Sonntag, 1. Mai 2022

Frühlings-Post-Kunst – der Gedankengarten

Wiedermal haben sich weit über 200 Leute zusammengefunden, um an der aktuellen Aktion von Michaela und Tabea vom Post Kunst Werk teilzunehmen. Die Rahmenbedingungen sahen vor, einen DIN A3-Bogen zu bemalen und nach vorgegebenem Muster zu falten. Das entstandene Büchlein sollte im Anschluss unter dem Thema „Gedankengarten“ gestaltet werden. In 35 Gruppen aufgeteilt kam es, dass ich an 7 Teilnehmerinnen von Gruppe 14 versenden sollte.




Mit Prosa und Poesie konnte ich mich noch nie anfreunden, aber solch ein Faltbuch ist schnell gemacht und bietet unendliche Möglichkeiten. Wie aufwändig die Ausschmückung dann wird, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Ich habe alles gegeben was zeitlich ging und setzte mich wie so oft ein kleines bisschen über die Anweisungen hinweg. Statt meine Niederschriften in bloßer Handschrift auszuführen, wollte ich die Gestaltung mit verschiedenen Schriften üben, mit Buchstaben spielen und ein bisschen kalligraphieren. 13 Unikate sind auf diese Weise entstanden – jedes mangels Hingabe zu blumigen, aus der Luft gegriffenen Texten stattdessen mantramäßig mit dem jeweiligen Namen der Empfängerin. Von Beginn an war somit festgelegt, wer welches Heft erhält. Jede Doppelseite weist zumindest den Anfangsbuchstaben des Namens der „Zielperson“ auf.



Nach der Grundierung des nackten Aquarellpapiers mit flüssiger Wasserfarbe (wunderschöne, fertig angemischte Farbtöne in kleinen Tintengläschen – sehr praktisch) wurde der Bogen zum One-Sheet-Book gefaltet. Es entstanden 8 Doppelseiten, die im Anschluss jeweils ein anderes Layout bekamen. Die Reihenfolge der Seitengestaltung richtete sich dabei nach dem Erscheinungsbild des Untergrundes und ist in jedem Heft anders.






1. Seite – Moosgummidruck

Das billige Alphabet aus Selbstklebebuchstaben lag schon ewig in der Kiste. Es sieht doch gar nicht schlecht aus, wenn es als Stempel benutzt und mit weißer Acrylfarbe gedruckt wird.




2. Seite – Text in Linien - Druckbuchstaben

Geschrieben in Großbuchstaben mit dem besten weißen Stift, der auf dem Markt erhältlich ist (Uni Ball Sigma), der aber unverschämt teuer (bis zu 4,50 €) und sehr, sehr schnell leer ist, und für den es zwar Nachfüllminen geben soll, die aber kaum ein Händler vorrätig hat. Die Nachfüllminen müsste ich bestellen und wiederum ordentlich Porto und Versand bezahlen. Gefällt mir nicht!

Gut eineinhalb 1 1/2 Stifte sind für diese 13 Heftchen draufgegangen.

 





3. Seite - Schriftenblöcke

Druckbuchstaben ohne Wort- und Zeilenabstände füllen ein Farbfeld aus, wobei der Text in der nächsten Zeile einfach weiter läuft. „BIRGITSGEDANKENGARTENBIR“ oder so ähnlich ...

 



4. Seite – Handschrift im Rahmen und Blüte

Hier gibt’s tatsächlich mal meine Handschrift zu sehen. Die Punkte auf der stilisierten Blüte sind mit Enamel Dots gesetzt, die deutlich spürbar dreidimensional auftrocknen.

 



5. Seite – Blumenstempel und Schrift in Kurrent

Carmens Naturdrucke haben mir in ihrer Extrapost so gut gefallen, dass ich eine der Blüten als Stempel nachgeschnitzt habe. Genau wie im Vorbild laufen die Blumen nun quer über die Seite. Parallel dazu habe ich Textzeilen in Kurrent geschrieben.



6. Seite – Blümchenschrift

Der Name der Post-Kunst-Empfängerin ist hier wechselweise aus einem Blüten-Buchstaben und einem Buchstaben in Blockschrift geschrieben. Keine Kunst, eher ein Zeichen von Mangel an besseren Ideen. Die Seite wurde auch nach mehrfachen Überarbeitungsversuchen nicht besser.




7. Seite – Initial und stilisierte Blüte

Der große Buchstabe ist frei aus Butterbrotpapier geschnitten und mit Serviettenkleber auf die Seite geklebt worden. Dann bekam er einen Pelz aus kurzen weißen Strichen (ein einzelnes Exemplar des Büchleins in schwarz existiert unter den vielen weißen), was ihm ein etwas wildes, biestiges Aussehen gibt. Die stilisierte Blüte gefällt mir hervorragend dazu. In den meisten Heftchen ist dies eine meiner Lieblingsseiten.

