist es geworden und sehr perfekt! Da hat sich die Einzelsession beim Buchbinder schon gelohnt, auch wenn es vielleicht komisch war...
AntwortenLöschenLiebe Grüße Andrea
ha, ha, genau wie andrea habe ich aufgeschrien - doch nicht neben den besen!! so eine tolle arbeit muss doch gewürdigt werden und einen schöneren platz finden!
AntwortenLöschenich habe bei instagram gar nicht auf die größe geachtet - 10 x 13 ist ja schon winzig zu nennen. aber die arbeit hat sich auf jeden fall gelohnt. es sieht sehr edel aus. so, und jetzt suchst du einen guten platz dafür!!
liebe grüße
mano
Das ist in der Tat ein komisches Gefühl, die einzige Teilnehmerin in einem Kurs zu sein, es hat aber auch Vorteile, den Lehrer ganz für sich allein zu haben. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen! Ich bin sehr beeindruckt und erblasse vor Neid. :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Gerdi
Hallo Ela, ich habe gerade Deinen tollen Bericht über Dein Gürtelbuch gefunden. Ich suche nach einer Anleitung. Meine Frage wäre: Wie falte ich das Leder an der oberen Seite um die Buchpappen und den Buchrücken, da hängt doch dann das Buch und ich kann nichts umschlagen. Auf Deinen Bildern ist es leider auch nicht zu erkennen. Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine. Ich hoffe sehr auf eine Antwort von Dir.
AntwortenLöschenViele Grüße Helga
Hallo Helga, ja, das Geheimnis erschließt sich in der Tat nicht von alleine. Der Lederumschlag ist ein separat angesetztes Stück. Da auf den Holzdeckeln vorne und hinten eine Pappe aufgeklebt wurde, die die gleiche Stärke hat wie das Lederstück, und quasi nahtlos anstößt, sieht man keine Wulst unter der Buchdecke.
LöschenDes weiteren funktioniert der Umschlag nur mit etlichen Einschnitten an den richtigen Stellen. Das war alles ziemlich tricky und in kostenlosen Anleitungen wird man diese Details sicher nicht zufriedenstellend erklärt bekommen. Da musst du dich durchbeißen.
Gib nicht auf. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, läuft es beim zweiten Mal umso besser.
Liebe Grüße
ela
Vielen lieben Dank für Deine rasche und ausführliche Antwort, jetzt hat sich für mich doch so einiges (erstmal 😉) geklärt. Liebe Grüße Helga
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