Samstag, 7. August 2021

Berlin zwischendurch

Ein paar Tage Berlin haben noch nie geschadet. Ich hatte mir im letzten Jahr günstige Gutscheine für den Flixbus gekauft, bevor man in der Zentrale entschied, coronabedingt mehrere Monate zu pausieren. Die Strecke ab Koblenz ist noch immer stillgelegt, da aber die Gültigkeit meiner Billigtickets ablief, musste ich mit dem Zug zuerst nach Bonn fahren, um die Buslinie zu nutzen, die von dort losfuhr.

Die Fahrt war ewig lang und wackelig hinten in der letzten Reihe, aber auch irgendwie gemütlich und schön ruhig. Der Bus war nur locker besetzt und kam super pünktlich in Berlin an.

Blick auf die Oberbaumbrücke

Regenwetter! Ich spazierte meine „Pflicht-Meile“ ab, die ich bei jedem Berlin-Besuch absolviere: Alexanderplatz – Museumsinsel – Friedrichstraße. Baustellen an allen Ecken! Aber der Lückenschluss der U5 mit den Stationen „Rotes Rathaus“, „Museumsinsel“ und „Unter den Linden“ ist gerade eröffnet worden, also geht es doch vorwärts. Auch das nach altem Vorbild neu errichtete Schloss konnte endlich besichtigt werden, zumindest von außen. Am Hintereingang hielt gerade eine Stretchlimousine, die mir nur deshalb ganz deutlich auffiel, weil sich vier unsympathische, breitbeinige Security-Männer im Hof aufbauten.

„Rotes Rathaus“ - eine der 3 nagelneuen U-Bahn-Stationen der Linie 5


Schlange stehen kennen die älteren Ostberliner ja noch gut!






Corona-Test-Bauchladen – erinnerte mich irgendwie an die vietnamesischen Zigaretten-Verkäufer, die es früher in Berlin zuhauf gab.

Photoautomaten-Bilder gehen auch bei Regen. - Neu: mit integriertem Desinfektionsmittel-Spender!


 

Die beste Idee bei schlechtem Wetter war, sämtliche Künstler- und Bastelgeschäfte abzuklappern, die uns einfielen. Zwei volle Tage haben wir damit verbracht, wobei eine gewisse, nicht abzustreitende Übersättigung die Einkäufe von Laden zu Laden kleiner werden ließ. Nach Friedrichshagen trieb uns die Neugier auf eine Papierwerkstatt in einer schnuckeligen, alten Druckerei. Diesen Ortsteil kannte ich noch nicht und ich war überrascht, wie wunderschön der ehemalige Osten Berlins hergerichtet worden ist, ohne die alten Fassaden zu versauen. Hier war es auffällig sauber, frei von Baustellen, Hektik und Lärm, mit netten Läden. Das muss ich mir irgendwann noch mal genauer ansehen.





Überhaupt war Berlin in diesen Tagen nicht so überfüllt. Da fehlen wohl coronabedingt die Touristen aus aller Welt, die Amerikaner und Asiaten, die ansonsten alle 1 x im Leben in Berlin gewesen sein müssen. Pflichtprogramm vieler Reiseunternehmen und Individualreisender.

Für Samstag versprach der Wetterbericht Sonne. Wir fuhren nach Beelitz, wo ein ausgedehnter Baumwipfelpfad durch das Gelände der ehemaligen Lungenheilstätte führt. Mano hatte vor Jahren davon berichtet und seitdem wollte ich hin. Wunderschön, kann ich euch sagen! Liebevoll gestaltet und tip-top gepflegt. Die über 100 Jahre alten, verfallenen Gebäude strahlen viel Charme aus. Bäume wachsen auf den Dächern und Büsche aus den Fenstern. Drumherum in der großzügigen Parkanlage finden sich gemütliche Restaurants in Holzhäusern, urige Imbisswagen und die unterschiedlichsten Sitzbereiche. Ein Ort zum Erholen, Entdecken und Fotografieren.