 




8. Seite – gotischer Kleinbuchstabe und Blüte

Ursprünglich sollte hier ein Zentangle hinkommen. Schon bald wurde deutlich, dass allzu kleinteilige Zeichnungen auf unruhigen Hintergründen gar nicht gut wirken und ich vergrößerte das Blütenmotiv, bis nur noch eine einzige Blüte übrig blieb. Teilnehmerinnen können anhand der Mustergröße sehen, ob ihr Heft am Anfang der Zeichenserie entstand oder eher am Ende.

Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein Initial als gotischer Kleinbuchstabe, geschrieben mit breiter Feder und Sennelier Schellacktusche. Diese Übung hat mir wohl erst richtig Spaß gemacht, nachdem ich begriff, dass das Aquarellpapier zuerst mit Acryl Firnis (Varnish) matt versiegelt werden muss, damit die schöne, weiße Tusche nicht in den Untiefen der Papierfasern versickert und völlig verblasst.

 



Jedes Cover erhielt sein individuelles, frei ausgeschnittenes Initial – den Anfangsbuchstaben des Vornamens der jeweiligen Empfängerin, mit weißen Linien umkreist, so dass er wie ein Monolith im Zengarten wirkt. 

Zwischendurch überkam es mich, aus den Buchstaben Worte zu legen. BETA, GATTER, REBE, … welche Worte fallen euch noch ein?

Da ich diesmal nicht wie üblich zuerst alles komplett produziert und danach adressiert habe, sondern von Anfang an für jeden persönlich ein Büchlein gestaltet wurde, blieb am Ende leider keine weitere Tauschpost mehr übrig und auch keine Reserve, falls etwas auf dem Postweg verschwindet. 

 



Das Buch „Waltraud“ (Name von der Redaktion geändert) war mein allerliebstes, aber diesmal konnte ich das Schönste nicht für mich behalten. Ein bisschen Trennungsschmerz kam auf, ganz nach dem alten Codex der Postkunst, der besagt, man solle nur die Briefe versenden, die man eigentlich gar nicht weggeben möchte. Da es aber keine Alternative gab, musste das schöne Blatt seine Reise ins Ungewisse antreten, nachdem ich es zum Abschied von allen Seiten fotografiert hatte. Das ein- oder andere Buch trug mittlerweile schon leichte Gebrauchsspuren davon, weil ich es mir selbst immer und immer wieder angesehen habe. 

 

Die gepunzten Banderolen, die die Büchlein zusammenhalten, habe ich in meiner Buchrezension zu "Papier prägen" Anfang April schon gezeigt

 

Ich habe mich diesmal wirklich lange mit der Post Kunst beschäftigt. Wahrscheinlich mache ich im Sommer mal eine Pause, aber spätestens im Advent bin ich wieder dabei, wenn es darum geht, 24 gleiche Karten zu gestalten, 23 davon zu versenden und 23 andere zu empfangen.

Hoffen wir, dass es dann noch Papier gibt  😏



Freitag, 15. April 2022

Seepocken an Schwemmholz mit gedörrter Beilage

Ein schönes Stück von Wasser geformtes, dunkelbraunes Schwemmholz brachte ich im letzten Jahr von meiner Sylt-Reise mit. Mari Bohley hatte mich dazu angeregt, ein Buch mit ebenso dunkelbraunem Aquarellpapier daraus zu binden.


Das Holz lies sich erstaunlich leicht in zwei Hälften sägen und lochen. Die auf Format gerissenen Papiere sind mit hoch pigmentierter Aero Color Professional gefärbt und mit kryptischen Zeichen (asemic writing) beschrieben. Für die Koptische Bindung habe ich gewachstes Baumwollgarn verwendet.







Erinnert das Buch an einen Sarkophag, ein belegtes Baguette oder an einen Daumen? Lüfte das Geheimnis! Sende mir deine Botschaft!








Donnerstag, 7. April 2022

Buchrezension: Papier prägen von Katja Falkenburger

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Ich kann nun schon einen recht ansehnlichen Stapel von Kreativbüchern aus dem Haupt Verlag Gestalten mein Eigen nennen. Eins mit geprägtem Titelbild war bisher noch nicht dabei. Wie schön ist es doch, mit den Händen über das Cover zu streichen und zusätzlich zum Sehen die dritte Dimension zu spüren! Katja Falkenburger macht es mit „Papier prägen“ möglich. Sie nimmt uns mit auf eine Reise durch haptisch erfahrbare Strukturen, die ein Papier geduldig erträgt.


