Mittwoch, 16. Dezember 2020

Beutelbuch in Leder nach Art des Hauses

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Coronabedingt fand ein paar Monate nach dem ursprünglich gebuchten Termin endlich im Spätsommer mein 3-Tages-Kurs bei einem Buchbinder in Mainz statt. Nach vielen freien, kreativen Arbeiten wollte ich einmal ganz fachgerecht ein Buch auf traditionelle Art binden. Es sollte ein Beutelbuch werden.

Ich war die einzige Teilnehmerin. Mir fehlte die Geselligkeit, Ideenvielfalt und Impulse anderer, so dass der übliche Spaß etwas auf der Strecke blieb. Von Tag zu Tag verstärkte sich das Gefühl, wieder ein Lehrling zu sein.




Mit einer selbstgebauten Anschlaghilfe wurde das Papier für die Innenseiten am Reißlineal entlang auf Format gebracht, damit es einem Büttenrand ähnlich sieht. Mein Buchblock sollte 9 x 11 cm groß werden.



Die einzelnen Lagen wurden auf Leinenband geheftet, der Rücken mehrfach geleimt, gepresst und in eine runde Form gebracht. Ich lernte „Falsche Bünde“, Pappen zum Ausgleich der Lederdicke und Aussparungen für die Metall-Schließe anzubringen. Jede Menge Ticks, mir bereits bekannte und viele völlig neue, kamen bei jedem Schritt hinzu. Leider fehlte die Zeit, alles schriftlich festzuhalten.





Das Stechen des Kapitalbandes hatte ich mir schwieriger vorgestellt, zumal meine Unregelmäßigkeiten hinter der Verkleidung verschwanden. 



Ich hatte in den 80er Jahren schon mal in einem VHS-Kurs ein Beutelbuch aus kunststoffbeschichtetem Stoff angefertigt. Das Material klebt mittlerweile ganz ekelig, weil sich während des Alterungsprozesses Weichmacher gelöst haben. Die Machart ist simpel, der Buchblock ein Fertigprodukt. Ich war damals schon nicht besonders glücklich mit dem Ergebnis. Wenn ich euch die beiden Exemplare mal zum Vergleich in die Hand geben könnte, würdet ihr den krassen Unterschied erkennen. Es liegen Welten dazwischen und knapp 40 Jahre.



Zu Hause habe ich den Umschlag meines neuen Beutelbuches mit dem Brennpeter (lötkolbenartiges Gerät für Bandmalerei) bearbeitet. Der heiße Stift schmort Leder, Kork und Holz dunkelbraun. So lassen sich auf einfache Weise mit Hilfe einer Metallschiene Linien, aber auch Ornamente brennen. Ein paar Schmuckelemente aus Metall und Polsternägel geben dem Ledereinband den letzten Schliff.







Mein neues Beutelbuch hat eine Größe von 10 x 13 cm und eine Gesamthöhe von  35,5 cm. Es ist leer - jede Menge unbeschriebene Seiten - und etwas sperrig. Ob ich jemals etwas hineinschreibe? Jetzt hängt es erst einmal mangels Wohnraum neben dem Besen hinter der Tür. Egal.





Mittwoch, 28. Oktober 2020

MittwochsMix Holz + Falte = Souvenirs aus Sylt

Um ungetrübten Urlaub machen zu können ist in diesem Jahr eine nicht unerhebliche Portion Glück nötig und Risikobereitschaft. Ich sage nur: Lockdown, Quarantäne, Reisebeschränkungen, Beherbergungsverbot … stöhn ... 

Sylt war eine gute Wahl, wenn auch „für die Jahreszeit zu voll“. Wir hatten Anfang Oktober nach reichlich Wind und ein paar kurzen Regenschauern auch etliche Sonnenstunden, traumhaften Himmel mit dramatischen Wolkenbildungen und ein paar Regenbogen. 