Gleich nebenan befindet sich ein Barfußpark, mit 3,6 km der größte und schönste den ich kenne. Wer schon immer mal über Glasscherben laufen wollte oder gerne kühlen, matschigen Lehmbrei zwischen den Zehen spürt, dem sei gesagt: der Weg lohnt sich. Durch den Regen der Tage zuvor waren die Mulch-Wege weich wie Moos. 




Summsteine, Kräutergarten, Venenschule, Kokosnussfolter und Zitterbalken. Wir ließen nichts aus. Mitten im Birkenwald gab es eine Lichtung, wo Hängematten zum Ausruhen lockten. Hier hätte ich gerne die Zeit an einem stillen Wochentag verbracht, um den Himmel durch das Guckloch zwischen den Baumwipfeln zu beobachten, aber angesichts von Horden johlender Kinder lies die Tiefenentspannung auf sich warten. Zum Trost genehmigte ich mir später an der Baubude von Waldemar einen leckeren Flammkuchen, bevor wir uns am Ausgang die braunen Füße sauber schrubbten und uns wieder in die Schuhe zwängten, die im Schließfach deponiert waren.

Ein toller Tag!

An den Abenden in Berlin zeigte ich meiner Gastgeberin, wie ein Album in belgischer Bindung anfertigt wird. Ihre Version hat mir so gut gefallen, dass ich zu Hause schnell ein ähnliches Exemplar zusammengebaut habe. Es beherbergt nun alle Eintrittskarten, Prospekte, Fahrpläne, Postkarten, Visitenkarten, Notizzettel und sonstige Erinnerungen aus Papier, die ich in Berlin wie immer reichlich gesammelt habe.





Die belgische Bindung entwickelt sich mehr und mehr zu meiner Lieblingsbindung. Sie ist schnell gemacht und sieht gut aus.






Donnerstag, 15. Juli 2021

MittwochsMix 6/2021 Weben + Spuren = ein dickes Musterbuch

Der MittwochsMix, eine kreative Herausforderung für alle die Lust zum Mitmachen haben, stand im Juni unter dem Motto Spuren und Weben. Ich hatte eine Reihe von alten und neue Ideen, die am liebsten alle auf einmal verwirklicht werden wollten und mein Arbeitseifer uferte entsprechend aus. Wie viel Zeit das kostet, darüber dachte ich gar nicht nach. Erst als sich die Arbeit in die Länge zog und mein Kopf schon um das nächste Projekt kreiste, fragte ich mich, warum ich mir das Leben so schwer mache. Ich könnte im Eiscafé sitzen und den Gesprächen am Nachbartisch lauschen oder am Rhein entlang spazieren und Pflanzen sammeln. Ich könnte eine Radtour machen und dabei etwas für die Gesundheit tun. Stattdessen sitze ich am Tisch und bastle eisern vor mich hin. Warum ist das so?

Diesmal, finde ich, hat sich die Arbeit gelohnt. Ich bin selber reichlich beeindruckt von meinem Musterbuch – vor allem von dem Cover, einem gewebten Auge mit Glaskörper aus in Streifen geschnittener Plastikfolie.

Wollreste von 1982 – reine Schafwolle, die meine Mutter gesponnen und ich dann gefärbt hatte


Einige der 10 Seiten aus dem Album


Das Album ist ein ziemlicher Brocken geworden - mit 24 x 33 cm deutlich größer als A4 und bei nur 10 Seiten ordentlich dick, aber sehr leicht, denn die Blätter sind aus gebrauchten Wellpapp-Kartons geschnitten, die allesamt Spuren ihres Vorlebens tragen. Mal sind es Risse, mal Flecken oder Löcher, Reste ehemaliger Adressaufkleber, aufgedruckte Farbprüffelder oder auch selbst hinzugefügte Spuren, denn ich habe manch einen Pappdeckel schon öfter als Unterlage beim Malen, Stempeln oder Kleben benutzt. 

Papierweben ist ein alter Hut und schon lange bei mir auf der to-do-Liste.



Vorder- und Rückseite - welche ist die Schönere?

Das 3D-Weben ist eine ziemliche Fummelei. Mit Stoffborden würde es leichter gehen.


