Freitag, 10. Dezember 2021

Mark Making - Mixed Media - Minibook Menagerie

Selten war ich so unschlüssig, ob ich meinen Bericht über drei tolle Tage bei Jeromin in einen Blogbeitrag stopfen oder aufteilen soll. Ich habe so viele Bilder, die ich euch zeigen möchte, und müsste so vieles schreiben. Mal sehen, ob ich es hinkriege, mich kurz zu fassen.

Eingefleischte Blogleser kennen meine Lobeshymnen auf Jeromin-Workshops, deshalb werde ich sie mir diesmal weitgehendst verkneifen. Dass die Tage dort äußerst anregend für Geist und Seele sind, hat sich ja schon herumgesprochen. Ich bin einfach in meinem Element, wenn ich in Mannheim oder Speyer an einem dieser Kurse teilnehme.

Brunhilde und Fritz hatten „Mixed Media Bücher mit Tusche und Naturfarben“ auf dem Programm und mussten sich permanent drosseln, um unsere Aufnahmekapazitäten mit ihrem immensen Wissen nicht zu überfordern. Kenner wissen, wovon ich spreche. Nach drei Tagen sind alle platt und glücklich.

Jede Teilnehmerin dufte sich wieder an einem eigenen, großen Tisch im Werkladen ausbreiten, der bereits mit etlichen, für die Arbeit notwendigen Materialien bestückt war. Der zusätzliche Extra-Tisch mit allerlei speziellen Utensilien - Pigmenten, Tinkturen, Lasuren, Gerbstoffen, Beizen, Garnen und weiß der Kuckuck was - füllte sich ständig, bis er so voll war, dass Brunhilde zum Abstellen auch noch den Boden unter dem Tisch dazu nehmen musste.

Ich tat mich anfangs etwas schwer. Das fortgeschrittene Alter (stöhn) und die endlose, weltweite Belustigungssperre (seufz) machten sich bemerkbar, aber ein kleiner Wutausbruch, weil was ich tun wollte nicht auf Anhieb klappte, löste den Nebel in meinem Kopf und beförderte mich mit Karacho in den Flow. Ich schwang Bürsten und Besen (ja! Bürsten und Besen!) mit Erdfarben und schwarzer Tusche über die Pappen und produzierte ein schönes Blatt nach dem andern. Das brachte mich dann auf gerader Linie an das Ziel meiner Wünsche: Buchbinderei ohne verstaubte Traditionen.


Mit Erdpigmenten und Indian Ink bemaltes Aquarellpapier




 

Sechs ganz unterschiedliche Bücher entstanden ohne Mühe, die ich euch nun der Reihe nach vorstelle. Schaut mit Muße. Die Bildunterschriften verraten Näheres. Während des Kurses habe ich leider nur wenige Fotos gemacht. Ich war wohl zu beschäftigt. 😁


Ein großer Bogen Aquarellkarton, beidseitig mit Strohbesen, Topfbürste und Kamm schwarz bemalt, wurde zum One-Sheet-Book gefaltet. In die Stecktaschen schob ich mit Erdpigmenten bemalte Papiere.














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Selbst beim Säubern der Malutensilien (das waren Balsaholz, Äste, Bürsten und andere seltsame Gerätschaften) oder beim Abklatsch von nasser Farbe entstanden noch interessante Papiere.









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Minibook aus dem Reststreifen eines bemalten Aquarellbogens.


















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Sämtliche Probebogen Aquarellkarton, auf denen ich Farben und Techniken ausprobiert hatte, zerteilte ich auf Postkartengröße, als ich nicht mehr aufhören konnte, Ringe aus Acrylglas als Stempel für Erdpigmentfarben zu verwenden.
Zu Hause wurden alle Ring-Drucke zu einem Ring-Buch gebunden und die Umschlagpappe mit zerriebenen Ziegelsteinen bemalt. Wie das geht, hatte ich in einem früheren Kurs von Fritz gelernt.













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Organdy, ein hauchzartes, erstaunlich formstabiles, weißes Gewebe, lässt sich hervorragend bearbeiten. Ich habe ihn mit Gerbstoff, Titan- und Eisenbeize behandelt.





Gegensätze ziehen sich an. - Gefärbter Organdy, in Verbindung mit schwarz-weißem Aquarellkarton zum Leporello gefaltet.











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Organdy Leporello Version Nummer 2 - anders gefaltet und mit Fäden verbunden.