Die Suche nach Treibholz für den MittwochsMix war nicht erfolgreich, aber ich brachte ein Stück Rinde mit, das mir als Cover für ein Mini-Leporello völlig reicht. Sie war von einem Zaunpfahl abgebrochen, weshalb mir die Bestimmung der Baumart beim besten Willen nicht möglich ist. 

Die Rinde ist holzig und wirft Falten. Das Leporello (aus Papier) ist wohl in seinen Kernbestandteilen auch irgendwo holzartig und über die Faltung brauche ich ja weiter kein Wort zu verlieren. 








Susanne und Michaela haben sich diese Wortkombination ausgedacht, um bastelaffinen Frauen eine Aufgabe zu geben. Das ist schön, aber über die Wintermonate muss ich mich wieder mehr meinen Türmen angefangener, unerledigter Arbeiten widmen. Mal sehen, vielleicht schaffe ich ja beides, jetzt wo wir wieder möglichst wenig vor die Tür gehen sollen.


Dienstag, 20. Oktober 2020

„Schöne Post“ von Michaela und Tabea – eine Buchrezension

Eingefleischte Fans von Michaela und Tabea haben in der Nacht zum 7. September wohl kaum geschlafen. Gleich am ersten Erscheinungstag haben sie sich auf das neue Buch der beiden gestürzt, haben es studiert und waren voll des Lobes. 

Nun wird es Zeit, diejenigen unter euch zu erinnern, die bisher noch gezögert haben. Weihnachten winkt. Hier ist mein Buchtipp. 





„Schöne Post“ aus dem Haupt Verlag handelt von der Wiedererweckung der Lust aufs Briefe schreiben. Es geht darum, anderen mit etwas selbst Gestaltetem Freude zu machen. Post, die sich aus der Masse der uniformen Nachrichten heraushebt. Post, die nicht mit einem Klick gelöscht und vergessen wird. 

Erstaunlich ist, was die beiden Autorinnen wechselweise zusammengetragen haben. Da gibt es mal von der einen und mal von der anderen Ideen für Hobby-Buchbinder und Kalligrafen, da wird gedruckt, geschnippelt, gemalt, schabloniert und gemustert, Stempel werden geschnitzt und Umschläge hergestellt. Fast jede neue Seite zeigt auch eine neue Fassette des Themas. 

Michaelas Schnittblumen sind immer wieder schön.

Tabeas Glasscheiben-Druck musste ich gleich ausprobieren.


Tabea und Michaela bleiben ihrer Linie treu. Wer die beiden aus Workshops, Blogs und Instagram kennt, findet hier viele ihrer altbewährten Techniken in einem neuen Kontext, ganz so wie ihre Fans sie lieben. Der besondere Reiz liegt in der scheinbaren Unbekümmertheit ihrer langjährig erprobten Arbeitsweisen und ihres unverwechselbaren Stils. Eine Unkompliziertheit, die Frohsinn und Leichtigkeit ausstrahlt und Mut macht zu eigenem Tun. Ihre Inspirationen haben Pfiff und sind für jedermann leicht nachzuarbeiten. 





Beim ersten Durchblättern hat mich der heftig durcheinander gekegelte Satzspiegel erschreckt. Als Mediengestalter fällt mir so etwas gleich auf – eine „Berufskrankheit“ sozusagen. Es zuckte mir in den Fingern, das Buch mit einem durchgehenden Seitenraster zu versehen, um mehr Ruhe ins Layout zu bringen. Der weitgehend einheitliche Blauton für die Projekte macht das ein Stück weit wieder wett und wenn man sich dann wie ich von vorne bis hinten durchgearbeitet hat, wird der Inhalt zum Chef. („Der Text ist der Chef“ ist ein alter Schriftsetzer-Spruch.) Gehört das wilde Layout vielleicht zum Konzept? 