Papierstreifen müssen nicht gerade sein, um sich verweben zu lassen.




Zwei Fotos werden zu einem.

Hier habe ich eine Laterne in die nächtliche Szene gesetzt.

Die Fassade des Wallraff-Richartz-Museums vor dem Kölner Dom durch Weben lebendiger gemacht.



Die Seiten sind in Waisenbindung zusammengenäht und verblendet mit einem Rücken, der dem Anschein nach eine verwebte Langstich-Bindung hält. Fauler Zauber. Musste aber sein, wenn ich schon einmal beim Thema Weben bin! 

Es fehlt noch ein schönes Plätzchen auf dem Schrank oder anderswo, um immer mal einen schnellen Seitenblick im Vorbeigehen auf das gewebte Auge werfen zu können, denn das will ich nicht wie so viele andere Alben einfach irgendwo zwischenschieben. Ich muss neuen Platz schaffen. Oder umziehen. 

Schaut mal, was den anderen Teilnehmern zum Thema Weben und Spuren so alles eingefallen ist. Das geht ganz einfach, denn Susanne und Michaela sammeln ja lobens- und dankenswerterweise alle Beiträge in einer Linkliste ;-)





Spinnweben auf der Rückseite des Buches

 



Mittwoch, 26. Mai 2021

Mittwochsmix Schnipsel+Nachhaltigkeit = Ein Knopfkartenbuch

Wiedermal sind es Äußerlichkeiten, die verhindern, dass ich ein altes, zerschundenes Buch in den Müll werfe. Entkernt und runderneuert ist ein Knopfkartenbuch daraus geworden und das ging so:



Ich habe den Buchblock mit einem Cuttermesser am Vor- und Nachsatz aus dem Umschlag geschnitten. Die alten Seiten können später bei anderen Projekten Verwendung finden.

Von innen wurde der Lederrücken zur Stabilisierung mit Gaze beklebt und dann mit schwarzem Gesso überpinselt. Im Anschluss habe ich die inneren Umschlagseiten mit Spiegeln aus CitroSolv-Papier beklebt. Auf alt gemachte Metallecken und ein Metallrahmen gefielen mir gut dazu.

Alte Knöpfe mit Erinnerungswert habe ich auf hübsche Postkarten genäht. Beides hatte sich über die Jahre in viel zu großen Mengen in den Schränken angesammelt und würde wohl kaum noch jemals seiner ursprünglichen Bestimmung zukommen. Ich sage nur: eMails und Kartenbasteln. Und für den Fall, dass mal ein Knopf an einem Kleidungsstück fehlt, ist immer noch reichlich Nachschub vorhanden. 

Oben ein Loch in die Karten stanzen und hinten ein Loch mit Öse in den Buchrücken machen. Buchring durch, auffädeln und freuen.






Wenn das mal nicht nachhaltig ist, liebe Susanne und Michaela, dann weiß ich auch nicht weiter. Ach ja, der Schnipsel, der in diesem Monat als zweites Schlüsselwort beim MittwochsMix Verwendung finden sollte, der steckt vorne im Rahmen. Ich habe in Kurrent das Wort „Knöpfe“ draufgeschrieben. Hoffentlich zählt das  ;-)





Freitag, 21. Mai 2021

Extrapost 2021 - Das Insektenalbum mit Raupenbindung

Wisst ihr noch? Anlässlich der Frühlingsaktion vom Post-Kunst-Werk hatte ich Tauschpartner für meine überzähligen Collagrafien gesucht. Für diese Extrapost sind auch Extra-Begleitkarten entstanden. Um das Trio zu vervollständigen, gesellte sich so zu dem vorhandenen Buchdrucker und der Bücherlaus nun auch eine Blattlaus.

Von der Abbildung im Lexikon über Durchzeichnung, Collagrafie aus Karton und Schnur, Versiegelung mit Firnis, bis zur lädierten Druckform.

Nicht immer sind die Drucke so schön wie die Druckform verspricht. Meine zarte Blattlaus gleicht eher einer fetten Motte.