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Ein federleichtes, ca. A4 großes, knisterndes Etwas aus den allerfeinsten Papieren, düster eingefärbt mit Gerbstoff, Titan und Eisenbeize, teilweise mit Schellack überzogen. Wenzhou Papier, Seide, ein Eco-Print von Brunhilde, Organdy, Mullbinde, Teebeutel. Dieses, mein persönliches Highlight, wäre alleine schon einen Blogbeitrag wert!















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Alle sechs auf einen Blick.








 

Die Arbeitsunterlage wurde zum Schluss auch noch bemalt. Die ging gerollt als Ganzes mit nach Hause.



 

Na, gefallen euch meine Werke? 

Mein Fazit: Kooperation Scheidmeir/Weigt wiedermal äußerst erfolgreich gelungen. Brunhildes Anregungen und Vorbereitungen sind auf furchtbar fruchtbaren Boden gefallen. Das macht Spaß und natürlich auch ein bisschen stolz!

Christine und Ghislana waren übrigens auch dabei. Wenn ihr die Minibücher der beiden seht, glaubt ihr kaum, dass wir zur gleichen Zeit das Gleiche gelernt haben, die gleichen Anleitungen und die gleichen Materialien zur Verfügung hatten und sogar Tischnachbarn waren. Jede hat ihr Ding gemacht – jede auf ihre Art wunderschön.

Eins noch: zum Thema Gerbstoff und Beizen gibt es einen „Workshop Zuhause Nummer 12“ mit Materialpaket und Zugang zu 9 kleinen Videos, mit dem ihr euch einen Teil des Wissens aus unserem live Event nach Hause holen könnt und in Ruhe nacharbeiten. Jederzeit verfügbar auch für alle Ungeimpften, Ungetesteten, Ungenesenen und anderweitig Verhinderten.

Tschüs, das wars für heute.



Sonntag, 28. November 2021

Ein kleines Art Journal

Manchmal passt einfach alles zusammen. Es war im September, als ich mich für vier Wochen im Haus eines Bekannten am Rande des Odenwalds aufhielt und genau zeitgleich ein kleiner, nicht aufwendiger aber witziger online-Workshop von Alisa Burke stattfand. Ein paar wilde, bunte Vorschaubilder in ihrem Instagram Account brachten mich darauf und die tägliche Prise Gestaltung ohne viel Material mitschleppen zu müssen schien genau das Richtige für mich zu sein.





Ein billiges A6-Notizheft mit Rechenkästchen und ebenso billige (nicht empfehlenswerte) Acrylfarbe gab es vor Ort im Kramladen um die Ecke. Schere, Pinsel, Filzstifte und Klebstoff fand ich unten im Büro.

Journal Petite für gerade mal 10 US$, das sind rund 8,85 EUR, bot allabendlich um 18 Uhr MEZ über 30 Tage hinweg ein nettes, kleines Video mit Begleittexten als Anregung zur Gestaltung einer oder mehrerer Art Journal Seiten. Ich malte tagsüber, was Alisa am Abend zuvor (wegen der Zeitverschiebung) vorgeschlagen hatte, und wartete immer schon gespannt darauf, wie es im nächsten Kapitel weitergehen würde.







Am Ende des Monats war mein Heft voll und ich fast süchtig nach diesen Kreativ-Impulsen.

Ist das nicht eine schöne Erinnerung? Was hätte ich ansonsten mit der Zeit angefangen? In der Sonne gelegen? Ausflüge gemacht? Ja, sicher gab es das zwischendurch auch. Aber ich habe mich mit Freuden für kleine kreative Erfahrungen entschieden, weil ich nun mal so bin.






Montag, 8. November 2021

Schriftbilder - die wunderbaren Wandlungen des großen E's

Meine Rezension zu Denise Lachs Buch "Schriftbilder" hat Spuren hinterlassen. Nicht so, wie die Kalligrafin es sich wohl erträumt hätte. Nicht wie bei ihr mit Stiften und Farben sondern ganz ohne derartige Hilfsmittel habe ich dem edlen weißen Papier die unschuldige Oberfläche geraubt.






Mit Skalpell, Lithonadel, Schere, Locher, Pasten und Tinkturen, mit Prägefolder, Stanzen, Fäden und Ösen habe ich dem immer gleichen E eine neue Fasson verpasst. Angekokelt über einer Kerze bändigte ich den rußigen Rand eines willenlosen E's schließlich mit Pinsel und Matte Medium, auf das mir ja nichts von dem staubigen Schwarz die anderen blütenweißen E's beschmutzt.