Mein Lieblingskapitel ist das mit den Schriftbildern - ein schwarz-blaues Gewusel, das ohne Frage einen ganz besonderen Charme besitzt. Denkt daran, den Umschlag des Briefes nicht allzu wild zu gestalten. Bei der letzten Post-Kunst-Aktion sind wiedermal rund 12 % meiner Sendungen verschwunden, wohl weil die Deutsche Bundespost sterile Eintönigkeit bevorzugt. Vielleicht gibt es aber auch unter den Zustellern Sammler, die angesichts manch eines Post-Kunst-Umschlags zum Langfinger werden und liebevoll gestaltetes Transportgut einkassieren statt auszuliefern. 

Apropos: weiß jemand, ob die witzige Safttüten-Versandtasche von Seite 77 noch im Umlauf ist oder hat die Deutsche Postnorm auch da keinen Spaß verstanden? 

Habt ein Herz für den Empfänger, der sich innen auf dem Briefbogen durch all die lustigen Schachtelsätze kämpfen muss, wie Tabea sie zeigt. Nicht jeder Empfänger möchte kryptische Inhalte entschlüsseln und sich auf der Suche nach dem nächsten Absatz lange durch ein verwirrendes Puzzle arbeiten. Die Ideen sind toll, mir ziehen da nur gerade so ein paar frühkindliche Erlebnisse durchs Hirn ... 

Nach dem Kapitel mit den schönen Buchstaben holt uns Michaela zurück auf den Boden der Tatsachen mit Regeln zum Postversand und praktischen Anleitungen fürs Falten schöner Umschläge. Diese und andere Vorlagen stehen sogar zum Ausdrucken online bereit. 


Mein Advents-Post-Buch von 2016 in Waisenbindung.

Den Umschlag für ein Notizbuch aus Fimo Leather Effect habe ich auch nachgearbeitet, werde aber in Zukunft wieder bei Papier und Co. bleiben.

Mein Gesamteindruck des Buches ähnelt dem von einer Sahnetorte, die man genüsslich konsumieren und sich unbekümmert einverleiben darf ohne an Kalorien zu denken. Ein tolles Buch voller grafischer Leckerbissen mit schönen Fotos, Einblicken, Anregungen und Anleitungen. Ein Augenschmaus! Ein sprudelnder Ideen-Quell. Das Buch zum Post-Kunst-Werk. Keine Wiederholung eines alten Themas. Kein Regelwerk. Kein Briefgeheimnis. Jedermann darf schnüffeln. Jeder kann schwelgen in den Designwelten von Tabea und Michaela. Jeder kann mitmachen. 




„Schöne Post“ ist im Haupt Verlag erschienen und wurde mir freundlicherweise für diese Rezension zur Verfügung gestellt. Ich mache deshalb rein rechtlich zwar Werbung, aber die kommt aus Überzeugung. Kauft dieses Buch! Und schreibt mir doch dann einen schönen, langen, verrückten, bösen Brief. Rückantwort kommt! Versprochen.


Mittwoch, 30. September 2020

MittwochsMix HÜLLE + ZEIT = Taschenuhr

Das Themenpaar des MittwochsMix, einer Challenge von Susanne und Michaela für jeden der sich künstlerisch-kreativ betätigen will, lautet in diesem Monat „Hülle“ und „Zeit“. Ohne mich lange in komplizierte, philosophische Gedanken zu verstricken, habe ich es diesmal wörtlich genommen. Ich habe eine Bilderstrecke von 34 Zeit-Anzeige-Geräten gesammelt, bearbeitet, auf Fotopapier drucken lassen, ausgestanzt, aneinandergereiht und in eine Hülle gesteckt. Diese ist aus Lederimitat passend zugeschnitten und von Hand zusammengenäht. Sonst nix.

Dann kam der große Fotografier-Rausch über mich, gefolgt von dem Problem, welche Bilder ich hier präsentieren soll. Wisst ihr was? Sucht sie euch doch selber aus. 






















So sah es auf dem Arbeitstisch aus







Wieder einmal schaffe ich es gerade auf den letzten Drücker, meine Umsetzung der Aufgabe online zu stellen. Hoffentlich gefällt euch mein Taschenuhr-Minibuch.

Das Thema des MittwochsMix für Oktober erfahren wir heute schon bei Susanne und Michaela