Die Autorin ist selbstständige Designerin. Anlass zur Erforschung der Verhaltensweise von Papier, wenn man es mit Meißeln schlägt, drückt, quetscht, stanzt und treibt, war ein Kundenauftrag. So näherte sie sich dem Thema Prägen und vertiefte sich mit der Zeit immer mehr in Versuche mit unterschiedlichen Papiersorten und Vorgehensweisen. In diesem Buch beschreibt sie, wie man mit einfachen Mitteln Werkzeuge selbst herstellt und widmet sich dann ausführlich den verschiedensten Schlagtechniken und der jeweils damit erzielten Wirkung.



Ihre Beispiele sind edel - nicht nur auf Weiß sondern auch auf gefärbtem Papier, wo der Schattenwurf der Prägung mit Aquarell, Buntstiften und Grafik konkurriert.

Ihre vielfältigen Musterkarten allein sind schon Anreiz genug für eigene Versuche, darüber hinaus gibt es aber etliche Anwendungsbeispiele, weit ab vom Kitsch der Bastelei und trotzdem leicht nachzuarbeiten. Katja Falkenburger nennt es: „Das Malen mit Hammer und Meißel auf Papier“, weiß aber auch: „Papier lässt sich quälen“. Aus Punkten, Linien und Flächen werden zarte Blumenwiesen, schöne Post und neue Buchcover.





Buchcover …. da rappelt es in meinem Hirn und statt der hübschen Beispiele von Frau Falkenburger machte ich mich quasi im Selbsttest daran, das Buchcover von „Papier prägen“ nachzubauen. Statt Werkzeuge selber anzufertigen kramte ich Schraubenzieher und Stecheisen aus der Schublade hervor und statt zu hämmern (meine Nachbarn wissen es zu schätzen) drückte ich die Gerätschaften mit Muskelkraft ins Papier. Kein großer Aufwand. Ich versuchte eine Reihe unterschiedlicher Unterlagen wie Pappe und Silikon, gebe aber zu: gegen das Original ist mein schnell gemachtes Büchlein Murks geworden. Ich hätte mich besser an die Anweisungen im Buch gehalten. 


Selber schuld: abgenutzter Schraubenzieher erzeugt ungleichmäßige Prägespuren




Geprägte Banderolen für meine Frühlingspost - die Idee kam mir angesichts dieses "Symbol-Gedichtes"






Was möchte ich denn als Nächstes ausprobieren? Faltkantenprägung, also Verzahnung oder Verbindung von zwei Papierlagen z.B. an Schachteln. Tolle Idee! Stanzprägung, die wie bei einer Perforation das Material durchtrennt, um freie Formen mit gleichzeitig geprägten Rändern zu erzeugen. Kopier- und Spiegelprägung über mehrere Lagen hinweg. Treiben mit einer Kugelpunze. Knickprägung, hoch, tief, senkrecht, schräg …. merkt ihr was? Da steckt weit mehr hinter, als man im ersten Moment ahnt, denn wer dem Papier eine zusätzliche Ebene verleiht gewinnt im wahrsten Sinne des Wortes neue Eindrücke.

Katja Falkenburger hat mit „Papier prägen“ ein Grundlagenwerk geschaffen, das es so bisher nicht gab. Sie beschreibt Methoden und Effekte detailliert und übersichtlich. Nicht zuletzt dank hervorragender Fotos und aufgeräumtem, abwechslungsreichem Layout ist es ein Augenschmaus, der nie trocken oder langweilig wird. Ein gutes Fachbuch (in Fadenheftung 👍) für jede Kreativ-Bibliothek, dass mir dankenswerterweise vom Haupt Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt wurde. Soeben hat der Verlag einen wunderbaren, tieferen Einblick ins Buch veröffentlicht. 

Ostern kommt. Zeit Wünsche zu äußern oder selber welche zu erfüllen. Zeit für kreatives Ausprobieren. Ich wünsche euch viel Spaß beim Prägen mit feinen, selbstgemachten Eisen.


Donnerstag, 10. März 2022

Ice Dyeing – ein Workshop mit Jude Kingshott

Antriebslos? Gelangweilt? Von dunklen Gedanken zerfressen? - Da hab ich was für euch: Life-Workshops!!

Das Wichtigste in miesen Zeiten ist doch Abwechslung und Gemeinschaft! Raus aus der Bude, an die frische Luft und mit (oder ohne) Abstand unter Menschen. Neue Ideen und Ziele fegen das Hirn frei und befreien aus der Lethargie! Wirf die Pillen weg, überwinde den inneren Schweinehund und mach dich auf die Socken! Jeder ist für sich selber verantwortlich, also tu was Gutes für dich. Triff Gleichgesinnte, lerne Neues und gönn dir mal was.