Vierzehn in einer Reihe, Arm in Arm fest verknotet durch Fadenstücke aus gedrilltem  Baumwollgarn. Edler wäre gewesen, stattdessen einen Goldfaden zu verwenden, aber ich wollte ja keine Farben.







Ein feines Häufchen Papier, fotografiert bei trübem Licht, bearbeitet, bis halbwegs etwas Brauchbares daraus wurde. Mit knappem Text, so wie Denise es vorgemacht hat.   :-)








Montag, 11. Oktober 2021

Schriftbilder – die 150 Variationen der Denise Lach

Habt ihr es schon gesehen? Das 3. Buch von Denise Lach ist da! Denise, die im Juni bei Jeromin in Mannheim anlässlich eines Workshops einen beachtlichen Eindruck hinterlassen hat. Denise, von der schon 2 Bücher in meinem Regal stehen - für Zeiten, in denen ich endlich mal die Ruhe finde, all meine Automatic- und Cola Pens auszuprobieren und mich der Gestaltung von Schriften zuwende.



Mein erster Eindruck vom Buch war: oh, riecht das gut! Der Haupt Verlag hat mir dankenswerterweise ein Exemplar zur Rezension geschickt, so kam es ganz frisch und fast noch warm aus dem Druck.

Nach den beiden deutschsprachigen Büchern „Schriftspiele“ und „Schriftreise“ geht es im neuen Buch „Schriftbilder“ um 150 Variationen eines Zitats, das übersetzt etwa lautet: „Selig der, der nichts zu sagen hat und trotzdem schweigt.“ Wie weise!



Von einer quadratisch gestalteten Textur ausgehend setzt sich Denise Lach feste Regeln, nach denen sie Eingriffe in das Erscheinungsbild vornimmt. Es wird gezeichnet, geschnitten, genäht, gedruckt, gestempelt, geprägt, gelocht, gedreht, geschichtet und mit unendlich vielen Möglichkeiten gespielt. Auf digitale Hilfsmittel wie Computer oder Grafiktablett wurde dabei völlig verzichtet.



Denise Lach hinterfragt, welche Emotionen ein Buchstabe durch seine immer wieder veränderte Konstruktion erweckt. Ihr Wunsch ist, die grenzenlose Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Grafiker und Kunsthandwerker zu inspirieren und zum Experimentieren einzuladen.

Schwer nachvollziehbar ist für mich die erstaunliche Disziplin, Akribie und Sorgfalt, mit der sie ihre Ideen umgesetzt hat, das Feingefühl für Ausgewogenheit und Spannung und die Ausdauer, das Thema so intensiv zu bearbeiten. Wie unendlich viel Zeit muss die Vorbereitungen zum Buch wohl gekostet haben?




Das Layout des neuen Buches ist genau so wunderbar aufgeräumt und klar wie das der vorherigen Bücher. Die Bildbeschreibungen sind kurz und präzise, die Fotografien mit Schatten und Graustufen sind professionell. Gerne hätte ich davon noch viel mehr gesehen. Zahlreiche Schriftgestaltungen, Letterings, Kalligrafie und Graffitis wurden für das Buch in makellos digital gesäuberte Strichzeichnungen umgewandelt. Das sieht gut aus, lässt aber aufgrund fehlender Strukturen und Schattierungen keine Rückschlüsse auf Haptik, Technik oder Materialien zu.




Für Gewöhnlich schätze ich an Fachliteratur wie dieser neben dem angenehmen Äußeren vor allem den praktischen Nutzwert im Bezug auf die Gestaltung meiner eigenen Papierarbeiten. Diesen Nutzwert hat das Buch ohne Zweifel und so kreisen meine Gedanken um ein blütenweißes Leporello aus Buchstaben, die ich in Anlehnung an die vorgestellten Schriftbilder gestalten will: fett, elegant, gestrichelt, liniert, strukturiert, umrandet, gezackt, schraffiert, halbiert, gemustert, zerschnitten, konturiert, variiert, gezahnt, dreidimensional, floral, koloriert, verbunden, textil. Ganz nach Herzenslust und mit der mir eigenen Lässigkeit.



Vielen Dank an den Haupt Verlag, der mich mit „Schriftbilder“ vom wilden, bunten Mixed Media Zaubergarten in die edle, feine Welt der mit Bedacht ausgeführten Schriftzeichen entführte. Größer und schöner kann ein Kontrast kaum sein.