Weil die Druckform mangels feuchtigkeitsresistenter Beschichtung schon nach wenigen Drucken Schäden an den filigranen Flügeln davon trug, kam noch eine Schaumzikade hinzu, sinnigerweise angefertigt aus Moosgummi – auch eine Art Schaum ;-)  

Ich weiß nicht, warum mich die Drucke an DDR-Design erinnern. Vielleicht liegt es an den Farben oder der fehlenden Modulation? Vielleicht sind es verschüttete Kindheitserinnerungen? Mir gefällt das jedenfalls.




Rund 4 Wochen brauchten meine mit Tiefdruckfarben gedruckten Doppelbogen der Insektenpost zum Trocknen. Ich hatte damals ja kurzfristig für meine Gruppe eine Serie in Acryl nachgedruckt, weil die Zeit drängte. (Wer die Geschichte nicht kennt, kann sie gerne mal lesen.) Man erkennt deutlich, wie unterschiedlich dick und deckend die Farben sind.


Drucke der Bücherlaus mit Tiefdruckfarbe (links) und Acrylfarbe (rechts) zum Vergleich nebeneinander.

Da auch meine Buchdruckerform aufgrund der Auflagenhöhe (44 Druckvorgänge) mehr und mehr litt, war noch einiges an Arbeit nötig, bevor die Extrapost verschickt werden konnte. So spendierte ich dem Käfer zum Beispiel einen Satz neuer Beine aus Moosgummi (im Bild unten rot). Damit gefiel mir das Tier sogar besser als ursprünglich. Ich aquarellierte einige Hintergründe sandfarbig oder malte die Körper aus. Das Insekt hat auf diese Weise von der ersten bis zur letzten Auflage eine regelrechte Verpuppung durchgemacht.





Nach und nach trudelten nun die Briefe meiner Tauschpartnerinnen ein. Teilweise passten sie wegen ihres Formates nicht durch den Briefschlitz, sondern standen eine Weile zur Freude der restlichen Hausbewohner oben auf dem Postkasten. Dicke Käfer, kleine Käfer, Wildblumenwiesen, Schmetterlinge und ein wunderschöner, genähter Briefumschlag mit Glasscheibendruck. Jede Überraschungstüte war es wert, aufbewahrt zu werden.

Eine wahre Pracht!


Ich wollte auf jeden Fall alles zusammenlassen, was da geschickt kam, und baute deshalb die Umschläge zu Mappen um. Ich schnitt die Kuverts an 3 Seiten auf, trimmte hier und da auf passendes Maß und klebte Begleitpost, Tütchen, Schnipsel und Bänder in die Innenseiten der Briefumschläge, so dass auch die Grußworte noch lesbar blieben.




Das Cover meines Albums sollte eine Raupenbindung bekommen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Raupen und Wildblumen, so war der Plan.


Die Acrylmalerei hielt auf dem kaschierten Karton nicht gut, deshalb habe ich alles mit Packpapier überklebt und die Blumenwiese aus bemalten Papieren geschnitten. Am nächsten Tag gefiel mir auch das Packpapier nicht mehr, also habe ich wieder alles mit Acrylfarbe überstrichen.


Wenn ich im Bastelfieber bin, ist essen zweitrangig. Höchste Konzentration ist vonnöten, um Pinselwasser und Grapefruitsaft nicht zu verwechseln.


Die Anleitung zur Raupenbindung findet man unter Caterpillar Binding in englischsprachigen Internetseiten. Natürlich habe ich mich ein paar mal verwickelt, aber wenn der Anfangsknoten sitzt, ist der Rest ganz einfach.






Danke an meine Tauschpartnerinnen für all die Mühe, besonders für kalligrafische Genüsse, Extra-, Doppel- und Ausklappseiten, Transparente, Tütchen, Lesebändchen, wunderschöne Umschläge, Begleitkärtchen, Genähtes, Angeheftetes, Versiegeltes, Geprägtes, Vergoldetes, Gestempeltes und Gemaltes. Jedes Stück ist nun eingebunden und wird für immer eine schöne Erinnerung bleiben. DANKE EUCH!