Ein paar Tage Berlin haben noch nie geschadet. Ich hatte mir im letzten Jahr günstige Gutscheine für den Flixbus gekauft, bevor man in der Zentrale entschied, coronabedingt mehrere Monate zu pausieren. Die Strecke ab Koblenz ist noch immer stillgelegt, da aber die Gültigkeit meiner Billigtickets ablief, musste ich mit dem Zug zuerst nach Bonn fahren, um die Buslinie zu nutzen, die von dort losfuhr.
Die Fahrt war ewig lang und wackelig hinten in der letzten Reihe, aber auch irgendwie gemütlich und schön ruhig. Der Bus war nur locker besetzt und kam super pünktlich in Berlin an.
Blick auf die Oberbaumbrücke |
Regenwetter! Ich spazierte meine „Pflicht-Meile“ ab, die ich bei jedem Berlin-Besuch absolviere: Alexanderplatz – Museumsinsel – Friedrichstraße. Baustellen an allen Ecken! Aber der Lückenschluss der U5 mit den Stationen „Rotes Rathaus“, „Museumsinsel“ und „Unter den Linden“ ist gerade eröffnet worden, also geht es doch vorwärts. Auch das nach altem Vorbild neu errichtete Schloss konnte endlich besichtigt werden, zumindest von außen. Am Hintereingang hielt gerade eine Stretchlimousine, die mir nur deshalb ganz deutlich auffiel, weil sich vier unsympathische, breitbeinige Security-Männer im Hof aufbauten.
„Rotes Rathaus“ - eine der 3 nagelneuen U-Bahn-Stationen der Linie 5 |
Schlange stehen kennen die älteren Ostberliner ja noch gut! |
Corona-Test-Bauchladen – erinnerte mich irgendwie an die vietnamesischen Zigaretten-Verkäufer, die es früher in Berlin zuhauf gab. |
Photoautomaten-Bilder gehen auch bei Regen. - Neu: mit integriertem Desinfektionsmittel-Spender! |
Die beste Idee bei schlechtem Wetter war, sämtliche Künstler- und Bastelgeschäfte abzuklappern, die uns einfielen. Zwei volle Tage haben wir damit verbracht, wobei eine gewisse, nicht abzustreitende Übersättigung die Einkäufe von Laden zu Laden kleiner werden ließ. Nach Friedrichshagen trieb uns die Neugier auf eine Papierwerkstatt in einer schnuckeligen, alten Druckerei. Diesen Ortsteil kannte ich noch nicht und ich war überrascht, wie wunderschön der ehemalige Osten Berlins hergerichtet worden ist, ohne die alten Fassaden zu versauen. Hier war es auffällig sauber, frei von Baustellen, Hektik und Lärm, mit netten Läden. Das muss ich mir irgendwann noch mal genauer ansehen.
Überhaupt war Berlin in diesen Tagen nicht so überfüllt. Da fehlen wohl coronabedingt die Touristen aus aller Welt, die Amerikaner und Asiaten, die ansonsten alle 1 x im Leben in Berlin gewesen sein müssen. Pflichtprogramm vieler Reiseunternehmen und Individualreisender.
Für Samstag versprach der Wetterbericht Sonne. Wir fuhren nach Beelitz, wo ein ausgedehnter Baumwipfelpfad durch das Gelände der ehemaligen Lungenheilstätte führt. Mano hatte vor Jahren davon berichtet und seitdem wollte ich hin. Wunderschön, kann ich euch sagen! Liebevoll gestaltet und tip-top gepflegt. Die über 100 Jahre alten, verfallenen Gebäude strahlen viel Charme aus. Bäume wachsen auf den Dächern und Büsche aus den Fenstern. Drumherum in der großzügigen Parkanlage finden sich gemütliche Restaurants in Holzhäusern, urige Imbisswagen und die unterschiedlichsten Sitzbereiche. Ein Ort zum Erholen, Entdecken und Fotografieren.
Gleich nebenan befindet sich ein Barfußpark, mit 3,6 km der größte und schönste den ich kenne. Wer schon immer mal über Glasscherben laufen wollte oder gerne kühlen, matschigen Lehmbrei zwischen den Zehen spürt, dem sei gesagt: der Weg lohnt sich. Durch den Regen der Tage zuvor waren die Mulch-Wege weich wie Moos.
Summsteine, Kräutergarten, Venenschule, Kokosnussfolter und Zitterbalken. Wir ließen nichts aus. Mitten im Birkenwald gab es eine Lichtung, wo Hängematten zum Ausruhen lockten. Hier hätte ich gerne die Zeit an einem stillen Wochentag verbracht, um den Himmel durch das Guckloch zwischen den Baumwipfeln zu beobachten, aber angesichts von Horden johlender Kinder lies die Tiefenentspannung auf sich warten. Zum Trost genehmigte ich mir später an der Baubude von Waldemar einen leckeren Flammkuchen, bevor wir uns am Ausgang die braunen Füße sauber schrubbten und uns wieder in die Schuhe zwängten, die im Schließfach deponiert waren.
Ein toller Tag!
An den Abenden in Berlin zeigte ich meiner Gastgeberin, wie ein Album in belgischer Bindung anfertigt wird. Ihre Version hat mir so gut gefallen, dass ich zu Hause schnell ein ähnliches Exemplar zusammengebaut habe. Es beherbergt nun alle Eintrittskarten, Prospekte, Fahrpläne, Postkarten, Visitenkarten, Notizzettel und sonstige Erinnerungen aus Papier, die ich in Berlin wie immer reichlich gesammelt habe.
Die belgische Bindung entwickelt sich mehr und mehr zu meiner Lieblingsbindung. Sie ist schnell gemacht und sieht gut aus.