Ende Februar war Jude Kingshott wieder zu Gast bei Brunhilde im Textilstudio Speyer. Nachdem ich im letzten Jahr kurzfristig wegen der Seuche mit dem großen „C“ eine Absage kassieren musste, habe ich nun gleich zwei Workshops nacheinander mit ihr gebucht: Stitched Shibori und Ice Dyeing. Da ich mit dem Sticken nicht so flott bin, berichte ich erst einmal über den zweiten Kurs.

Ice Dyeing ist eine ausgeklügelte Technik, wasserfestes Papier und Stoff mit Hilfe von Eiswürfeln (!) und Farbpigmenten in kleine Träume zu verwandeln. Wer ist nur auf diese Idee gekommen? Naturfasern in weiß oder bunt werden nach Shibori-Art gefaltet und unter einem Häufchen Eiswürfel begraben. Darüber verteilt man neben Soda auch das hochpigmentierte Procion Pulver in ausgewählten Farben. Durch das Schmelzen der Eiswürfel entstehen einerseits Mischfarben, andererseits spalten sich Zwischentöne auf, sodass die Ergebnisse für den Laien nur schwer vorhersehbar sind und selbst der Profi immer wieder Überraschungen erlebt.






Nach der Eisschmelze zeigt sich das erste Grün.



Mein erster Färbedurchgang sollte ein knalliges Grün auf Baumwollstoff und Wenzhou Papier hervorbringen. Dank Judes Kompositionsvorschläge aus Lemon, Teal und Schwarz zeichnete sich nach der Eisschmelze über Nacht tatsächlich ein giftiger Schleier ab. Die eng verschnürten Päckchen wurden abgespült und ausgewickelt. Es entfaltete sich eine prächtig leuchtende Farbpalette in so vielen harmonischen Grün-Abstufungen, wie ich sie nie hätte selber anmischen können. Mit „Ohs“ und „Ahs“ der zuschauenden Teilnehmer wurde nicht gespart. Jude und Brunhilde waren am Ende des Kurses selber erstaunt, wie gut die Ergebnisse aller geworden sind.
1. Tag - Mandala aus Wenzhou Papier


Spezialpapier von Jude aus England

Baumwollsatin



Beim zweiten Durchgang machten wir Versuche mit Seide und Organdy. Zusammen mit Baumwollsatin und Papier verschnürten wir immer zwei Materialien zu einem Päckchen, wahlweise zusammengehalten von Metallklammern oder Gummiringen, was wiederum Einfluss auf die Ergebnisse hat. Deutlich experimentierfreudiger geworden färbte ich nun mit Mustard, Stormy Sky und Silk Black und mischte ein paar meiner vorgefärbten Stoffe unter die weißen. Kaum zu glauben, welche Vielfalt an Ergebnissen diesmal in nur einem Färbevorgang zustande kam.

2. Tag – ein Bündel aus Baumwollsatin und Wenzhou Papier


Wenzhou Papier


Vorgefärbter Stoff in Teal

Vorgefärbter Stoff in Gelb





Das Angebot, einen dritten Eimer gefüllt und tropfend im Zug mit nach Hause zu nehmen, nahm ich nur zu gerne an. Über Nacht arbeiteten sich Magenta, Silk Black und Gray durch das Eis. Die Farben reagierten untereinander, vermischten sich und spalteten sich auf. Was sich daraus entwickelte, hat mich total begeistert. So könnte ich immer weiter machen. Nur zerschneiden und vernähen möchte ich die kostbaren Einzelstücke nicht. Sie kommen auf Kleiderbügeln in den Schrank und werden immer mal wieder gestreichelt.

3. Tag – Schon kleinste Unterschiede in der Faltung geben der Seide ein völlig anderes Muster


Wenzhou Papier




Mandala aus Wenzhou Papier

Organdy (oben) und Papier (unten) zusammen in einem Bündel

Seide (oben) und Papier (unten) als doppeltes Mandala zusammen in einem Bündel




Vorgefärbter Stoff in Orange


Vorgefärbter Stoff in Ecru



Na, immer noch im Jammertal der Trostlosigkeit? Jeromin Werkladen hat noch Termine frei und befreit garantiert aus der Schockstarre! (Nicht ohne Nebenwirkungen. Vereinzelt wurden Suchterscheinungen beobachtet.)


Liebe Grüße!


PS.: Übrigens war Susanne auch unter den Teilnehmerinnen. Hier könnt ihr lesen, was sie über den Workshop berichtet.